Buko in Berlin

Plaudernd kritisieren

Auf ihrem Bundeskongress diskutierten entwicklungspolitische Aktionsgruppen über die unterschiedlichen Protestformen der Globalisierungsgegner.

Was kann der Chef des IWF, Horst Köhler, in einer Plauderrunde erzählen? Klatsch und Tratsch in der internationalen Banker-Szene? Welches Land als nächstes eine Strukturanpassungsmaßnahme verpasst bekommt?

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Weed zumindest behaupten, entscheidend bei solchen Gesprächen sei, was man damit anfängt. Denn man glaube nicht, so Barbara Unmüßig, Vorstandsvorsitzende von Weed, an die überzeugende Kraft der eigenen Argumente, sondern wolle sich schlicht Informationen beschaffen. Mit diesen könnten die NGOs den Kampf gegen den Informanten gestalten, der wiederum durch den Druck auf der Straße unterstützt wird. In Prag habe sie sich nach den Gesprächen mit Vertretern von IWF und Weltbank den Demonstrationen in der Innenstadt angeschlossen, erzählt sie auf dem Podium des 23. Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (Buko) am Wochenende in der Berliner Humboldt-Universität.

Der Buko, in den siebziger Jahren gegründet, repräsentiert als Dachverband über 170 internationalistische Basis- und Dritte-Welt-Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Agrarpolitik, Weltwirtschaft, Rüstungsexporte, alternativer Handel, Rassismus und Migration.

Unter dem Motto »www.org - Widerstand weltweit von unten organisieren« diskutierten die rund 300 Teilnehmer in zahlreichen Workshops die veränderten Bedingungen für internationalen antikapitalistischen Widerstand - seien es die Entwicklungen der Institutionen und Diskurse der neoliberalen Globalisierung, seien es die veränderten Arbeitsbedingungen und Geschlechterordnungen.

Die neue Situation wird dabei von alten Diskussionen bestimmt: Wie hält man's mit dem Staat oder (supra-) staatlichen Institutionen? Dialog oder Konfrontation? Den Strategiemix von Barbara Unmüßig und Weed bezeichnete das Buko-Mitglied Moe Hierlmeyer als »Spagatismus« und wies ihn als untauglich zurück: »Schon Faust ist mit seinen Gesprächen mit dem Exekutivdirektor Mephistopheles gescheitert.« Emanzipatorische Politik könne nur in spezifischen historischen Situationen, vor allem, wenn soziale Bewegungen stark seien, kooperativ umgesetzt werden. Dies sei aber derzeit nicht der Fall. Den Lobbyisten wirft er ein Politikverständnis vor, wonach sich gesellschaftliche Veränderungen nur im Konsens mit den mächtigen Wirtschafts- und Politikvertretern erzielen lassen - nach dem Motto »Wir sitzen alle in einem Boot.« Strukturelle Zwänge, Interessen und Machtlinien werden dabei vernachlässigt.

Alex Demirovic vom Frankfurter Institut für Sozialforschung verwies darauf, dass mittlerweile Taxifahrer im Auswärtigen Amt sitzen und Kiffer US-Präsident werden können. Solche Leute haben für Proteste viel Verständnis, William Clinton - Meister dieser »Offensive des Lächelns« - sogar für den militanten Teil des Widerstands in Seattle. NGOs, so Demirovic, sind »staatlich lizenzierte private Organisationen«. In der staatlich organisierten Diskursordnung wird ein Konsens hergestellt, in dem Widersprüche zwar eine symbolische Repräsentanz finden, die aber Grenzen hat, die - bei Strafe des Ausschlusses - nicht überschritten werden dürfen.

»Im Prinzip ist der Buko auch eine NGO, aber wir würden uns nie so bezeichnen, da wir uns in unserer Organisationsform, Strukturen und Inhalten von ihnen unterscheiden«, sagte dazu Buko-Mitarbeiter Markus Wissen. Es gehe darum, radikale Kritik diskursfähig zu machen. Obwohl der Buko die großen NGOs und deren staatsbezogenen Strategien kritisiert, sucht er auch mit ihnen den »kritischen Dialog«.

Thomas Seibert von medico international wies darauf hin, dass NGOs und soziale Bewegungen symbiotisch verbunden sind. Ebenso wie die NGOs darauf angewiesen sind, dass der Staat sie als Gesprächspartner akzeptiert und ihre Experten anerkennt, seien auch sie abhängig von der Stärke der sozialen Bewegungen.

Die Diskussionen sowohl der NGOs wie der sozialen Bewegungen werden momentan vor allem von der Krise des IWF und der Weltbank bestimmt. Die Politik der Strukturanpassung, so ist ihren eigenen Jahresberichten zu entnehmen, führt nicht zum Erfolg, sondern zur weiteren Verarmung. Wenn der Weltbankchef James D. Wolfensohn Verständnis für die Demonstrationen in Prag aufbringt und »die Kürzung der Entwicklungshilfe« als »Verbrechen« geißelt, dann moniert er ein Beschaffungsproblem: Die Kosten, die aufgebracht werden müssen, um Krisen wie die in Asien oder Mexiko aufzufangen, sind erheblich gestiegen.

Die Erfolge der Mobilisierungen in Prag und Seattle sind also weniger Ausdruck eigener Stärke, sondern der Schwäche des politischen Gegners. Die Proteste in Seattle - da war man sich beim Buko einig - stellt keine Zäsur in der internationalistischen Bewegung dar und seien »kein Exportprodukt für überallhin«, wie Miriam Fischer vom internationalen Netzwerk von Basisgruppen Peoples Global Action (PGA) erklärte.

Schließlich seien auch die Proteste des event-hopping getragen durch eine Gruppe von Funktionären, die es sich leisten könne, von einem zum nächsten Gegengipfel zu jetten. Die mangelnde Verankerung in lokale Bewegungen sowie die Integration des Widerstands in den Alltag verweise, so Fischer, auf das zentrale Problem des Aktionismus - die »marginale Inhaltlichkeit« der Globalisierungsgegner: »Es wird viel zu selbstverständlich davon ausgegangen, dass alle ihre Gründe haben, warum sie gegen die Globalisierung protestieren.«

Wo Inhalte bedeutungslos werden, braucht man sich über die unterschiedlichen Teilnehmer der Widerstände nicht wundern. Seine wichtigste Aufgaben sieht der Buko deshalb darin, die Kritik zu präzisieren und sich von Positionen abzugrenzen, die einen Souveränitätverlust der Nationalstaaten beklagen. Die Spaltung der Menschheit in Reich und Arm sei untrennbar verknüpft mit der kapitalistischen Weltordnung und könne nicht nur als Folge ihrer neoliberalen Ausprägung interpretiert werden.

»Das Prinzip dieser Programme« von IWF und Weltbank sei es, »den Zufluss von ausländischem Spekulativkapital zu ermöglichen, welches nicht zur Schaffung irgendwelcher Werte beiträgt«, heißt es beispielsweise in einem Aufruf der Initiative gegen ökonomische Globalisierung - Prag 2000 (inpeg). Die Unterscheidung zwischen einem produktiven und einem spekulativen Kapitalismus macht es den nationalistischen Globalisierungsgegnern leicht, sich dieser Kritik anzuschließen. So wurden auch in dem Workshop »Verkürzte Kapitalismuskritik« Auszüge aus zwei Parteiprogrammen zum Thema Globalisierung vorgelegt. Sie ähneln sich bis ins Detail. Ein Programm stammt von der PDS, das andere von den Republikanern.