Droht ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU?

Stich ins Herz

Im Streit um Exportbeihilfen entschied die WTO gegen die USA. Die Folge könnte ein Handelskrieg mit der EU sein.

Ein Unglück kommt selten allein. Diesmal droht der Weltwirtschaft kein terroristischer Anschlag, sondern ein ziviler Handelskrieg zwischen der EU und den USA. Denn Anfang der vorletzten Woche wurde vom Schiedsausschuss (Dispute Settlement Body, DSB) der Welthandelsorganisation (WTO) entschieden, dass die Exportbeihilfen der USA für einheimische Produkte, die für den europäischen Markt bestimmt sind, rechtswidrig seien.

Die US-amerikanische Regelung für Foreign Sales Corporations bietet US-Unternehmen die Möglichkeit, den Export nach Europa über steuerbegünstigte Länder durch dortige Zweigniederlassungen zu bewerkstelligen und so eine Besteuerung der Einnahmen aus dem Verkauf auf dem europäischen Markt in den USA zu umgehen.

Die Entscheidung der WTO geht auf eine Klage der EU vor dem DSB zurück, die in der US-Regelung ein Unterlaufen der so genannten Meistbegünstigungsklausel gleichberechtigter Handelspartner und eine Konkurrenzverzerrung des bilateralen Welthandels sieht. Anstatt jedoch den seit Jahren geführten Streit zu beenden, wurde er mit dieser Entscheidung der WTO erst so richtig angeheizt.

Die schwerste Schlappe der USA im Handelsstreit mit der EU versetzt diese erstmals in die Lage, ihre schon lange angekündigte Drohung in die Tat umzusetzen und Strafzölle auf US-Produkte zu erheben, wenn die USA ihre für illegal erklärten steuerbegünstigenden Regelungen nicht ändern. Die EU-Handelskommission errechnete einen Betrag von mehr als vier Milliarden Dollar, er entspreche dem Volumen der Steuerentlastung durch die Foreign Sales Corporations für US-Unternehmen. Es wäre die höchste Strafforderung, die während des über sechsjährigen Bestehens der WTO erhoben wurde. Über die Summe entscheidet allerdings ein WTO-Gremium.

Angesichts dieser Forderungen sprach der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick von einer »Atombombe« gegen den Welthandel und zeigte sich zugleich »enttäuscht« vom Urteil des WTO-Ausschusses. Sicher ist inzwischen, dass die geplante Europa-Reise des US-Präsidenten George W. Bush im März unter dem Eindruck dieses Handelskonflikts stehen wird. Die Entscheidung kommt dem Handelsblatt vom 16. Januar zufolge einem »Stich mitten ins Herz des amerikanischen Steuersystems« gleich. Immerhin stehen direkt oder indirekt mehrere Millionen Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten zur Disposition, wenn sich die US-Regierung der Forderung der EU und der WTO beugt. Das allerdings ist sehr unwahrscheinlich, zumal in diesem Jahr Kongresswahlen bevorstehen.

Zudem würden die betroffenen Unternehmen von der US-Regierung einen adäquaten Ausgleich in Form anderweitiger Steuerbegünstigungen verlangen. Dafür aber dürften kaum genügend Finanzmittel vorhanden sein. So steht die US-Regierung vor einem Dilemma. Michael Baroody, der Vizepräsident der Nationalen Vereinigung der Hersteller, beklagt, dass »die WTO-Regeln (...) das europäische System der territorial erhobenen Steuern gegenüber dem amerikanischen System der weltweit erhobenenen Steuern« begünstigten. Eine Angleichung an das bestehende EU-Steuersystem aber würde das Grundverständnis des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft berühren.

Die EU möchte nun ihren Vorteil ausbauen. So verlautete aus EU-Kreisen, dass die USA Strafzölle an den EU-Grenzen vermeiden könnten, wenn sie bereit wären, im gleichen Umfang die Zölle für EU-Produkte an ihren Grenzen zu senken. Das wäre ein möglicher Kompromiss, der allerdings die EU in eine noch günstigere Position in der Konkurrenz zwischen beiden Wirtschaftsräumen brächte.

Die handelspolitischen Streitigkeiten auf der staatlichen Ebene erweisen sich als originär kapitalistisches Buhlen um die Anerkennung als besserer ideeller Gesamtkapitalist im Hinblick auf die Akkumulationsbedingungen des Kapitals. Die bessere Anbindung und Gewährleistung des Zuganges zur Zirkulationssphäre des transnationalen Marktes steht dabei im Vordergrund.

Insofern ließe sich der Konflikt auch als anachronistische Simulation von Souveränität über Nationalökonomien deuten, bei denen staatliche Souveräne ihre gegenwärtigen Grenzen hinsichtlich der Anziehungskraft gegenüber dem Kapital ausloten. Völlig richtig kritisierte deshalb auch die FAZ am 16. Januar, dass der letztlich von der EU begonnene Krach nun wirklich »keine Werbung für den Wettstreit der Marktwirtschaften auf der internationalen Bühne« sei und schließlich ja die USA »genauso gut (...) etwa gegen Zugangsbeschränkungen auf dem europäischen Markt« klagen könnten.

Die Europäische Union wittert insbesondere nach dem 11. September ihre Chance im besseren Umgang mit dem Instrumentarium des Multilateralismus. Denn jahrelang war es das Markenzeichen der USA, als einziger wirklicher Garant der kapitalistischen Weltordnung überwiegend unilateral zu agieren. Die Stärkung institutionalisierter multilateraler Gremien seitens der EU soll deshalb die US-Politik auch zur endgültigen Abkehr von ihrer bisherigen Politik zwingen, weil dieser Paradigmenwechsel gleichzeitg mittelfristig die Schwächung der USA im Weltmaßstab bedeuten würde. Die Stärkung multinationaler Instanzen heute dürfte dabei der Vorbereitung unilateraler Handlungsmächtigkeit von morgen dienen, denn auf der weltpolitischen Ebene nimmt die Staatenkonkurrenz nicht ab, sondern zu.

Unter dem Eindruck, dass »ein (...) Handelskrieg zur weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Unzeit nicht auszuschließen« sei (FAZ), verlangt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Ludolf von Wartenberg, eine Konflikteskalation unbedingt zu vermeiden, weil diese auch für die deutschen Unternehmen »extrem schädlich« sei. Deshalb hätten »alle Verantwortlichen« dafür Sorge zu tragen , dass »dieser Streit nicht zu Strafzöllen« führt.

Obwohl auch Deutschland die Klage gegen die USA unterstützt hat, will die Bundesregierung mal wieder den Eindruck vermitteln, als hätte sie mit der bisherigen EU-Strategie der Forcierung des Konflikts nichts zu tun. So beteuerte Wirtschaftsminister Werner Müller, dass man sich innerhalb der EU natürlich für eine ruhige und besonnene Vorgehensweise einsetzen werde.