Differenzen im palästinensischen »Befreiungskampf«

Islamische Fatah

Die Intifada geht so weiter, wie es sich die palästinensischen Fundamentalisten wünschen. Eine Serie von Attentaten hat am Wochenende mindestens 25 Israelis das Leben gekostet, mindestens 200 wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Ein Selbstmordattentat auf einen Bus in Haifa endete mit 15 Toten und 40 Verletzten, zwei palästinensische Suizidbomber rissen am Samstag in dem belebten Ben Yehuda-Bezirk mindestens zehn Israelis in den Tod, die Opfer waren meist Teenager. Kurz darauf explodierte um die Ecke ein mit Sprengstoff präpariertes Auto. Mit einem Anruf bei der BBC übernahm die palästinensische Organisation Islamischer Jihad die Verantwortung für die Gemetzel, die islamistische Hamas reklamierte gleichzeitig auf ihrer Webpage den Anschlag für sich.

Diesmal war es nicht nur das altbekannte tödliche Spiel, mit dem die Islamisten Verhandlungen torpedieren wollen. Bereits am Anfang der vergangenen Woche, als die beiden US-Sondergesandten Anthony Zinni und William Burns zu einer neuen Vermittlungsmission in die Region gereist waren, schlugen mehrere terroristische Zellen zu. Im nordisraelischen Afula erschossen zwei Attentäter aus dem wenige Kilometer entfernten Jenin zwei Israelis und verletzten mehr als 50 Passanten, drei Tage später sprengte sich ein Selbstmordbomber in einem Bus in der Nähe der Stadt Chadera in die Luft und nahm drei Passagiere mit in den Tod.

Zu den Anschlägen bekannte sich die Terrororganisation Islamischer Jihad. Khaled Mishaal, ein Funktionär der Hamas, erklärte, Zinni und Burns verschwendeten nur ihre Zeit, die Palästinenser könnten »mit Sharon, Mofaz und Ben Eliezer nicht koexistieren«. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hingegen verurteilte die Anschläge und versprach, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

Nach den mörderischen Attentaten vom Wochenende machte Washington deutlich, dass das nicht genügt. Nach der internationalen Verdammung der Anschläge rief der PA-Vorsitzende Yassir Arafat eine Art Ausnahmezustand in den palästinensischen Gebieten aus und verbot das öffentliche Tragen von Waffen. Einige Islamisten der Hamas und des Jihad wurden von der palästinensischen Polizei verhaftet.

Doch die Wirklichkeit auf der palästinensischen Seite ist komplizierter. Einer der beiden Attentäter von Afula war Mitglied von Arafats Fatah-Bewegung, beide standen auf der Gehaltsliste der PA. Zu dem Anschlag von Chadera bekannten sich der Jihad und die Al-Aqsa-Brigade der Fatah in einer gemeinsamen Erklärung.

Auch Marwan Barghouti rechtfertigte den Anschlag von Afula als »Resultat des israelischen Drucks auf die Palästinenser«. Barghouti, Anführer der mit der Fatah assozierten Tanzim-Milizen und hochrangiger Fatah-Funktionär, drohte zugleich, dass die israelische Politik Reaktionen hervorrufen könne, »denen das israelische Volk bisher noch nicht ausgesetzt war«.

Hier scheint auch, oberflächlich betrachtet, die Erklärung für die widersprüchlichen Äußerungen aus den Reihen der PA und der Fatah zu liegen. Während die alte Garde um Arafat weiß, dass die Anschläge in Anwesenheit von US-Vermittlern zumindest taktisch ungünstig sind, sorgt sich die jüngere Generation der Fatah um ihre street credibility. Nach dem ersten Jahr der so genannten Al-Aqsa-Intifada haben die Hamas und der Jihad in der Gunst der palästinensischen Bevölkerung enorm gewonnen, während die Fatah unter dem auf sie abfärbenden korrupten Image der PA leidet. Ein weiteres Indiz: Nach den Attentaten vom Wochenende wurde laut AP in sechs libanesischen Flüchtlingslagern vor Freude in die Luft gefeuert.

Und während Arafat früher oder später das Zeitliche segnen wird, ist es noch ein langer Weg bis zur Eroberung »ganz Palästinas«, wie sie der Großmufti von Jerusalem kürzlich vor 100 000 Zuhörern auf dem Jerusalemer Tempelberg forderte.