Proteste gegen Danone-Werksschließungen

Boykottiert den Keks!

Trotz wachsender Gewinne planen französische Unternehmen Werksschließungen. Während die Regierung erneut soziale Unruhen befürchtet, versprechen sich die Kommunisten wieder Auftrieb.

Hast du den Einkaufszettel? Und die Liste der Produkte, die zu boykottieren sind?« Mit diesem fiktiven Dialog eines Ehepaares karikierte die französische Satirezeitung Le Canard Enchainé jüngst das Verhalten »kritischer Konsumenten«. Ende März hatte der französische Nahrungsmittelkonzern Danone die Schließung seiner Werke im nordfranzösischen Calais sowie in Ris-Orangis in der Pariser Banlieue angekündigt, obwohl es dem Unternehmen derzeit blendend geht.

Seither sorgt eine erfolgreiche Boykottkampagne für Schlagzeilen. Im Laufe des vergangenen Jahres hat die Danone-Aktie um 37 Prozent an Wert gewonnen. Außerdem brachte ein Umsatz von rund 85 Milliarden Franc einen Reingewinn von fast fünf Milliarden Franc ein. Im Gegensatz zur Getränkeherstellung wies die Keksproduktion in den letzten zwei Jahren allerdings in den Augen der Aktionäre und Manager des Konzerns mit knapp acht Prozent eine zu kleine Reingewinnspanne auf. Investitionen in diesem Sektor bleiben deshalb aus.

Die Unternehmensspitze behauptet nun, dass die Produktionsstandorte von Danone in Frankreich Überkapazitäten aufweisen, da sie lediglich zu etwa 42 Prozent ausgelastet seien. Doch diese Rechnung geht nur auf, wenn man voraussetzt, dass die Maschinen das ganze Jahr hindurch rund um die Uhr in Betrieb sein müssen, wie es mit Ausnahme des Sonntags im Werk von Calais bereits der Fall ist.

Die Ankündigung, zwei Niederlassungen zu schließen, trifft nicht zufällig die Produktionsstandorte in Calais und Ris-Orangis, wo der gewerkschaftliche Organisierungsgrad traditionell hoch ist. Jetzt soll das dort beschäftigte Personal, das im Durchschnitt älter als 40 Jahre ist, durch jüngere und schlechter bezahlte Arbeitskräfte ersetzt werden, die man nach den Schließungen an den verbleibenden Standorten in Frankreich beschäftigen will. Als wahrscheinlich gilt zudem, dass die Keksherstellung zukünftig zumindest teilweise nach Osteuropa verlagert wird, wo das Lohnniveau niedriger und das soziale Sicherungssystem schlechter ist. So hat Danone kürzlich den polnischen Kekshersteller UB aufgekauft und plant, dessen Produktionskapazitäten zu erweitern

Die französische Regierung und die etablierten Linksparteien waren von den Umstrukturierungsplänen des Danone-Konzerns unangenehm berührt. Schon bei den Kommunalwahlen im März hatte sich der Frust inbesondere der unteren sozialen Schichten schmerzhaft bemerkbar gemacht. Die Anzahl der Wahlenthaltungen war ungewöhnlich hoch, die Kommunistische Partei (KP) brach ein und die linksradikalen Parteien gewannen deutlich an Stimmen.

Nun befürchtet man erneut soziale Unmutsäußerungen, zumal Konzernchef Franck Riboud sowie sein Vater und Vorgänger, Antoine Riboud, bislang zu den »patrons de gauche« gezählt wurden. Die so genannten linken Bosse waren in der Vergangenheit um die Wahrung eines sozialen Images ihrer Unternehmen bemüht und hatten in den achtziger Jahren den damaligen Präsidenten François Mitterrand unterstützt.

Deswegen gab die Regierung kurz nach Bekanntwerden der Entlassungsvorhaben die Parole »Weder - Noch« aus: »Weder zuschauen noch verbieten«. Premierminister Lionel Jospin beauftragte die Arbeits- und Sozialministerin Elisabeth Guigou mit der Ausarbeitung eines Plans, der drei Maßnahmen vorsieht: Die Abfindungszahlungen im Falle betriebsbedingter Entlassungen sollen vom bisherigen gesetzlichen Minimum, das ein Zehntel des Monatsgehalts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit beträgt, auf das Doppelte erhöht werden.

Praktisch hätte diese Maßnahme kaum einen Effekt, denn die Tarifverträge in den meisten Branchen übersteigen dieses Minimum ohnehin deutlich. Zudem ist vorgesehen, den Betriebsräten im Falle von Werksschließungen ein Vorschlagsrecht für alternative Optionen einzuräumen. Und schließlich sollen die Unternehmen angehalten werden, für jeden der zu entlassenden Beschäftigten eine »Bilanz seiner beruflichen Kompetenzen« zu erstellen, um den Betroffenen eine Neuanstellung zu erleichtern.

Die Ankündigung dieser alles in allem eher kosmetischen Korrekturen des Staates an den vorgesehenen Einsparungsplänen von Unternehmen wie Danone konnte die soziale Unzufriedenheit nur wenig dämpfen, die sich während der folgenden Tage in einer beständig wachsenden Bewegung für den Boykott von Danone-Produkten artikulierte.

Ihren Anfang nahm die Kampagne in Calais, der größten Stadt in Frankreich, die nach dem Desaster der Kommunalwahlen noch von der KP regiert wird. Die Parteikommunisten sahen ihre Chance und mobilisierten am vorletzten Sonntag zu einer Protestkundgebung, an der rund 15 000 Menschen teilnahmen. KP-Bürgermeister Jacky Hénin machte sich die Forderung der von Entlassungen betroffenen Beschäftigten zu Eigen und lancierte den Aufruf zum Boykott persönlich.

Rasch schlossen sich eine Reihe zumeist links regierter Städte und Gemeinden an und verbannten alle Danone-Produkte aus ihren Kantinen. Am Rathaus von Calais ließ Hénin ein Spruchband anbringen, auf dem der etwas großspurige Slogan »Calais, Welthauptstadt des Widerstands gegen den Wirtschaftsliberalismus« zu lesen war.

Ende Mai ist auch in Paris eine Großdemonstration gegen die Entlassungspolitik französischer Unternehmen geplant. Einen erneuten Anlass dafür hat nun der Küchengerätehersteller Moulinex geliefert. Am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass der Konzern in Kürze einen neuen so genannten Sozialplan auflegen und 4 000 Arbeitsplätze - darunter 1 500 in Frankreich - abschaffen wird. Die meisten Handmixer und Obstschäler sollen zukünftig in Mexiko und China produziert werden.