Werbekampagne von Diesel

Wer seid denn ihr?

Die Daily African-Kampagne von Diesel dreht Stereotype um. Nun wurde sie in Cannes ausgezeichnet.

Diesel kennt kein Schwarz und kein Weiß, kein schwul und kein nicht-schwul«, sagt Danielle De Bie von der Düsseldorfer Agentur Amtraks, die die Public Relations des deutschen Diesel-Vertriebs betreut.

Kampagne? Ganz Afrika hat in den letzten Monaten auf gut besuchten Charity-Events, u.a. im Rahmen von EuroAid 2001, für die armen und unterentwickelten Global Village-Nachbarn im nördlichen Europa und in Amerika gesammelt. Es wurde auch Zeit. Schließlich hat der Boom der african new economy am Mombassa Beach den All-Day-Party-Glamour der Globalisierung geschaffen. »Plötzlich wird der afrikanische Kontinent zum Zentrum der Welt, umgeben von den restlichen Ländern. Allgemein ist bekannt, dass alle wichtigen Entscheidungen genau dort, nämlich im Zentrum der Welt, getroffen werden«, stellt die Kampagne fest.Ergänzt wird die Printwerbung durch einen Internetauftritt. Aus der neuen schwarzen Mitte berichtet regelmäßig das größte Boulevardblatt des afrikanischen Kontinents The Daily African, Untertitel »On top of the world«.

Ololongo Wireless up 47%. Hits record high.

Mozambique's telecom giant Ololongo Wireless broke all expectations yesterday when reporting its third quarter earnings. The tremendous rise is due to the deals Ololongo signed last month with the governments of Germany and England to build a functioning telephone system.

»Diesel reagiert nicht auf Trends, Diesel macht Trends!« beschreibt De Bie die Firmenstrategie. Stimmt. Ein breit gestreuter Print-Auftritt mit vier Motiv-Variationen verkündet im Rahmen der weltweiten, über 26 Millionen Mark teuren Kampagne noch bis August die schwarze Hiobsbotschaft: Highlife im Süden, Hunger im Norden.

Beworben wird die Kollektion für das Frühjahr und den Sommer 2001 des italienischen Denim-Stuff-Labels auch in Deutschland. Die tropische Leichtigkeit, die der luftig-warme »Chic Afreak« vermitteln will, wird hierzulande aber eher als bedrohlich wahrgenommen. Werbung soll schließlich, so meint man in Deutschland, nicht die Weltkarte auf den Kopf stellen. Aber wie soll Werbung denn eigentlich sonst daherkommen, wenn nicht »hochglänzend zynisch« (Berliner Zeitung), »schwarzer Humor« (Spiegel, Werben + Verkaufen) inklusive?

Insgesamt gilt die aktuelle Kampagne als zu schwierig für den deutschen Markt, so der Spiegel. Weißer Humor geht wahrlich anders bzw. gar nicht, deshalb hat man die Zonis als Zielgruppe schon von vornherein ausgespart, wie der Spiegel berichtet. Coolness hat hierzulande eben Grenzen.

Kool.kom global launch delayed. Kool celebrates with delay party.

Brazzaville. Congo. The e-trade giant Kool.kom gave a delay party for the 700 employees who were hired last week. »If you are waiting for something really good, you can't wait long enough«, says sexy kool-queen and co-founder Daisy Lee-Antong when asked why they spent AFRO 550.000 (USD $700.000).

Hedonismus lebt. Die afrikanischen Nouveaux Riches sind die, die es geschafft haben. Verstörend. Dekadenz ist ihr Way of Life. Die Schönheit ist ihnen auch noch angeboren - zumindest vermitteln das die edel-lasziven Fotos, die die umtriebige Ellen von Unwerth geschossen hat. Bilder und Menschen wie von den Bahamas.

»Wer seid denn ihr?« scheinen sie die Europäer hochmütig zu fragen, und sie machen ihnen vor, wie es geht. Erfolgreich sein, aber zugleich glücklich, sexy und cool. Nicht so aggressiv, grau und trist wie ihr, ihr langweiligen, gestressten, überarbeiteten Weißgesichter! Schwarze auf den Sonnen- und Hochglanzseiten des Total-Kapitalismus. Eine ungewöhnliche Liaison von Schönheit und Reichtum, Erfolg und Intelligenz, Sinnlichkeit und Sunshine Reggae.

Wer seid ihr denn? fragt der Durchschnitts-rassist ängstlich-entsetzt zurück. Karneval der Kulturen ist doch nur einmal im Jahr. Das kann doch gar nicht sein. Wenn's wenigstens Inder wären. Was zu viel ist, ist zu viel. German Angst. So haben wir uns das nicht vorgestellt mit der Entwicklungshilfe und dem Mitleid und der einen Welt. Und dann weiß man noch nicht einmal, ob das jetzt stimmt, oder nicht. Beunruhigend. Ja, wo gibt's denn so was - so ein schönes Leben?

In der Werbung und im norditalienischen Molvena. Dort hat das Kreativteam von Diesel sich den kleinen, großartigen Gag mit dem europäischen »Katastrophen-Kontinent« (Focus) ausgedacht. Weiterentwickelt hat diese Idee die Stockholmer Werbeagentur Paradiset DDB. In Cannes wurde die Kampagne gerade mit zwei Advertising Awards, den Lions, in der Kategorie Press & Poster, ausgezeichnet.

European developing countries targeted by African tobacco industry.

Lumbumbashi, Wednesday. (...) African Cancer Society president Allingo Gorella considers the tobacco company's move to be »one more example of the total cynism that still breeds in the old economy«. (He) added that it is strange that we have export embargos on guns to most European nations, but are free to help them (the Europeans) to kill themselves with cigarettes.

Ein wenig überdrehte Black Neo-Yuppies feiern mit Contenance den Fortschritt und die Künstlichkeit. Keine Afrika-Romantik. Kein Nuba-Natur-Schrott. Die Welt ist weichgezeichnet. Trotzdem: Sie ist krass. Falsche Kulisse. Die Welt umgedreht. Schwarz wird weiß.

Trotzdem gibt es eindeutige Zuordnungen: Oben und unten. Die Zielgruppe entgeistert. Unverschämt. Provozierend. Neid. Die müssen doch über sich selbst lachen können. Tun sie aber nicht. Die lachen über uns. Die drehen das Ding einfach um. Zumutung. Empörung. Kauft nicht bei Diesel!

Kauft bei Diesel! Schon seit einiger Zeit hat sich Diesel die Entmystifizierung der Modewelt auf seine Jeans geschrieben. Trash-Fotografie. Kriegsbilder. Zersägte Arme. Werbung halt. Oberfläche. Gespielte Kritik. Spiel der Kritik.

Thank you!

Helga Niedelmayer, 12 years, from the village Düsseldorf, Germany, is one of the children who will benefit from your generous support. redspears.kom

Damit auch deutsche Kinder wieder lachen können, geht die Werbung also ungewohnte Wege. Die Diesel-Kampagne setzt zum ersten Mal in der deutschen Werbung offensiv dunkelhäutige und schwarze Models, zumal in selbstbewusster Pose und überraschender Szenerie, ein. Zwar werden sie auch hierzulande schon seit einiger Zeit gut gebucht, doch immer ein wenig verschämt und eher zufällig präsentiert, z.B. in der letzten H&M-Saison.

Am Mombassa Beach jedoch sind die Figuren nicht Staffage, sondern Akteure. Das hat natürlich auch mit der internationalen Ausrichtung der Kampagne zu tun.

Natürlich sind die neuen, aggressiven Werbestrategien dem immer härteren Wettbewerb in der Textil-Industrie geschuldet, zumal im Bereich der Freizeitkleidung. Die progressive Funktion, die Werbung dabei gesellschaftlich einnehmen kann, ist eher ein unfreiwilliger Nebeneffekt.

Doch ausgerechnet die Werbung, der Fetisch der Populär-Kultur, könnte dazu beitragen, selbst den kulturlosesten Teilen der Welt Bilder einzuhämmern, die sich nicht mehr ohne weiteres aus den Köpfen entfernen lassen. Abbildungen des Luxus, des Überflusses, der Grenzenlosigkeit, der Übertreibung, der Maßlosigkeit, der Unverschämtheit.

www.dailyafrican.com; www.diesel.com