Gute Profite dank der Krise in Mazedonien

Zitternd investieren

Die griechische Wirtschaft profitiert von der Krise in Mazedonien.

Seit mehr als zwei Monaten herrscht erneut latente Bürgerkriegsstimmung auf dem Balkan. In Griechenland beobachtet man den Konflikt im benachbarten Mazedonien mit einer gewissen Distanz. Zu kompliziert ist das Geflecht aus den divergierenden Auffassungen zur gemeinsamen Geschichte sowie den geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Gegenwart.

Vor zehn Jahren geriet Griechenland in eine nationalistische Panik, die durch das Phantasma der angeblichen Expansionspolitik des neu gegründeten Staates Fyrom (Former Yugoslavian Republic Of Mazedonia), der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, geschürt wurde. Mit Großdemonstrationen, auf denen tausende griechische Fahnen mitgeführt wurden, sollte damals deutlich gemacht werden, dass das »griechische Volk« der »Forderung« Skopjes, für den neugegründeten Staat den Namen Mazedonien zu beanspruchen, nicht nachgeben werde.

Während sogar einige Abgeordnete des griechischen Parlaments von einer gemeinsamen Grenze mit Serbien träumten, planten listigere Geschäftsleute eine andere Form der Invasion. Die griechische Regierung hatte Anfang der neunziger Jahre zwar ein Embargo über den neuen Staat verhängt, aber zur gleichen Zeit eröffnete die griechische Supermarktkette Veropoulos ihre erste Filiale in der Hauptstadt Skopje. Viele griechische Unternehmen folgten diesem Beispiel. Sie investierten nicht nur in Mazedonien, sondern auch in anderen Ländern des Balkans.

Auch der Streit um die Namensgebung für das Nachbarland hat sich weitgehend verflüchtigt. Allerdings wird bei der griechischen Untertitelung ausländischer Filme nach wie vor drauf geachtet, den inzwischen allgemein akzeptierten Namen »Mazedonien« durch »Skopje« zu ersetzen. Doch angesichts der neuerdings ausgezeichneten zwischenstaatlichen Beziehungen scheint sich sogar die griechische Regierung mit dem Gedanken anfreunden zu können, den Namen zu akzeptieren, den sie vor zehn Jahren noch kategorisch abgelehnt hat.

Die guten Beziehungen sind bereits im Laufe der neunziger Jahre entstanden, als der neue Markt das griechische Kapital verlockte und sich die nationalistische Stimmung bereits gelegt hatte. Alle Konfliktparteien erkennen die neutrale und vermittelnde Rolle Griechenlands an, und die Regierung in Athen kann griechischen Unternehmern günstige Investitionsbedingungen anbieten.

So sind bis Februar dieses Jahres die griechischen Kapitalanlagen in Jugoslawien auf etwa 1,3 Milliarden Euro angewachsen. Weitere 330 Millionen Euro wurden in Mazedonien investiert. Deshalb hätte man in der aktuellen Mazedonien-Krise von der griechischen Regierung, die sich in den letzten drei Jahren als Bündnispartner sowohl Serbiens als auch der Nato und der EU profiliert hat, eine aktivere Rolle erwartet. Wegen der intensiven Verbindungen wurde auch erwartet, dass Griechenland die Regierung in Skopje militärisch unterstützen würde.

Die griechische Regierung gewährt jedoch wegen bilateraler Abkommen auch Albanien polizeiliche und militärische Unterstützung, und die Regierung in Tirana, die Griechenland schon jetzt eine Parteinahme zugunsten mazedonischer Interessen vorwirft, protestierte vehement gegen eine Einmischung. Aus diesem Grund verweigerte Athen trotz wiederholter Aufforderung militärische Hilfe und schickte lediglich Truppentransporter und Sanitätswagen nach Skopje (Jungle World, 14/01).

Zudem gibt es auch in Griechenland erste Anzeichen für eine Ethnisierung der Alltagsbeziehungen. So haben auf dem Höhepunkt der Krise in Mazedonien slawische und albanische Griechen in Thessaloniki die Geschäfte der jeweils anderen Bevölkerungsgruppe gemieden, obwohl die so genannte ethnische Frage zuvor keinerlei Relevanz besaß. Die permanent konfliktgeladene Situation in den Nachbarländern bereits gewöhnt, hat die griechische Öffentlichkeit ansonsten aber kaum auf die Krise in Mazedonien reagiert. Die Regierung scheint froh zu sein, dass ihre widersprüchliche Balkanpolitik bisher nur wenig kritisiert wird.

Eine konsequente Politik verfolgt die griechische Regierung hingegen, wenn es um die Förderung und Verteidigung der Interessen griechischer Firmen geht. Anfang April fand beispielsweise im Hyatt-Hotel in Thessaloniki ein gemeinsames Forum des Industrie- und Handelsverbandes von Nordgriechenland und der griechisch-amerikanischen Handelskammer statt, zu dem alle Außen- und Finanzminister der Balkanstaaten sowie Vertreter der Weltbank und des Stabilitätspaktes für Südosteuropa eingeladen waren.

Obwohl sich die meisten Diskussionen um die Verhaftung von Slobodan Milosevic drehten, fanden die Beteiligten noch genügend Zeit, über den griechischen Plan zu debattieren, mit den Balkanstaaten eine Zoll- und Währungsunion zu gründen. Griechenland hat bereits 530 Millionen Euro für den so genannten Aufbau der Region vorgesehen und wird, von allen Seiten anerkannt, zumindest ökonomisch von den Balkankriegen profitieren.