TV-Richterin Barbara Salesch

Die Hedwig des Court

TV-Richterin Barbara Salesch verleiht der Justiz ein menschliches Antlitz.

Das neuartige Ding im deutschen Fernsehen ist das so genannte Court-TV. Sicherlich, schon in den Siebzigern gab es Gerichtsfernsehen, Max Inzinger z.B. Heute sind heitere Ratesendungen wie »Richterin Barbara Salesch« angesagt, die mit der munteren Idee daherkommen: »Lasst uns echte, aber doofe Kläger und Angeklagte im TV vorführen, das hat Schmackes.« Die echten Idioten wurden jedoch zu Stars, wie die Alte mit dem Zaun, und weil jeder Depp einen Mord beging, um Fernsehstar zu werden, bekam man Manschetten, knöpfte sich Sat.1 vor und sprach »Stellt den Mist nach«. So geschah es. Die falschen Kläger und Beklagten waren ebenso doof wie die echten, und deshalb steht Salesch die große Ehre zu, die wohl realistischste Gerichtssendung der Welt zu machen.

Ich selbst wohnte einmal einem echten Verfahren bei, der Herr Pflichtanwalt pennte auf seinem Tischchen, und der Herr Staatsanwalt zeigte auf ihn mit dem nackten Finger und strahlte ins Publikum. Dennoch irritiert mich Frau Saleschs kleines Gericht, ist sie doch eine Fünf-Minuten-Trine, die es niemals zustande bringt, die Schuldfrage zu klären. Stets steht Aussage gegen Aussage, und immer wird nach der Maxime »In dubio contra reo« gerichtet.

Hatte man in der Antike stets nach dem absurden »In dubio pro reo« entschieden, kennt Salesch keine Unschuld. Ebenso wenig wie der heimliche Held der Serie, Staatsanwalt Bernd Römer. Ein blendend aussehender rasanter Husar, der die doofen Angeklagten mit Freude der Lüge bezichtigt. Rechtsanwältin Tarsic, eine verhärmte Dame ohne Konzept, gebärdet sich dagegen mit einer minderen Keiferei, die ihrem Mandanten niemals zu nützen vermag. Sie ist das Gegenstück zu Walter aus »Hinter Gittern«, wo sie viel Zeit verbringt, wenn ihre Mandanten nach dem Urteil mal wieder eingewiesen werden.

Immerhin muss man Salesch zugute halten, dass sie eine menschliche Richterin ist, deren Maxime »Von Leid und Not zum Glücke« sie zur Hedwig Court-Mahler der Justiz macht. Die einem grässlichen Ungemach ausgesetzten Opfer werden immer belohnt. Männe wird eingelocht, und im Frauenhaus gibt's Fernseher, wo so Talkshows laufen, die man beim Bügeln gucken kann.

Dies zeigt die Nähe des Konzeptes Salesch zu Klassikern des Genres, wie »Ehen vor Gericht«, wo Frauen auch schon vor dreißig Jahren immer Recht gegeben wurde, weil die Gesetzgebung noch nicht so ausgereift war, wie sie heute ist. Ebenso beruft man sich auf einen weiteren Klassiker des Court-TV, dessen Stealth-Ausgabe »Richterin Barbara Salesch« ist. In aller Heimlichkeit einigte man sich darauf, ständig sexuelle Übergriffe zum Thema zu machen, womit das Verkehrsgericht fröhliche Urständ feiert.

Mancher Kritiker beschwert sich nun, dass Gerichtssendungen ein ausgemachter Humbug für Hausfrauen seien. Falsch. Hausfrauen sind dem Intellektualismus näher als der hart arbeitende Mann, dessen rühriges Bemühen, die fernsehsüchtige Gattin und die Brut durchzubringen, ihn vom Lesen abhalten mag.

Zu gern vergisst man, dass gerade angesehene Schriftsteller der Rechtsprechung näher stehen als Trivialautoren. Indes Rosamunde Pilcher langweilige Emotionalismen predigt, machte kein Geringerer als Max Brod einem Kafka den Prozess.

Doch nicht nur Intellektuelle frönen dem Court-TV. Selbst grenzdebilen Zusehern wird bei »Barbara Salesch« mit einfachen Mitteln aufgezeigt, wer der Böse ist. So heißt der Angeklagte irgendwie Erwin Himmler, wurde am 20. April Neunzehnirgendwas in Braunschweig geboren und hat ganz doll kurze Haare. Überlegungen von Sat.1, diese Episode nicht innerhalb der neuen Bundesländer auszustrahlen, wurden verworfen. Schließlich hatte der Angeklagte seinen Privatschlägertrupp ja gegen ein schwarzes Mädchen gehetzt und nicht auf die eigenen Leute.

Ich bin ein begeisterter Fan des neuen Gerichtsfernsehens. Nicht allein, weil Frau Salesch ihre Brille auf der Nasenspitze trägt, was eine gewisse Nachdenklichkeit impliziert, sondern ob der Tatsache, dass sie rote Haare hat. Wie eine Rote Zora reitet sie einher, gewitzt wie Pippi Langstrumpf ist sie, baut Spunkfallen für die Täter, in welche diese munter tappen, wandet sich in schwarzes Tuch wie eine Afghanin und lässt die erschreckend vielen arabischtürkischen Täter glauben, eine Frau sei ihnen unterlegen. Barbara Salesch ist unvoreingenommen und würde selbst Cherno Jobatey zum Tode verurteilen, da sie in Sachen Gerechtigkeit keinen Spaß versteht. Staatsanwalt Römer kämmt sich das Haar zurück wie der Held eines Heimatfilmes und wirkt somit alexanderholdiger als Kollege Alexander Hold, dessen Name einem Bergdrama direkt entsprungen scheint.

Da es manchmal an erwachsenen Angeklagten mangelt, weil sie allesamt Frau Rechtsanwältin Tarsic im Knast zum Gespräch rufen, erfand man kurzerhand das Jugendgericht. Dort hagelt es Adoleszenten, die allesamt einen an der Waffel haben, dass es nur so zischt. Schwule Lehrerliebchen, die ihre Mitschüler zum Sex zwingen, Zonensatanisten, die die Arbeitslosenquote im Osten drücken wollen, indem sie sich lebendig begraben und zu allem Überfluss überleben, und seltsamerweise jede Menge Erwachsene, was man jedoch dadurch zu erklären vermag, dass sämtliche zum Fernsehgericht Gebetenen saublöd sind und somit nicht nach dem Erwachsenenrecht hingerichtet werden dürfen.

Das Entsetzlichste ist jedoch, dass fast alle Angeklagten und Zeugen in denselben Klamotten vor Gericht erscheinen, in denen sie daheim ihre Rauschmittel verklappen. Grellbuntes oder Satanistenklamotten, halbnackt und mit Ausschnitten, die tiefer als der Arsch auf Grundgesetz gehen, oder mit braunen Schuhen zum schwarzen Anzug. Deshalb wäre ich hocherfreut, wenn das Cord-TV recht bald wieder eingeführt würde - und der »Bastian« mit seiner ewigen Manchester-Hose. Die ist heute wieder modern, und trotz des Miefs der Siebziger kann man dem »Bastian« zugute halten, dass seine Klamotten stets zusammenpassten.