Neue Anti-Antifa-Liste

Spione für Deutschland

Erneut kursiert eine Anti-Antifa-Liste in der Neonazi-Szene. Die Behörden meinen, für die Betroffenen bestehe keine Gefahr.

Ausspähen, veröffentlichen, zuschlagen. Geht es gegen politische Gegner, sind deutsche Neonazis besonders fleißig. So macht seit einigen Wochen erneut eine so genannte Anti-Antifa-Liste in der militanten Neonazi-Szene die Runde. Einmal mehr sorgt die Arbeit der rechtsextremen Möchtegern-Spione für Unruhe. Denn die zwanzigseitige Loseblatt-Sammlung mit dem Titel »Nahkampf« hat den aktionistischen Kameraden neben der üblichen NS-Propaganda einiges zu bieten.

In dem Dossier sind nicht nur die Daten von AntifaschistInnen detailliert aufgelistet, sondern auch die Adressen jüdischer Gemeinden und karitativer Einrichtungen. Selbst Ortsverbände von Bündnis 90/Die Grünen sind ins Visier der Anti-Antifa geraten, neben mehr oder weniger prominenten Einzelpersonen. So tauchen zum Beispiel Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder die Hamburger Schriftstellerin Peggy Parnass samt Büro- und Privatanschriften auf, ebenso Kommunalpolitiker aus Ludwigshafen und dem sächsischen Löbau.

Die Machart des »Nahkampf« ist nicht neu. In weiten Teilen, so scheint es, wurden einfach jene Feindlisten nachgedruckt, die bereits von den rheinland-pfälzischen Anti-Antifa Gruppen Saarpfalz bzw. Kurpfalz in den vergangenen 18 Monaten veröffentlicht worden waren. Dies wundert kaum, schließlich ist einer der mutmaßlichen »Nahkampf«-Macher in der rheinland-pfälzischen Anti-Antifa führend aktiv. Es handelt sich um den 24jährigen Stefan Michael Bar.

Bar war früher schon wegen der Schändung jüdischer Friedhöfe und wegen Volksverhetzung zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Im Herbst vergangenen Jahres brachte eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei Bar die Druckvorlagen für das Anti-Antifa-Blatt Reichsruf Nummer 7 ans Licht. Darin hieß es unter anderem »Ab in den Untergrund! Wehrt Euch!« Inzwischen ermittelt die Frankenthaler Staatsanwaltschaft gegen ihn, eine Anklage steht allerdings noch aus.

Neben den schleppend verlaufenden Ermittlungen kam den »Nahkampf«-Machern auch die tatkräftige Unterstützung von Kameraden aus dem gesamten Bundesgebiet zugute. In dem Machwerk ist beispielsweise eine Liste mit Autokennzeichen von mutmaßlichen TeilnehmerInnen des antirassistischen Grenzamps kein Mensch ist illegal in Zittau 1999 abgedruckt. Während des Camps hatten Aktivisten der sächsischen NPD und der Kameradschaft Odins Legion aus dem nahe gelegenen Kittlitz und aus Löbau »Feindaufklärung« betrieben. Offensichtlich hat die Anti-Antifa Löbau, die über ein offiziell angemeldetes Postfach verfügt, ihre Daten zur Erstellung des »Nahkampfs« zur Verfügung gestellt.

Beste Kontakte pflegen die rheinland-pfälzischen Aktivisten auch zu Berliner Neonazis. In einer der ersten Feindlisten der Anti-Antifa-Saarpfalz vom September 1999 werden ausschließlich PolitikerInnen, engagierte AntifaschistInnen und Linke aus dem Berliner Bezirk Treptow aufgeführt. Auch hier verlaufen die Ermittlungen der Justiz im Schneckentempo. Beim Berliner Verfassungsschutz hieß es, man wisse nicht, wer sich hinter der »Anti-Antifa-Kurpfalz« verberge.

Den Sicherheitsbehörden in Rheinland-Pfalz waren die rechten Datensammler schon im Herbst 1998 bekannt. Und kurz darauf, im November 1998, hatte der SPD-nahe Blick nach Rechts berichtet, dass die Anti-Antifa-Kurpfalz auf »Fotos mit Namen und Adressen von Gegnern« eine Prämie von fünf Mark ausgesetzt habe. Erst nach Presseberichten wurde die Liste auch von der Berliner Justiz und den Ermittlungsbehörden ernst genommen.

Ähnlich langsam arbeitet die Berliner Justiz bei einem Ermittlungsverfahren gegen ein Dutzend Neonazis aus Berlin, Niedersachsen und Brandenburg wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Im Oktober 1999 wurden bei Durchsuchungen der Wohnungen von langjährigen rechtsextremen Aktivisten mehrere Hundert Datensätze mit den Fotos und Namen politischer Gegner gefunden. Darunter befanden sich auch Angaben zu Polizeibeamten der Spezialeinheit Politisch motivierte Straßengewalt.

Während die Sicherheitsbehörden noch immer betonen, dass den regelmäßig veröffentlichten Outing-Listen keinerlei Gewalttaten gefolgt seien, sind viele Betroffene in dieser Frage skeptisch. Sie kritisieren die Informationspolitik der Ermittlungsbehörden als Verharmlosung. Zu Recht, angesichts der von Teilen der Freien Kameradschaften offen geführten Debatte um Militanz und den Aufbau brauner Untergrundstrukturen oder den detaillierten Bombenbauanleitungen und Feindlisten, die auf den Internetseiten der Weißen Arischen Bruderschaft verbreitetet werden. Zudem lassen die vermehrten Waffenfunde bei deutschen Neonazis und die verstärkte internationale Vernetzung von Anti-Antifa-Aktivitäten, wie beispielsweise die Nutzung von Postfächern niederländischer Neonazis für den Vertrieb deutscher Anti-Antifa-Publikationen, darauf schließen, dass die öffentlich bekannt gewordenen Anti-Antifa-Listen nur der Anfang sind.

»Ein nicht-rechter oder alternativer Jugendtreff, der beispielsweise in Anti-Antifa-Publikationen zu einer ðAntifazentraleÐ deklariert wird, kann dies zwar lächerlich finden: Aber die Betroffenen sind vor allem in kleinen Städten oft mit weitreichenden Folgen der rechten Propaganda konfrontiert«, beschrieb das Antifaschistische Infoblatt diese Entwicklung schon im Frühjahr letzten Jahres. Gerade in den letzten Monaten gab es insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern genügend Beispiele hierfür. In Thüringen etwa waren aktive AntifaschistInnen und GewerkschafterInnen das Ziel neonazistischer Steckbriefaktionen. »Fahndungsbilder« wurden auf rechtsextremen Webseiten veröffentlicht oder in der Nachbarschaft der Betroffenen verteilt.