»Mr. Wong« von Pam Brady und Kyle McCulloch

The Wong Way

Rassismus oder Satire? Ein animierter Internet-Cartoon von zwei »South Park«-Autoren sorgt in den USA für Aufsehen.

Das Stereotyp ist gewollt: ein zitronengelber, buckliger alter Chinese mit hervorstehenden krummen Zähnen. Mr. Wong sieht aus wie ein überzeichneter Abziehbild-Asiat aus rassistischen Karikaturen. Er ist die Hauptfigur einer ausschließlich via Internet zugänglichen Trickfilm-Serie von Kyle McCulloch und Pam Brady, zwei »South Park«-Autoren. In den USA hat die Serie heftige Proteste hervorgerufen. »Rassismus!« sagen die Kritiker, »Satire!« meinen die Macher.

»Die rührende und herzerwärmende Geschichte von einem Mädchen und ihrem 85 Jahre alten chinesischen Hausjungen«, lautet der Untertitel des Online-Cartoons. Das Mädchen, Mr. Wongs Arbeitgeberin, ist die nicht minder klischeehafte Miss Pam: eine wohlhabende, gut aussehende, weiße junge Frau mit Katzenaugen. Unangenehm berührt hat die Geschichte von Miss Pam und Mr. Wong vor allem viele asiatische Amerikaner, die seit dem Start der Serie Anfang Juni 2000 gegen den Cartoon protestieren.

Mittlerweile sind auch Bürgerrechtsorganisationen wie die Organization of Chinese Americans (OCA) oder das National Asian Pacific American Legal Consortium (NAPALC) auf den Plan getreten. Sie werfen den Autoren die fahrlässige Benutzung eines diskriminierenden anti-asiatischen Stereotyps vor. Vom Online-Entertainment-Unternehmen icebox.com, auf dessen Webseiten die dreiminütigen Trickfilme zu sehen sind (www.icebox.com), verlangen sie die Einstellung der Serie. Doch dort steht man zu »Mr. Wong«. Der inzwischen sieben Episoden umfassende Cartoon betreibe keine Darstellung rassistischer Klischees, sondern sei eine Satire, die mit diesen spiele, heißt es in einer Pressemitteilung.

Tatsächlich sind die Abenteuer von Mr. Wong und Miss Pam ein wildes Spiel mit Stereotypen, das eher mäßig witzig ist. In der Folge »Urine Trouble« beispielsweise fordert Miss Pam ihren Angestellten mehrfach dazu auf, das Wort »Cotillion« aussprechen. Der greise Chinese, der natürlich auch einen äußerst starken Akzent hat, bringt aber immer nur »Cortirron« heraus. Höhnisches Gelächter ist Miss Pams Antwort darauf. Während die Hausherrin ihre Tage Martini-trinkend im Wohnzimmer ihres Luxus-Apartments verbringt, bewohnt ihr asiatischer Hausjunge einen kargen Verschlag in derselben Wohnung. Als Bett dient eine hölzerne Palette und als Kopfkissen ein Stapel Backsteine. Der Comic bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen satirischer Überzeichnung rassistischer Klischees und deren Reaffirmation.

Politisch-inkorrekte Figuren kennt man bereits von den »Simpsons« oder aus »South Park«. Die Episoden von »Mr. Wong« konzentrieren sich allerdings ausschließlich darauf, Stereotype auszustellen und diese aufeinanderprallen zu lassen. Problematisch wird dies nicht zuletzt durch die scheinbar zeitlose Umgebung, in der sich die Geschichten abspielen. Denn während bei den »Simpsons« und in »South Park« Klischees immer wieder dekonstruiert werden, indem ihr Entstehungszusammenhang innerhalb der amerikanischen Gesellschaft aufgezeigt wird, fehlt bei »Mr. Wong« diese Ebene fast vollständig.

Dem jungen Online-Entertainment-Unternehmen icebox.com nutzt der Streit um »Mr. Wong« jedenfalls: Die von der e-companies-Gruppe finanzierte virtuelle Trickfilm-Tiefkühltruhe gelangte so in die Schlagzeilen, selbst die New York Times berichtete. Zu den Gründern und Direktoren der noch kein Jahr alten Firma gehören der frühere »Akte X«-Produzent Howard Gordon und »Simpons«-Coproduzent Rob LaZebnik.

Neben den Erlebnissen von Mr. Wong kann man auf den Webseiten von icebox.com weitere Cartoonserien wie »Zombie College« oder »Superhero Roommate« betrachten. Überaus komisch sind die Abenteuer von »Hard Drinkin' Lincoln«, in denen der 16. US-Präsident als dauerhaft alkoholisierter Schürzenjäger sein Unwesen treibt und am Ende jeder Folge erschossen wird.

Icebox.com bietet Zeichnern und Produzenten die Möglichkeit, ohne die Zwänge und Vorschriften des Fernsehens neuartige Cartoons zu entwickeln. Auf diese Weise ist es dem Unternehmen gelungen, namhafte kreative Köpfe als Mitarbeiter zu gewinnen, darunter Autoren von »Akte X«, den »Simpsons«, »Seinfeld« und »Ren and Stimpy«-Schöpfer John Kricfalusi.

Der Online-Eisschrank dient jedoch nicht dazu, Trickfilme auf Eis zu legen, die es nicht ins Fernsehen schaffen. Schon eher ist icebox.com ein Marktforschungslabor, in dem Figuren und Geschichten auch in Hinblick auf ihre TV-Tauglichkeit getestet werden. Anfang August konnte der erste Vertrag mit einem Fernsehsender unterzeichnet werden. Der Kabelkanal Showtime Networks wird 2001 den von Rob LaZebnick geschaffenen icebox.com-Cartoon »Starship Regulars« ausstrahlen.

Ob auch »Mr. Wong« eines Tages im Fernsehen zu sehen sein wird, ist fraglich. Am 22. September hat icebox.com jedenfalls die zweite Staffel mit sieben neuen Folgen gestartet.

OCA und NAPALC laufen indes weiter Sturm gegen den Cartoon und rufen dazu auf, die Verantwortlichen bei icebox.com und e-companies durch Protestanrufe und -mails unter Druck zu setzen. Doch nicht alle asiatischen Amerikaner teilen die Bedenken der Kritiker. Einer Umfrage des New Yorker Online-Magazins AsianAvenue zufolge, an der sich etwa 10 000 Menschen beteiligten, halten gerade einmal 20 Prozent die Serie für »totally offensive«. 33 Prozent meinen »offensive, but I laughed«, 19 Prozent nennen den Cartoon »an expression of free speech« und für immerhin 28 Prozent der Befragten ist »Mr. Wong« »funny as hell«.

Im Internetforum der Silicon Valley Chinese Engineers Association (SCEA) kam derweil der Vorschlag auf, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Ein gewisser Yue Han Dai schrieb hier: »Mein Rat an alle, die sich von Mr. Wong angegriffen fühlen (...), gebraucht eure kreativen Kräfte, um einen Mr.Smith-Cartoon zu schaffen, mit einem hässlichen, dämlichen Weißen, der einer reichen chinesischen Lady als Butler dient .«