Der WAZ-Verlag expandiert auf dem Balkan

Essen auf Rädern

Der WAZ-Verlag und sein neuer Geschäftsführer Bodo Hombach sind erfolgreich auf dem südosteuropäischen Markt unterwegs.

Vielleicht gewinnt Bodo Hombach irgendwann einen Preis für die erste personifizierte Private-Public-Partnership. Nachdem der ehemalige SPD-Spitzenpolitiker Ende des vergangenen Jahres als Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes zurücktrat, heuerte ihn die Essener WAZ-Verlagsgruppe als Geschäftsführer an.

Hombach, wegen einer Korruptionsaffäre 1999 aus dem Kanzleramt auf den Balkan abgeschoben, möchte seine in den vergangenen Jahren erworbenen Kompetenzen nun für die Privatwirtschaft nutzbar machen. »Ich werde mich der neuen Aufgabe mit aller Energie und Kreativität widmen«, kündigte er zur Jahreswende an. Das Gesellenstück hatte er da schon geliefert. Im Januar stieg die WAZ-Gruppe, der viertgrößte deutsche Medienkonzern, beim Verlagshaus Politika in Belgrad ein.

Die als Joint Venture getarnte Übernahme hatte Hombach von langer Hand geplant. Bereits Mitte Oktober vergangenen Jahres unterzeichnete der WAZ-Konzern mit dem Verlag Politika AD einen Vertrag über die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft. Pate stand der serbischen Premierminister Zoran Djindjic, ein Vertrauter Hombachs.

Das Geschäft ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Erstens handelt es sich um die erste große Auslandsinvestition in die serbischen Medienbranche seit dem Sturz Slobodan Milosevics im Oktober 2000. Und zweitens ist Politika AD der traditions- und erfolgreichste Medienkonzern auf dem Balkan. Mit der renommierten auflagenstarken Tageszeitung wurde stets Politik betrieben - Machtpolitik.

Das soll auch so bleiben. Der WAZ-Direktor Luc Glant überreichte dem Politika-Herausgeber Darko Ribnikar zum Start des Projekts vor versammelter Belegschaft eine Euro-Münze. »Legen sie ihn irgendwo in die Redaktion, als Zeichen dafür, dass Sie sich in Richtung Europa bewegen«, wünschte sich Glant für das Blatt, das bis vor kurzem noch ein Sprachrohr Milosevics war.

Die Mitarbeiter haben verstanden, was damit gemeint war. Aus Spaß grüßen sie sich bereits auf Deutsch. Schließlich wurde am Tag nach dem Vertragsabschluss Ende Januar auf jedem Computer im Verlagshaus in der Belgrader Innenstadt ein deutsch-serbisches Wörterbuch installiert. Klar ist auch, wohin die politische Reise geht. Kurz vor Vertragsabschluss wurde Nenad Stefanovic in eine hohe Position im Verlag gehievt. Er war bis vor kurzem Chef der Presseabteilung von Djindjics Demokratischer Partei (DS). Die DS steht im serbischen Politgerangel für eine westliche Position und bildet den Gegenpart zur Allianz des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica.

Der Essener WAZ-Chef Erich Schumann betont, dass man sich nicht in redaktionelle Belange einmischen werde. Das wird wohl auch nicht nötig sein, denn in Selbstzensur sind jugoslawische Journalisten geübt. Angesichts bevorstehender Stellenkürzungen will sich niemand unbeliebt machen bei den neuen Chefs aus Deutschland. Djindjics Mann in der Politika wird also keine Schwierigkeiten haben, das Blatt auf Regierungslinie zu bringen. Allein die finanzielle Gestaltung des Deals macht deutlich, wer hier das Sagen hat. Die WAZ-Gruppe bringt 25 Millionen Euro in das Joint Venture ein, Politika AD nur 1 000 Euro. Neben der Tageszeitung Politika gehören noch zwei weitere Tageszeitungen, 14 Magazine, ein Rundfunksender sowie Druckereien und der Auslieferungsservice zum Verlag.

Die WAZ-Gruppe expandiert also weiter auf dem südost-europäischen Markt. Seit der Wende hat der Konzern mit einem Jahresumsatz von knapp zwei Milliarden Euro Zeitungen, Zeitschriften, Verlage, Fernseh- und Radiostationen in Tschechien, Ungarn, Kroatien, Rumänien und Bulgarien zusammengekauft. 25 Tageszeitungen und 50 Zeitschriften werden vom WAZ-Imperium in Südosteuropa mittlerweile gehalten.

Bereits 1987 hatte sich der Verlag in Österreich eingekauft und die Kronen- und Kuriergesellschaft gegründet. Als der Eiserne Vorhang fiel, war der Weg nach Ungarn frei. Doch die österreichischen Geschäftspartner wollten nicht so recht mitgehen. »Als dann unsere Partner sich anders entschieden, haben wir - ohne das näher zu bedenken - unsere Gesellschaft umbenannt in K & K«, sagte der WAZ-Chef Schumann der taz. Doch die Essener Konzernleitung hatte nicht bedacht, dass K&K in Österreich für Kaiser und König steht und dass K&K in bestimmten Regionen des Balkan unbliebt ist. Schumann: »Später ist uns aufgefallen, was das für eine historische Relevanz hat.«

Zumindest in Ungarn war es offensichtlich kein Fehler, mit dem monarchischen Firmenlogo aufzutreten. »Zunächst haben wir fünf Regionalzeitungen aufgekauft, von der österreichischen Grenze bis Budapest - aber nicht in Budapest selbst. Dann im Süden bis zum Balaton-See und dann aus logistischen Gründen eine Druckerei in die Mitte gesetzt. Alle diese Zeitungen sind erfolgreich. Wir haben dort 1992 angefangen und haben inzwischen ein return of investment. Dabei hat sich dann allmählich eine Strategie entwickelt«, sagt Schumann.

In einigen Ländern sorgt dieses forsche Auftreten mittlerweile aber für schlechte Stimmung. In Kroatien hält die WAZ-Gruppe 50 Prozent der Zagreb Europa Press Holding Company, die neben verschiedenen Jugend- und Frauenmagazinen die kroatischen Versionen von Playboy und Cosmopolitan sowie die Tageszeitung Jutarnji List und die auflagenstärkste Wochenzeitung Globus herausgibt. Als die Europa Press Holding im vergangenen Dezember versuchte, ein Quasi-Monopol über die Vertriebsunternehmen in Kroatien aufzubauen, hagelte es Proteste. Ivo Pukanic, Eigentümer der Zagreber Wochenzeitung Nacional, fürchtete: »Das wäre ein Desaster, nicht nur für die kleinen Verlage, sondern auch für die Pressefreiheit in Kroatien.«

Bulgarien gilt als warnendes Beispiel. Dort hat der Konzern die Vertriebe aufgekauft. Der bulgarische Journalist und ehemalige Vorsitzende der bulgarischen Vereinigung der Zeitungsverleger, Valeri Naidenow, hält das Verhalten der WAZ-Gruppe für »brutal und heimtückisch«. Das Auftreten des Konzerns erinnere an einen »Blitzkrieg«. Die bulgarische Zeitung Novinar warnte den mündigen Leser: »Du wirst denken, wie es dir die deutschen Zeitungen befehlen.«

Erich Schuman spielt die Vorgänge herunter. Im taz-Interview meinte er: »Unsere Schwierigkeit bestand darin, dass wir die Bulgaren, die ja nach unserer Philosophie die Geschäfte vor Ort machen sollen, erst davon überzeugen mussten, dass man die Organisationsstrukturen verändern muss. Dann hatten wir zweitens - aber das ist ausgeräumt - etwas Schwierigkeiten mit der Wettbewerbskommission, die darin bestanden, dass dort einige kleinere Wettbewerber der Ansicht waren, wir würden gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen.« Doch das sei glücklicherweise vorbei. »Da gab's Verfahren, die wir inzwischen zu unseren Gunsten beendet haben. Inzwischen läuft das normal.«

Für weitere Normalisierung soll Bodo Hombach sorgen. Als Koordinator des Balkan-Stabiliätspakts hatte er Gelegenheit, das noch unerschlossene Terrain zu sondieren. Mit besten Beziehungen zur neuen Elite in den südosteuropäischen Ländern, die allesamt am Kredittropf der EU hängen und auf die Kooperation mit Berlin angewiesen sind, wo Freund Gerhard Schröder regiert, kann sich Hombach ganz seiner Arbeit widmen.

»Meine berufliche Veränderung ist eine wirkliche Zäsur für mich«, sagte er kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt. Aber die Art und Weise, Politik zu machen, ist seit seiner Zeit im Preussag-Konzern dieselbe geblieben. Private-Public-Partnership und dabei kassieren.