'Malmoe', ein linkes Zeitschriftenprojekt aus Wien

Misch den Diskurs auf!

Sie heißt Malmoe, weiß aber nicht warum und will eine alltagsbegleitende Maßnahme sein. Österreich hat eine Zeitschrift mehr.

Wenn hyperaktive Web-Grafiker die Herrschaft über eine Internetseite übernehmen, dann sieht das so aus wie auf www.malmoe.org: Eine Flash-Animation jagt die nächste und lässt den Adrenalinspiegel des Users der Intro-Seite steigen. Gleichzeitig aber birgt das hochtourige Intro der Homepage von Malmoe auch ruhige Schönheiten wie diese: »Alltag rein, Österreich raus« heißt es da in Abwandlung eines Slogans aus der Tourismuswerbung.

Malmoe, Österreichs neues Medienprojekt für nachhaltige Reflexionen, will gegen die von der »Erregungsgemeinschaft« vorgegebenen Themen »neue Ausdrucksformen und Blickwinkel propagieren«. Im Großformat auf 32 Seiten, 14tägig, mit drei bis vier Themenschwerpunkten bietet das Blatt erst mal nichts, was bei Nachrichtenjunkies freudig erregtes Herzkammerflimmern verursacht. »Wir sind keine News-Produzenten«, sagt Günther Hopfgartner, der das Projekt gemeinsam mit elf anderen Mitstreitern auf den Markt gebracht hat.

Anstelle der klassischen Ressorts gibt es die typischen Magazinrubriken wie »Alltag«, »Tanzen«, »Verdienen«, »Widersprechen«. »Alltag ist Arbeit, Freizeit, tanzen, einkaufen, Wirtschaft, Politik, TV, Musik hören, sind die sozialen Verhältnisse, sind die Geschlechterverhältnisse, sind Ausgrenzungen, sind Diskriminierungen, ist aber auch Widerstand gegen Diskriminierung«, heißt es in der Selbstdarstellung. »Mal hat dieses, mal jenes alltägliche Segment Priorität, dabei hat jedes alltägliche Feld seine Bedeutung. Sphären nicht hierarchisch zu gliedern - Malmoe setzt sie in neue Beziehungen zueinander. In unserem (Printmedien-)Fall sprengt dies die traditionellen Ressorts. Politik bekommt Unterhaltungswert, Entertainment wird politisch.«

Dem thematischen Crossover versucht die Gestaltung zu entsprechen. Das Layout der vorerst monatlich und dann vierzehntägig erscheinenden Publikation erschließt sich dem Leser wie ein liebevoll gepflegter Irrgarten in einem englischen Schlosspark. Da glaubt man, Anfang und Ende einer Story gefunden zu haben, wird aber mit allen Tricks moderner Grafikelemente wieder aus dem Konzept gebracht. Ein Medium »für die Internet-Generation« will Malmoe sein und vor allem eine sehr junge Zielgruppe ansprechen, die sich laut Hopfgartner »nicht unbedingt als links definiert«. Ein bisschen so, wie es de:bug in Deutschland versucht. »In Österreich gibt es kein klassisch linkes Milieu. Das sind vielleicht 25 Leute, für die kann man auch ein Flugblatt kopieren«, sagt Hopfgartner. Eigentlich arbeitet er hauptberuflich als Redakteur für die Wochenzeitung der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), die Volksstimme. Und die wird vermutlich auch nicht von mehr als 25 Menschen gelesen.

Von der Volksstimme unterscheidet sich ein Projekt wie Malmoe vor allem dadurch, dass es kaum Geld, aber viele Ideen hat. So ist man der Konkurrenz in der Disziplin »Diskurs Watching« dann auch meilenweit voraus, ihr bei der Weltbeobachtung aber eindeutig unterlegen. Der Plan ist es dennoch, den Leser zu überraschen. »Das scheitert manchmal daran, dass die Texte gar nicht oder zu wenig recherchiert sind«, gesteht Hopfgartner. So wird über die Demonstrationen gegen die schwarz-blaue Regierung in Wien geschrieben. Die aber waren im Februar 2000. Dann folgt ein Text über den Sturz Slobodan Milosevics. Der aber ist schon seit Oktober des letzten Jahres nicht mehr Staatschef in Jugoslawien. Die Stärke von Malmoe liegt vor allem im Aufmischen von Diskursfeldern, weniger in der politischen Berichterstattung.

Vor allem die Gegnerschaft zur schwarz-blauen Regierung mutet inhaltlich äußerst sympathisch an, in ihrer Gestaltung wirkt sie aber etwas konstruiert. Da wird über »200 000 DemonstrantInnen« berichtet, die »Ende Februar am Heldenplatz« gegen Schwarz-Blau protestierten. Aber die 200 000 DemonstrantInnen haben sich schon längst wieder zurückgezogen in ihre Vor-Wende-Existenz. Man sollte sich nichts vormachen: Die Protestbewegung als sichtbares Zeichen des Unmuts ist tot, die Regierung aber lebt.

Dennoch will Malmoe offenbar die versprengten Reste der Bewegung sammeln: Die DemonstrantInnen von damals betreuen heute Internetprojekte wider Schwarz-Blau. Teilweise konsequent erfolglos, teilweise aber auch sehr erfolgreich. Und für diese virtuelle Protestwelle will Malmoe eine Plattform bieten. Was sich auch in der umfangreichen Link-Liste auf www.malmoe.org ausdrückt. »Das Interessante sind für uns jene Projekte, die aus der Protestszene herausgekommen sind«, sagt Günther Hopfgartner.

Zweifellos verfügt Malmoe über interessante Ansätze wie diesen: Was Parlamente nicht geschafft haben, wird in der Redaktion konsequent durchgesetzt: die Frauenquote. Mindestens 50 Prozent der Texte stammen von Autorinnen.

Derzeit liegt das Blatt in einer Auflage von 12 000 Stück in einschlägigen Wiener Szenelokalen aus. Nach der Nummer 1 sind immerhin schon 150 Abos eingegangen, aber erst bei 1 000 Abonnements ist die Finanzierung für das nächste Jahr gesichert. Schon jetzt aber denken die Macher über einige Änderungen nach: »Die selbstverliebten Grafik-Spielchen wird es nicht mehr geben«, verspricht Günther Hopfgartner.

Malmoe aber, was soll denn das heißen? Im Grunde gar nichts. Natürlich liegt die Assoziation zur südschwedischen Stadt auf der Hand und vielleicht auch jene zum schwedischen Modell des Sozialstaats. Aber das ist den Malmoe-Machern eigentlich egal: »Ebenso gut hätte das Ding Quaksi heissen könne, aber Malmoe klingt einfach cooler. Der Titel sollte auf jeden Fall eine völlig offene Projektionsfläche bieten«, so Hopfgartner.