Filmdoku aus DDR-Tagen

Amtliche Bilder

Ihr Fall sei normal gelaufen und abgearbeitet worden, weist die Sachbearbeiterin des Sozialamts von Berlin-Mitte eine Hilfe suchende Mutter ab. Die Beihilfe sei bereits gewährt worden. Mehr sei nicht drin, da sie nicht in der Gewerkschaft sei. Die Beamtin kennt die Bestimmungen. Die Mutter hingegen ist gekommen, weil sie nicht mehr weiter weiß. Ob ein Darlehen möglich wäre? Doch darüber müsse eine andere Abteilung entscheiden. Immerhin bleibt eine vage Hoffnung.

Der Dokumentarfilmer Thomas Heise und sein Kameramann Peter Badel haben jenes Gespräch 1984 im Berolinahaus am Alexanderplatz gefilmt, am »Arbeitsdienstag«, so wie noch andere Verhandlungen in den Abteilungen Wohnungspolitik und Jugendhilfe, am »Vorführungsmittwoch« oder »Bestelldonnerstag«. Aufgenommen mit einer 16mm-Kamera auf Stativ, in langen schwarzweißen Bildeinstellungen, mit halb verstecktem Mikrofon, unkommentiert. Nach nunmehr 17 Jahren restauriert und fertiggestellt wirkt »Das Haus/1984« wie eine Antithese zur aktuellen Dokumentarfilmpraxis, wo bewegliche Minikameras den Protagonisten sozialer Brennpunkte auf die Pelle rücken. Heises und Badels Blicke bleiben dagegen diskret, gemessen und bezeugen nüchtern die kleinen Kraftproben in den realsozialistischen Amtsstuben.

Weil die Autoren für ihr Projekt den Segen der »Staatlichen Filmdokumentation« hatten, willigten die Bezirksbeamten ein, sich filmen zu lassen: ein Jahr später auch ein »Dienstkollektiv« der Volkspolizei. Niemand von ihnen fürchtete sich besonders vor einer Bloßstellung, denn es gab die offizielle Zusage, dass der Film keine Sanktionen gegen einzelne Personen zur Folge haben werde. Unter solchen Umständen mischten sich disziplinierte Freundlichkeit und spontane Launen. Etwa wenn ein Wohnungsbeauftragter einer Studentin empfiehlt, ihren Professor zu heiraten. Oder auch beim Publikum der Ämter, das die Kamera teils schweigend hinnahm, teils als Zeuge für die eigene Not in Anspruch nahm.

Dass alle Beteiligten - Beamte, Betroffene wie auch Filmer - sich extrem an Spielregeln hielten und einander dabei im Dreieck gegenüberstanden, macht die beiden Filme spannend. In »Volkspolizei / 1985« wechseln die Vernehmungen eines verhafteten Schlägers oder eines »zugeführten« Punkers mit den Statements der Polizisten zu ihrem eigenen Werdegang. Dabei reflektiert die abgebrühte Trotz-und-Demut-Mischung der Festgenommenen die Verklemmtheiten und Lockerungsversuche der Beamten hinsichtlich des bürokratischen Jargons. Solche Film-Dokumentationen über das Verhältnis zwischen Staat und Bürger waren in der DDR bekanntermaßen fürs Archiv bestimmt, Botschaften an ein ungewisses Jenseits. Da diese Bilder nun von weit her und ohne moralisches Spektakel auftauchen, erkennt man darin auch die westliche Bürokratie wieder.

»Das Haus/1984«, 21.11., 22.40 Uhr, B1
»Volkspolizei / 1985«, 28.11., 22.40 Uhr, B1