Deutsche Burschenschaft rückt nach rechts

Schlagen fürs Volk

In der Deutschen Burschenschaft setzt eine Mehrheit auf völkische Radikalisierung und Kooperation mit Neonazis.

Nichtsnutzige Säufer seien sie, die Burschenschafter, und weltfremde Weicheier; das meint zumindest Franz Schönhuber. »Von studentischen Verbindungen, schlagenden zumal, halte ich nicht viel«, gab der ehemalige Vorsitzende der Republikaner (Rep) vor einiger Zeit zum Besten. »Während bedeutende Faschisten wie der Engländer Sir Oswald Mosley oder der Argentinier Juan Perón immerhin das Florett bevorzugten, haut man sich hierzulande mit dem Säbel solange auf die Köpfe, bis einer genug hat. Und Salamanderreiben, sich besaufen bis zur Bewusstlosigkeit, ist keine respektgebietende Lebensart.« Der Widerspruch der Beschimpften folgte prompt. Jürgen Schwab etwa nannte Schönhuber einen »Populisten«. Als Burschenschafter kennt Schwab nicht nur das Innenleben der Studentenverbindungen; in den vergangenen zehn Jahren war er Mitarbeiter diverser Faschoblättchen, in denen er für sein Anliegen, das politische Potenzial der Burschenschaften stärker zu nutzen, reichlich geworben hat. Inzwischen arbeitet er als Redakteur des NPD-Parteiorgans Deutsche Stimme (DS). Burschenschaften und völkisches Denken seien untrennbar, schrieb er 1999 in der DS und stellte zur Radikalisierung völkischer Ideologie im Nationalsozialismus klar: »Von daher ist es auch plumpe Geschichtsklitterung, wenn manche DB-Vertreter die - faktisch erzwungene, von vielen jedoch befürwortete - Auflösung der Korporationen und Überführung in den NS-Studentenbund (1935) als Betriebsunfall abhandeln möchten, so als ob Burschenschaften und NS-Bewegung eigentlich im geistigen Widerspruch gestanden hätten.« Das haben sie tatsächlich nicht, und was damals gelang, strebt Schwab auch heute an: die Radikalisierung völkischen Denkens innerhalb der Deutschen Burschenschaft (DB), des Dachverbandes von etwa 120 Männerbünden aus Deutschland und Österreich. Ausländer raus, die ehemaligen deutschen Ostgebiete rein und Deutschland, Deutschland über alles - dafür soll sich die DB noch energischer als bisher einsetzen. Schon seit 1996 wird die DB von jenem Flügel dominiert, der radikal-völkische Positionen vertritt. Damals hatten einige Burschenschaften den Verband verlassen und die Neue Deutsche Burschenschaft gegründet; seither versucht der radikal-völkische Flügel seine Vormachtstellung konsequent auszubauen. Vor allem bei außenpolitischen Fragen gerät er mit dem seit der Spaltung geschwächten Widerpart in der DB aneinander. Dieser hält zwar noch immer daran fest, dass Deutschland eigentlich bis an die Memel reiche, hat sich aber entschlossen, die bestehenden deutschen Staatsgrenzen anzuerkennen. Jenseits dieser Grenzen will man sich darauf beschränken, so genannte deutsche Kultur und deutsches Brauchtum zu unterstützen und den so genannten deutschen Minderheiten klar definierte Volksgruppenrechte zukommen zu lassen. Sehr zum Unwillen radikal-völkischer Burschenschafter, die vom starken deutschen Nationalstaat nicht lassen und Teile Mittel- und Osteuropas am liebsten annektieren wollen, setzt der gemäßigte Flügel auf die europäische Einigung. Nicht ohne Grund, denn europäische Einigung und deutsch-völkische Politik müssen einander nicht widersprechen. Wenn die EU nach Osten erweitert ist, die Grenzen durchlässig sind und »Schlesier«, »Ostpreußen« und andere Möchtegerndeutsche weitgehende Volksgruppenrechte besitzen - wer will sie daran hindern, sich mit Hilfe ihrer Volksgruppenrechte immer stärker von den Staaten zu lösen, denen sie derzeit angehören, um sich Deutschland anzunähern? Wie man Staaten in Volksgruppen zerlegt, hat man in Jugoslawien gelernt. Doch solche Gedanken sind keineswegs neu; sie wurden schon lange vor der Wiedervereinigung diskutiert. 1986 beispielsweise formulierte ein Burschenschafter: »Die deutsche Kultur reicht bis an die Memel, das kann keiner abstreiten. Und sie reicht im Westen bis an die Maas, Elsaß-Lothringen und Eupen-Malmedy gehören mit dazu. Es ist ein Traum, aber doch erstrebenswert, ein Europa, in dem die Völker friedlich und demokratisch geleitet, nach ihrer eigenen Art, miteinander leben und Grenzen nur noch Verwaltungsbereiche einteilen. In einem solchen Europa soll und kann ein Deutschland sein.« Ein geeintes Europa, dessen »Verwaltungsbereich Deutschland«, »Schlesien«, »Ostpreußen« etc. umfasst und den Kontinent dominiert - damit wäre im dritten Anlauf ein Ziel erreicht, das die Deutschen im vergangenen Jahrhundert zweimal militärisch nicht erreichen konnten. Die Burschenschaftermehrheit hält ein solches Vorgehen jedoch für zu kompromisslerisch und setzt auf eine völkische Radikalisierung wie in den zwanziger und dreißiger Jahren. Seit einiger Zeit wird sie dabei vom Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) unterstützt. »Deutsche Studenten meldet Euch!«, forderte kürzlich der NHB-nahe Arbeitskreis »Nationalisten in der Deutschen Burschenschaft« im üblichen Befehlston die studierenden Leser der Deutschen Stimme auf, in eine Burschenschaft einzutreten. Die DS wirbt länger schon für den radikal-völkischen Flügel der DB und liefert Argumente gegen die Gemäßigten. Ein im NHB organisierter Burschenschafter aus Halle wirkt im wohl einflussreichsten DB-Ausschuss an der politischen Positionierung des Dachverbandes mit. Ein Ziel des NHB dürfte es sein, sich innerhalb der DB eine stabile politische Basis an den Hochschulen zu schaffen. Zwar sind Mehrheiten für radikal-völkische Politik unter deutschen StudentInnen zur Zeit nicht erkennbar. Gelingt es jedoch, die DB auf radikal-völkische Positionen festzulegen, könnte zumindest die Bildung intellektueller Kader für die radikale Rechte in einem unabhängigen, einflussreichen und gut organisierten Dachverband gelingen.