Die Magazine 'Tussi Deluxe' und 'FHM'

Zurück zum Nagellack

Having sex statt doing gender. Die Geschlechterpolitik der Magazine Tussi Deluxe und FHM.

Im Jahrtausend der Frauen, so scheint es, konzentrieren sich die Herren in zunehmendem Maße auf sich selbst. Der ganz normale weiße Hetero wird zum Problem. »Mannsein ist eine hochriskante Lebensform«, konstatierten zum Beispiel Geo-Wissen und Walter Hollstein, Professor für Politische Soziologie in Berlin. Denn die Männer, so die Argumentation, lernen schlechter, saufen bis zur Abhängigkeit, sind gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt, weshalb sie früher sterben und sich dreimal häufiger umbringen als Frauen. Das »Prinzip Mann« (Peter Schneider) wird als »Auslaufmodell« (Lionel Tiger) deklariert. Ungeachtet des Realitätsgehaltes solcher Äußerungen bleibt bemerkenswert, wie sich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf die hegemoniale Männlichkeit konzentriert.

Der Krisendiskurs »Mann« findet sich nicht allein im Feuilleton, er hat seine diversen Entsprechungen auch in Belletristik und Film der neunziger Jahre. Michel Houellebecqs »Elementarteilchen«, Nick Hornbys »High Fidelity« oder »Fever Pitch«, Benjamin von Stuckrad-Barres präpotentes »Solo«-Lamento oder David Finchers »Fight Club« stehen paradigmatisch für einen Diskurs, der normative Männlichkeit als prekär und krisenhaft inszeniert. Trotz aller Unterschiede fokussieren sie die Krisensituation des weißen heterosexuellen Mannes und stellen damit Männlichkeit als Konstruktion, als Performance und neuerdings als unerquickliches Spektakel aus. Mann-Sein wird in bester feministischer Tradition durch Mann-Werden ersetzt. Mit dem fundamentalen Unterschied, dass die mit diesem Konzept verbundenen Entwicklungsoptionen bzw. -forderungen primär als Bedrohungen, keineswegs als Chancen wahrgenommen werden.

Die innere Sicherheit des Mannes

Ein paar Sicherheiten im Risikospiel Mann-Werden verspricht die seit Herbst auch in der deutschsprachigen Ausgabe erhältliche Männerzeitschrift FHM - For Him Magazine. Die Markteinführung wird von einer aggressiven Werbekampagne begleitet; man kommt an keiner U-Bahn-Station mehr vorbei, ohne sich mit dem Bild dieses neuen alten Mannes auseinandersetzen zu müssen: »FHM - äff ätsch ähm: Männer sind so«, heißt es auf Plakatwänden, und will man die erste Ausgabe kaufen, waren die Männer, die »so sind«, schon da: Ausverkauft! »Wir haben von der 350 000er Auflage ganz gut verkauft«, sagt Chefredakteur Uwe Killing. Denn »Männer sind weltweit im Wesentlichen gleich - Frauen übrigens auch.« Für das globale FHM-Network ist die Markteinführung in Deutschland bereits Teil 14 der globalen Erfolgsgeschichte; in Großbritannien beispielsweise wurden in Spitzenzeiten rund 700 000 Exemplare verkauft.

FHM hat den Mittelstand als Zielgruppe im Blick, das Editorial der deutschen Ausgabe grenzt sich deutlich von der Proll-Klientel ab: »Es fehlte uns bislang in Deutschland ein Magazin, das mehr draufhat als immer nur Motoren, Muskeln und Mädels.« So dürfte auch die Einschätzung der Woche, mit der deutschen FHM-Ausgabe finde der britische Laddism (»ðBusen, Bier, BlechÐ, denk einfach an Liam Gallagher«) nun auch hierzulande sein Forum, haarscharf am Zielpublikum vorbeigegangen sein. FHM spricht nicht den Proll, sondern den netten, besser verdienenden Angestellten an, für den das übliche Programm aus Designerklamotten, Anti-Mobbing-Knowhow, Lifestylewissen und halbnacktem Model zusammengestellt wurde. So gleicht das beigefügte, in Silberfolie eingeschweißte »Hot Girls«-Heftchen eher einem Katalog der Streichelsexphantasien als der klassisch-ordinären Wichsvorlage.

Nein, Playboys sind die FHM-Männer auch nicht, obwohl Frauen in guter alter Manier als Objekte dargestellt werden, denen man mit gebotener Härte zeigen muss, was ein Mann ist, weiß und tun kann. Ging es im großen Sexreport der ersten Ausgabe darum, wie man das XX-Maschinchen verlässlich zum mega-orgasmischen Quietschen bringt, bietet das zweite Heft eine Art theoretisches Vorspiel, nämlich ultimative Hinweise zum Verständnis der »Zicken von Zicken«, deren Psychocode somit leicht geknackt werden könne. Der Globalexistenzform »Mann ist so« wird der Kollektivtypus Frau entgegengesetzt: »Jede Frau sehnt sich nach dem Gefühl, einen Mann blind vor Verlangen zu machen. (...) Um den Spieß umzudrehen: Mustere sie wohlwollend!«

Die Texte arbeiten an der Re-etablierung eines Verführungsstrategems, das sich als Machttechnik nur unzureichend kaschiert: Verstehen meint hier Aneignungs- und Unterwerfungspraxis - eben »Code knacken«. »Fresse polieren« ist der dazu passende Aktionsplan für den Praktiker. Angeleitet vom großen »Fighting Dad Kernspecht« und seinem »schrecklich effektiven Selbstverteidigungssystem« wird im November-Heft die Basislektion des Mannseins erteilt: »Schlag zurück - Nie wieder Schwanz einziehen.« Gewalt braucht hier nicht mal einen Vorwand, muss sich nicht mehr legitimieren und dient nicht, wie noch in Zeiten, als die Väter noch Vorbilder und keine Fighting Daddies waren, dem angeblichen Schutz von Frauen, sondern allein der Bestätigung der »Männer-sind-so«-Identität. Konstruiert wird eine permanente Notwehrsituation: »Du mußt zuerst schlagen, bevor du getroffen wirst, auch wenn viele Richter das weltfremd beurteilen. Lieber vorbestraft als tot.«

Permanente Notwehrsituation

Die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen und dabei auch gerne mal die gesellschaftlichen Korrektheiten übergehen, ist der Tenor des Magazins. Nicht umsonst verweist das »Ätsch!« im Titel auf die Arschloch-Rolle des Mannes, der sich im richtigen Moment mit gekonntem Zynismus aus sämtlichen Verpflichtungen gegenüber System, Chef und Freundin zu befreien weiß. Motto: »Du bist du, du bist ein Mann, der Rest da draußen ist völlig bekloppt und versteht dich eh nicht!«

Vor allem die Bilder und deren Unterschriften führen ein in die Logik des »Sind wir nicht alle ein bisschen Schweine?« Zur Aufnahme eines Stämme werfenden Schotten im Kilt findet sich das Statement: »Um Jesus richtig zu demütigen, zogen ihm die Römer auch noch einen Rock an.« Die Unterschrift zum Foto einer von Polizisten weggeschleiften Anti-Republican-Party-Demonstrantin lautet: »Britney Spears konnte nicht fassen, dass sie keiner hören wollte«, und im Text wird einem ebenfalls eingebuchteten Mitdemonstranten geraten, »Knastsolidarität« doch vielleicht im Sinne von Fickificki zu interpretieren. Inszenierte Geschmacklosigkeit spricht den dummlabernden Mann im Mann an, der es außerhalb der Herrenrunde dann doch wieder nicht gewesen sein will: »Ähm.«

In FHM geht es um den Ton, weniger um Inhalte. Und der Ton ist ruppig, gespeist aus der einen großen Tautologie: »Männer sind so!« Also keine Gefahr mehr durch FeministInnen, Schwuchteln und Weicheier; letztere werden als Zu-früh-Kommer gedisst. Männlichkeit soll nicht mehr in Frage gestellt, sondern wieder das unproblematische Zentrum des Sprechens werden; Geschlecht wird damit in den Bereich des unhinterfragbaren So-Seins verwiesen, Männlichkeit ist das, was die, die nicht »so« sind, gar nicht verstehen können. Das Versprechen lautet, der momentan schwächelnde Hetero-Normalo-Mann werde aus der Krise gestärkt hervorgehen. Es geht nicht um doing gender, das Geschlecht soll wieder in Besitz genommen werden: having sex.

Selbstverständlich sind sowohl die Beschäftigung mit den Bauplänen von Geschlecht als auch die Aneignung negativer Zuschreibungskataloge feministische Praktiken, und auch in Zukunft werden diese Strategien nicht den krisengeschüttelten Männern überlassen bleiben. Das neue Magazin Tussi Deluxe zum Beispiel bietet die weibliche Gegenposition zum FHM-Mackertum an. Auf dem Cover kneift sie, die Tusse im trendy Streifenhöschen, sich routiniert in die linke Pobacke und präsentiert ein Stückchen gedellter Haut: Tussi Deluxe grinst über ihre Zellulitis, was man im Bild allerdings nicht sehen kann, denn der Oberkörper ist abgeschnitten.

Die Zeitschrift, die vor eineinhalb Jahren als Fanzine begann, ist 2000 in ihre Professionalisierungsphase getreten, auch wenn sie weiterhin beim Friseur, in Szeneläden und Wartezimmern unentgeltlich ausliegt.

»Tussi Deluxe 01 unbezahlbar« steht über dem Frauenrumpf. Ein spendabler Verleger regelt das Finanzielle. Vier fest angestellte Redakteurinnen produzieren das Magazin, das sich in fünf Rubriken - Pop, Polemik, Pragmatik, Progesteron und Personality - gliedert. Die Gründungsidee? Für Leute wie uns ein Magazin machen, das auch wir lesen. Wir haben uns sozusagen selbst, die Tussen Tussi-Deluxe, entdeckt. Oder: »Wir sind selbstsicher, selbstironisch, wir müssen uns nicht mehr emanzipieren, das haben andere für uns gemacht. Wir können wieder richtig Frau sein«, führt die Pressesprecherin aus. Und das meint hier »Alkohol und Accessoires« oder die Beschäftigung mit Geschlechterrollen im Fernsehen. Immer noch sei alles traditionell-reaktionär am TV-Horizont, aber: »Na und? Mir doch egal, meint die Tussi von heute.« Oder die Frage nach dem Leben über 30 (»Der dreißigjährige Krieg!«) bzw. »Ist mein Freund schwul?« Und - na klar - um den Umgang mit der biologischen Uhr geht's natürlich auch.

Alles nicht so schlimm, Kinderkriegen geht bis 40. Auf keinen Fall will Tussi spießig wirken, deshalb werden Tipps fürs Schwarzfahren und Falschparken, für die Autoreparatur durch Fremde, die Schnellküche und für effektive Toilettenreinigung gegeben, Lieblingsplatten und

-bücher vorgestellt, die Gruppe Stella interviewt. Garniert mit zahllosen kleinen Kolumnen, Randbemerkungen, netten Seitenhieben - gegen Mann und Frau. Die Texte zu den Überschriften sind abwägend, humorvoll, artig, nett.

Tussi ist souverän, hat ihre Einführung in Gender Studies überflogen, und die Frauenbewegung scheint Jahrhunderte entfernt. Hier muss niemand mehr gebasht werden; der Freund ist mal Hausmann, mal nicht, mal doof, mal nicht. »Mit Männern haben wir kein Problem.« Sie sind nicht das Thema. Weshalb es im Gegensatz zu sämtlichen anderen Frauenzeitschriften in Tussi Deluxe nicht darum geht, sich fit für »ihn« zu machen. Denn er ist da oder schon wieder weg, aber ohne ihn geht's auch. Alles dreht sich ums angenehme Leben zwischen Wattebausch und Cremetöpfchen, das sich erst genießen lässt, wenn es mit Gelassenheit genommen wird.

Wir haben es also mit einem gut gelaunten frei flottierenden Frauensubjekt zu tun, das sich weniger über Inhalte und konkrete Positionen definiert als über eine lebenspragmatisch-flexible Haltung. Die moderne Frau auf der Höhe des Marktes ist unabhängig und »reduziert sich nicht mehr auf einen starren Lebensplan«, denn »alles ist möglich. Sie kann heute dies sein, morgen das. Oder alles gleichzeitig. Vom Heimchen am Herd über die Femme Fatale bis zur Business-Frau.« Mutter mit 40 und Unternehmerin mit 50 und immer noch sexy mit 60. Machtstrukturen werden munter ignoriert, ein nahezu hausfraulicher Pragmatismus - alles zu seiner Zeit - wird konsumtheoretisch überhöht.

Tussi und die Genussmaschine

Die Tussi jongliert mit einem marktgerechten Set von Frauenbildern, die sie nur noch bedingt ernst nimmt. Selbstironie wird zum Ersatz für eine gesellschaftspolitische Position. Die Frage nach einem politischen Kontext wird entsprechend freundlich abgewehrt: »So weit würde ich nicht gehen.« Ironie, vor allem viel Selbstironie erscheint wichtiger. Und das Aussehen.

Hier ist die Tussi bekanntlich in ihrem Element. Entsprechend ist das Layout top. In der Mischung aus Spex- und Netz-Design, das die Schrifttype als ironisches Stilmittel einsetzt, liebevoll mit Details spielt, das Diktat der absoluten Leserfreundlichkeit unterläuft und trotzdem nie in die Unübersichtlichkeit abdriftet, bleibt das Magazin in dieser Hinsicht sperrig, gekonnt verspielt.

»Los, machen, ausprobieren« ist die Botschaft. Tussi Deluxe feiert das Ende des feministischen Opferdiskurses; dabei droht jedoch das Befreiungspotenzial von der Ignoranz gegenüber Machtstrukturen kassiert zu werden. Schließlich ist auch Spaßhaben keine subjektive, sondern eine kollektive, durch (kulturelles) Kapital strukturierte Möglichkeit. Der Bruch mit dem weiblichen Krisendiskurs, der endlosen Rede von der weiblichen Instabilität und Verletzbarkeit, führt zum Ernstnehmen der Maskerade. Das Ankommen im Stil aber stellt das subversive Potenzial des Kleidertausches still; statt dessen wird das Phantasma der jederzeit ab- und aufrufbaren multiplen Persönlichkeit - heute Mutter, morgen Managerin - zu einem neuen Rollendiktat. Womit das Ziel, Festschreibungen zu unterlaufen, haarscharf verfehlt wäre. Jeder Emanzipationsanspruch, jede halbwegs ernsthafte Analyse der Bedingungen eines heiteren Identitätshopping wird zugunsten der Hingabe an die Differenz-Genussmaschine aufgegeben. Die Drecksarbeit haben schon andere für uns erledigt: Zurück zum Nagellack.

So unterschiedlich FHM und Tussi Deluxe in ihrer Aufmachung, Adressierung und in ihrer Geschlechterpolitik auch sind, so ähneln sie sich doch in ihrem Rückgriff auf die Leerformeln »Kerl« und »Tussi«. Gegen das Relationsgeflecht von Gesellschaft und Geschlecht, Geschlecht und Öffentlichkeit wird das Modell von »Shoppen« bzw. »Ficken« gesetzt. Durchgestylte Ironie und verbales Sackkratzen sind die Strategien, mit denen man sich dem Konsum anvertraut.