Rechter Wahlkampf in Hamburg

Schutz der Gemeinschaft

Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im September haben die rechte Schill-Partei und die DVU gute Chancen.

Kommen Sie nicht nach Hamburg. Steigen Sie nicht am Hautbahnhof um. Sollten Sie aus privaten oder beruflichen Gründen die Hansestadt nicht meiden können, gehen Sie nicht nach St. Georg, ins Schanzenviertel, oder nach St. Pauli. Sie könnten ausgeraubt, angefixt oder erschossen werden. Alles Schauermärchen? Von wegen. Lesen Sie die Hamburger Presse oder lauschen Sie den Hanseatischen Politikern. Dann wissen Sie, was Sache ist.

Das große Wahlkampfthema für die Hamburger Bürgerschafts- und Bezirkswahlen am 23. September diesen Jahres steht bereits fest: »Innere Sicherheit«. Der sozialdemokratische Innensenator Olaf Scholz will bei der »Kriminalitätsbekämpfung« härter durchgreifen und der christdemokratische Fraktionsvorsitzende Ole von Beust verspricht: »Wir schaffen Sicherheit.« Der Anführer der rechten Partei Rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei), Ronald Barnabas Schill, kündigt sogar den »Schutz der Gemeinschaft vor kriminellen und subversiven Kräften« an.

Seit Monaten schon warnt die Springer-Presse fast täglich vor der »Ausdehnung des Drogenhandels« und der »gestiegenen Ausländerkriminalität«. Auch die Klagen über die »Unfähigkeit« des rot-grünen Senats, den Schutz der rechtschaffenen Hanseaten zu gewährleisten, dürfen in der aufgeregten Berichterstattung des Hamburger Abendblatts, der Morgenpost, der Welt oder der Bild-Zeitung nicht fehlen. Die Medienkampagne wird von Kommentaren der CDU und von Indiskretionen aus dem Polizeiapparat flankiert.

Das hat Konsequenzen. Im Mai trat Innensenator Hartmuth Wrocklage zugunsten seines Parteikollegen Scholz zurück. Hamburg rückt nach rechts. Einer Umfrage des Wahl- und Politikforschungsinstitutes Infratest-dimap zufolge sahen im Juni 59 Prozent der Hamburger in der Bekämpfung von Gewalt und Kriminalität die wichtigste Aufgabe der Politik. Im vergangenen November sorgten sich noch 34 Prozent der Befragten über eine »unzureichende« Verbrechensbekämpfung.

Nutznießer dieser Stimmung ist Schills Offensive, die nach Angaben von Infratest bei den kommenden Wahlen mit rund neun Prozent der Stimmen rechnen kann. Davon alarmiert setzt nun auch der neue SPD-Innensenator Scholz verstärkt auf die Mobilisierung des rassistischen Ressentiments. So betreibt er in der Öffentlichkeit unverhohlen die Ethnisierung und Kriminalisierung sozialer und ökonomischer Probleme. Der »liberale Sozialdemokrat« will »Akzente gegen die Zunahme von Raubtaten junger Männer« und »Intensivdealer« setzen und den Polizeiapparat ausbauen.

Derartige Law-and-order-Parolen stärken die extreme Rechte. Bereits bei der letzten Bürgerschaftswahl vor vier Jahren konnten rechte und neofaschistische Parteien immerhin acht Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass Schill der Rechtswende der SPD gelassen gegenübersteht. Der seit 44 Jahren in Hamburg regierenden SPD trauten die »rechtschaffenen Bürger« ein »hartes Durchgreifen« nicht mehr zu, so Schill. Er hingegen sei »das personifizierte Protestpotenzial«; »15 bis 25 Prozent« möchte der 42jährige gewinnen, und er sieht sich jetzt schon als Hamburgs neuer Innensenator.

Trotz oder gerade wegen des Bekenntnisses, dass »Interessen von Minderheiten keine Grundlage für allgemeingültiges Handeln« bilden dürften, und des Vorhabens, alle »schwarzafrikanischen Dealer« und »kriminellen Ausländer« sofort abzuschieben, wollen 32 Prozent der CDU- und 15 Prozent der SPD-Anhänger ihr Kreuzchen bei der Rechtspartei machen, die im Juli 2000 gegründet wurde. Die Union hat deshalb bereits ein Koalitionsangebot gemacht.

Neben der Schill-Partei sieht auch die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) den Wahlen hoffnungsvoll entgegen. 1997 hat sie mit 4,97 Prozent der Stimmen zwar den Einzug in die Bürgerschaft knapp verpasst, sie war dennoch in vier von sieben Bezirksparlamenten eingezogen. Nun will sie den Sprung in alle Parlamente schaffen. »Die DVU wird alle Kräfte einsetzen«, sagt der stellvertretende Parteivorsitzende Bruno Wetzel. Mit Parolen wie »Istanbul den Türken, Hamburg den Deutschen« oder »Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer« gehen DVU-Mitglieder derzeit auf Hamburgs Straßen auf Stimmenfang.

Die einstige »Phantompartei« DVU hat sich unter ihrem Landesvorsitzenden Heinrich Gerlach in Hamburg inzwischen zu einer realen politischen Kraft entwickelt. In den Bezirken Bergedorf, Harburg, Mitte und Wandsbek arbeiten die Fraktionen auch mal unabhängig von der Münchener Parteizentrale, stellen eigene Anträge und Anfragen und laden zu monatlichen »Klönschnacks« ein.

Als der Bundesvorstand der Republikaner (Rep) im April ankündigte, erneut in Hamburg anzutreten, war die DVU deutlich verärgert und beschimpfte ihre Konkurrenz als »Agenten der Gegenseite«. Doch die Erfolgschancen der DVU dürften durch die Rep-Kandidatur kaum geschmälert werden. Bereits vor vier Jahren wanderten viele frühere Rep-Wähler zur DVU ab, die Partei des deutschnationalen Wohlstandschauvinismus flog aus den Bezirksparlamenten von Mitte und Harburg.

Um ein ähnliches Debakel wie damals zu vermeiden, wurde im März der alte Landesvorstand kurzerhand abgesetzt. Zum neuen Vorsitzenden wurde Thomas Nissen gewählt, der Anführer des rechtsextremen Aufbruch 99, Stellvertreter wurden Jan Pigros, Klaus Riese und Michael Schumann. Riese und Schumann gehörten zuvor dem Arbeitskreis Innere Sicherheit der Schill-Partei an. Die Forderung der Republikaner nach »geschlossenen Heimen für jugendliche Straftäter«, dürfte ihnen die Abkehr von Schill leicht gemacht haben.