Teamwork ist alles

Der Einsatz von V-Männern in der rechtsextremen Szene hat eine lange und skandalöse Tradition.

Schon seit Jahrzehnten haben die Sicherheitsbehörden Verbindungsleute in der rechtsextremen Szene. Es handelt sich dabei entweder um Agenten, die mit einer Legende versehen von außen in die Szene eingeschleust werden, um V-Männer, die bereits in den Strukturen der jeweiligen Gruppierungen tätig sind, oder um Informanten, die aus der Szene rekrutiert werden, indem ihnen Geld oder Strafnachlass versprochen wird.

Doch trotz der scheinbar gründlichen und lückenlosen Aufklärungsarbeit und Überwachung der extremen Rechten durch die Sicherheitsbehörden haben deren Rechercheergebnisse nur dann Einfluss auf den Umgang des Staates und seiner Organe mit der rechten Szene, wenn es politisch opportun erscheint. Immer wieder verschwanden wichtige Informationen von V-Männern in den Schubladen, weil die Erkenntnisse dazu hätten führen müssen, die Gefahr von rechts ernst zu nehmen und zu handeln. Das aber war oft nicht gewollt.

So beschwerte sich beispielsweise ein V-Mann, der Ende der siebziger Jahre in Berlin in die damals sich gerade im Aufbau befindliche militante Neonaziszene eingeschleust worden war und der unter anderem beim Abtippen von so genannten Todeslisten politischer Gegner half, dass seine Arbeitgeber die Warnungen vor militanten Anschlägen nicht ernst genommen hatten.

Andernorts beteiligten sich V-Männer selbst an Angriffen und Übergriffen gegen Migranten. So bastelte Ende der siebziger Jahre Hans Dieter Lepzien, Mitglied der NSDAP-AO und V-Mann des niedersächsischen Verfassungsschutzes, selbst Bomben für Anschläge einer Wehrsportgruppe. Auch in Nordrhein-Westfalen spielten V-Männer ein doppeltes Spiel. Norbert Schnelle, zunächst Mitglied der Jungen Nationaldemokraten und später Aktivist der Nationalistischen Front (NF), war in den achtziger Jahren V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Er warnte seine Gesinnungsgenossen mehrfach im Voraus vor Hausdurchsuchungen, beteiligte sich an diversen Straftaten und steckte größere Summen aus dem Behördenhonorar in den Aufbau der NF.

Von Anfang an war es der extremen Rechten klar, dass sie ein Objekt staatlicher Überwachung ist. Sie stellte sich frühzeitig darauf ein. So existierten in verschiedenen Gruppierungen Anweisungen, sich als Informant anwerben zu lassen und das Honorar anteilig in die Organisationskasse zu zahlen. Bei der seit 1992 verbotenen Nationalistischen Front sollen in den frühen neunziger Jahren vor den Treffen der Informanten mit ihren behördlichen Ansprechpartnern Absprachen über den Inhalt der zu »verkaufenden« Informationen getroffen worden sein.

Auch bei der seit 1995 verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) gab es derartige Überlegungen. Mit dem Wissen zweier führender FAP-Kader stellte sich 1988 der Aktivist Andreas Szypa dem Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als V-Mann zur Verfügung, nicht ohne vorher seiner Partei zu versprechen, ihr die Hälfte seines Honorars zu spenden.

Erstaunlich wenig Empörung rief der Fall des V-Mannes Bernd Schmitt hervor. Schmitt stand im Dienste des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, als er in Solingen Anfang der neunziger Jahre die Kampfsportschule Hakpao aufbaute. Sein Arbeitsauftrag war, die militante Neonaziszene zu beobachten, hierfür leitete er eigens ein Kampfsporttraining für Neonazikader und baute Saalschutzgruppen auf. Mit durchschlagendem Erfolg. Denn bei Schmitt trainierten auch einige der rechtsextremen Attentäter von Solingen, die 1993 einen Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus verübten und dabei fünf Mädchen bzw. Frauen ermordeten. Über Schmitts Loyalitäten wurde nach dem Solinger Mordanschlag zwar gerätselt, Konsequenzen für den Verfassungsschutz aber gab es keine.

In der Geschichte des brandenburgischen V-Mannes Carsten Szczepanski gab es ähnliche Ungereimtheiten. Szczepanski wurde 1994 in der Untersuchungshaft, wo er auf seinen Prozess wegen versuchten Mordes an einem nigerianischen Flüchtling wartete, vom brandenburgischen Landesamt für Verfassungsschutz angeworben. Den Kontakt vermittelte offenbar das BKA, das Szczepanski schon Anfang der neunziger Jahre in einem so genannten 129a-Verfahren zum Aufbau von Ku-Klux-Klan-Strukturen in Deutschland befragt und seine Kooperationsbereitschaft belohnt hatte.

Sechs Jahre lang arbeitete Szczepanski mit dem Decknamen »Piato« dann für das brandenburgische Landesamt und kassierte 70 000 Mark dafür. Im Nachhinein wurde bekannt, dass Szczcepanski, der zum Zeitpunkt seiner Enttarnung eine leitende Funktion bei der Berlin-Brandenburger NPD innehatte, auch zur Führungsriege der so genannten Nationalrevolutionären Zellen und der Organisation Blood & Honour gehörte und über Jahre hinweg völlig ungehindert die rechtsextremen Strukturen in Brandenburg mit aufbauen konnte.

Im Fall des Thüringer Neonazis Thomas Dienel blieb gleichfalls unklar, wer hier von wem profitierte. Zwischen 1995 und 1998 kassierte Dienel für seine Informationen 25 000 Mark vom Landesamt für Verfassungsschutz. Außerdem behauptete er, dass ihm Straffreiheit für seine Aktivitäten zugesichert worden sei. Ob Dienels Äußerung, er habe mit dem Geld Propagandamaterial für die Naziszene finanziert und das Ganze als Spende angesehen, nur eine Schutzbehauptung gegenüber den zornigen Kameraden war oder ob das der Wahrheit entspricht, ist nicht zweifelsfrei zu entscheiden. Jedenfalls trug das Honorar dazu bei, dass Dienel relativ sorgenfrei als Fulltime-Naziaktivist agieren konnte.

Solche dubiosen V-Männer arbeiten offensichtlich in allen Bundesländern für die Verfassungsschutzämter. Auch die jüngsten Skandalgeschichten um die V-Männer des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern zeigen, dass dabei kaum mehr zu unterscheiden ist, ob der Rechtsextremist ein V-Mann ist oder der V-Mann ein Rechtsextremist.

Der Neonazi Matthias Grube, der über zwei Jahre für den Schweriner Verfassungsschutz arbeitete, verstand seine Informantentätigkeit jedenfalls als Freibrief für Straftaten. Gemeinsam mit Gesinnungsgenossen verübte er im März 1999 einen Brandanschlag auf eine von Migranten betriebene Pizzeria in Grevesmühlen. Darüber hinaus sollen ihm seine Kontaktmänner vom Verfassungsschutz Namen und Daten linker Jugendlicher vorgelegt haben.

Im Jahr 2000 schließlich offenbarte sich der Stralsunder NPD-Kreisvorsitzende Matthias Meier gegenüber den Medien als V-Mann. Der NPD-Landesvorsitzende, Hans-Günther Eisenecker, behauptet heute noch, Meier habe mit Wissen der Parteiführung ein doppeltes Spiel getrieben.

Es schließt sich also keineswegs gegenseitig aus, für den Verfassungsschutz zu arbeiten und gleichzeitig ein überzeugter Neonazi zu sein. Im Gegenteil: Die besten V-Männer sind meist die aktivsten Neonazis mit den besten Verbindungen. Wer in dieser Zusammenarbeit von wem profitiert und wer am Ende für wen arbeitet, lässt sich meist nicht mehr entscheiden.