Religiöse Konflikte im Sudan

Kreuzzug in Khartoum

Eine Massenversammlung mit dem deutschen Prediger Bonnke wurde von der Polizei gesprengt. Dessen Kollegen in den USA drängen auf eine härtere Linie gegen das Regime im Sudan.

Wenige Tage vor Ostern wurden Khartoum und die Nachbarstädte Omdurman und Bahri plötzlich von einer Fülle christlicher Propagandaplakate überschüttet. Sie kündigten einen Auftritt Reinhard Bonnkes an, eines evangelikalen Fundamentalisten aus Deutschland, der seit Jahren gemeinsam mit US-amerikanischen fundamentalistischen Sekten Missionsarbeit in Afrika leistet. Die Plakate verbreiteten den Slogan »Keep the fire burning« in Englisch und Arabisch und zeigten ein Foto, auf dem Tausende AfrikanerInnen dem »Prediger und Heiler« aus Deutschland zujubeln. Vor allem in der Nähe der evangelikalen Kirchen Khartoums, Omdurmans und Bahris waren die Plakate nicht zu übersehen. Wer mit den größtenteils aus dem Südsudan stammenden Gläubigen sprach, erlebte ein wahres Trommelfeuer der Begeisterung für den Fundamentalisten aus Deutschland.

Bonnke hatte bereits imVorjahr die Hauptstadt des von einer islamistischen Militärdiktatur regierten Sudan besucht. Damals waren Hunderttausende zu seinen Massenveranstaltungen geeilt, um angebliche Heilungen im Namen Gottes mitzuerleben. Die Gemüter bewegte insbesondere der Umstand, dass Bonnke auch explizit Muslime ansprechen wollte, um sie zum »wahren Glauben« zu bekehren. Der Übertritt zu anderen Konfessionen ist nach islamischem Recht verboten. Tatsächlich waren viele der BesucherInnen von Bonnkes Massenveranstaltungen Muslime, die meisten kamen aber wohl vor allem aus Sensationslust.

Die alteingesessenen arabischen Kirchen im Nordsudan haben kaum größere Probleme mit dem sudanesischen Staat und der muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Der koptische Bischof von Khartoum nahm sogar immer wieder explizit das Regime Omar al-Bashirs gegen den Vorwurf in Schutz, es verfolge die Christen. Zwischen den fundamentalistischen Kirchen aus Europa und den USA, die vor allem im Süden des Landes, in den Nuba-Bergen und unter südsudanesischen Flüchtlingen im Nordsudan Missionsarbeit betreiben, und ihren islamischen Konkurrentinnen dagegen kommt es immer wieder zu scharfen Konflikten.

Diese spitzten sich im Fall Reinhard Bonnkes, der für seine aggressiven und finanziell gut abgesicherten Werbekampagnen bekannt ist, besonders zu. Auch in anderen afrikanischen Ländern ist er mit evangelikalen Freikirchen aktiv und predigt auf medienwirksamen Massenveranstaltungen. Die aggressive Missionspolitik Bonnkes und seiner Anhänger forderte dabei den Widerspruch anderer Religionsgemeinschaften und zuweilen auch staatlicher Stellen heraus. So hat die äthiopische Regierung den deutschen Prediger nach Zusammenstößen seiner Anhänger mit Gläubigen der traditionellen Nationalkirche kurzerhand ausgewiesen und ihm ein Einreiseverbot erteilt.

Doch obwohl Bonnkes Rolle der sudanesischen Regierung bekannt gewesen sein dürfte, erhielt er das Einreisevisum. Die Veranstalter seiner Massenversammlung bestanden darauf, sie an einem zentralen öffentlichen Platz in Khartoum abzuhalten, womit sie die Anhänger des erst einen Monat zuvor verhafteten ehemaligen Parlamentspräsidenten und Chefideologen des Regimes, Hasan al-Turabi, und andere islamische Fundamentalisten herausforderten. Turabis Anhänger sahen eine gute Gelegenheit, sich gegenüber ihren ehemaligen Verbündeten im Staatsapparat als Hüter der Religion zu profilieren und klebten wenige Tage nach dem Auftauchen der Bonnke-Plakate die Stadt mit Aufforderungen zu, den Veranstaltungen des »Kafir«, des Ungläubigen, fernzubleiben.

Nach Angaben der sudanesischen Regierung gingen Drohungen islamistischer Extremisten ein, die evangelikale Versammlung mit Anschlägen zu sprengen. Die Veranstaltung wurde daraufhin verboten, doch Bonnke und seine Anhänger hielten sie trotzdem ab. Auf Befehl des Gouverneurs von Khartoum löste die Polizei die öffentliche Osterfeier unterm Einsatz von Tränengas und scharfer Munition auf. Dabei wurden nach Angaben von Augenzeugen einige Anhänger Bonnkes getötet oder schwer verletzt.

Aus »Sicherheitsgründen« untersagte die Regierung noch am selben Tag öffentliche Osterfeierlichkeiten im ganzen Land. Bonnke reiste auf die Bitte des Sudanese Council of Churches ab und überließ seine verunsicherten Anhänger sich selbst. Bei Straßenprotesten gegen das Verbot der evangelikalen Versammlungen kam es wiederum zu Verletzten. Einige Christen - auf die die im Sudan geltende Sharia, das islamische Recht, eigentlich nicht angewendet werden dürfte - wurden im Schnellverfahren zu Peitschenhieben verurteilt. Alfred Taban, ein prominenter Journalist der englischsprachigen Wochenzeitung Khartoum Monitor und Mitarbeiter von BBC und Reuters, wurde als Beobachter der Proteste festgenommen und fast eine Woche lang in Haft gehalten.

Für die christlichen Missionskirchen, insbesondere die fundamentalistischen Sekten, liefert die aggressive Arabisierungs- und Islamisierungspolitik der Regierung ein passendes Feindbild. Das Militärregime, das auch im mehrheitlich islamischen Norden von der Bevölkerung kaum noch unterstützt wird, ist nicht nur wegen möglicher christlicher Missionserfolge besorgt. Für die sudanesische Außenpolitik ist insbesondere der nicht zu unterschätzende Einfluss evangelikaler Sekten auf die neue US-Regierung brisant.

Prediger wie Franklin Graham, der Sohn Billy Grahams, versuchen die US-Außenpolitik gegen den Sudan zu mobilisieren. Die Kampagne Reverend Al Sharptons, die der sudanesischen Regierung und den sudanesischen Muslimen Sklavenhandel mit Südsudanesen vorwirft, wird seit vorletzter Woche von Stars wie Michael Jackson unterstützt. Franklin Graham und andere US-Evangelikale sprechen bereits von ihrem »Heiligen Krieg der Worte« im Unterschied zum »Heiligen Krieg« der sudanesischen Regierung.

Dieser Kreuzzug wird auch auf höchster Ebene zur Kenntnis genommen, zumal es wegen der Erschließung der sudanesischen Ölquellen und wegen des wachsenden chinesischen Einflusses (Jungle World, 9/01) auch realpolitische Argumente für ein stärkeres Engagement gibt. So erklärte US-Außenminister Colin Powell zur Lage im Südsudan, wo seit 1983 Bürgerkrieg herrscht: »Es gibt vielleicht heute keine größere Tragödie auf der Erde.« Bereits Anfang März hatte er angekündigt, dass die Sudan-Politik künftig »eine Priorität sein wird«.