Interview mit Bernard Sadovnik, einem Vertreter der Kärtner Slowenen

»Alle sollen Englisch lernen«

Der Streit um die Aufstellung deutsch-slowenischer Ortstafeln im österreichischen Bundesland Kärnten ist nicht neu. Erst Anfang Januar beschloss der Österreichische Verfassungsgerichtshof, künftig in Gemeinden mit zehn Prozent slowenischer Bevölkerung zweisprachige Ortsschilder aufstellen zu lassen. Die Kärtner Landesregierung von Jörg Haider weigert sich jedoch, die Tafeln anzubringen.

Wieso führt die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln immer wieder zu Konflikten?

Weil topographische Bezeichnungen der Ausdruck eines Besitzstandes sind. Von Deutsch-Kärntner Seite wird immer wieder unterstellt, die slowenische Bevölkerung beanspruche ein Territorium für sich, um dieses dann an Slowenien oder gar Jugoslawien anzuschließen. Ich dagegen betrachte die Ortstafeln als sichtbares Symbol für historisch gewachsene Namen und eine seit Jahrhunderten bestehende Identität zweier Sprachen und zweier Kulturen. Wenn wir zu Hause Slowenisch reden, ist das noch in Ordnung. Aber sobald wir unsere Kultur nach außen tragen, ist das schon zu viel.

Hat Sie die Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, die zweisprachigen Tafeln betreffend, überrascht?

Was die Auslegungen des Artikels 7 der Österreichischen Verfassung, der die Minderheitenrechte regelt, betrifft, gibt es in den letzten zehn Jahren eine Kontinuität des Gerichtshofes: Angefangen bei positiven Entscheidungen zu zweisprachigen Volksschulen über die Anerkennung zweier Amtssprachen bei zehn Prozent slowenischer Bevölkerung bis hin zur jetzigen Entscheidung über die Ortstafeln. Meine Kritik ist allerdings, dass dies alles bereits im österreichischen Staatsvertrag von 1955 festgeschrieben wurde, aber nur mit dem Umweg über den Verfassungsgerichtshof zustande kam.

Warum gelingt es nicht, innerhalb Kärntens einen Konsens mit der slowenischen Bevölkerungsgruppe zu finden?

In Kärnten gab es Jahrzehnte lang einen Dreiparteienpakt zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ gegen die slowenische Minderheit. Diese Parteien haben auf Landesebene die Bundesgesetzgebung massiv zu Ungunsten der Minderheit beeinflusst und die Bundesparteien den restriktiven Positionen unterworfen. Die deutschnationale Gesinnung wurde von keiner der drei Parteien nach dem Zweiten Weltkrieg völlig abgelegt. Gerade in der SPÖ, die lange Zeit die Landesregierung stellte, gab es sehr viele Deutschnationale. So hat beispielsweise der langjährige SPÖ-Landeshauptmann Leopold Wagner stolz öffentlich erklärt, ein ranghohes Mitglied der Hitler-Jugend gewesen zu sein. Und wenn man den Politikern heute in Kärnten zuhört, hat man das Gefühl, dass sie alle Jörg Haider rechts überholen wollen.

Es gibt doch in Gemeinden mit 25 Prozent slowenischer Bevölkerung schon seit einigen Jahren zweisprachige Ortstafeln.

In diesen Gemeinden haben die Assimilationsbestrebungen der Kärtner Regierungen aber nicht wie gewünscht funktioniert. Denn sobald die Menschen sehen, dass Zweisprachigkeit etwas absolut Selbstverständliches ist, haben sie keinen Grund, ihre Identität zu verleugnen.

Lehnen aus diesem Grund viele Deutsch-Kärntner die Schilder ab?

Warum sollte man Angst haben, wenn es in Kärnten Menschen gibt, die zwei Sprachen sprechen? Man nimmt den Deutschsprachigen ja nichts weg, die deutschen Ortsnamen bleiben doch.

In Kärnten existiert eine historische Hypothek, da es seit der Volksabstimmung 1920 eine Polarisierung zwischen den beiden Volksgruppen gibt ...

... obwohl die Kärntner damals zum Großteil für einen Verbleib bei Österreich gestimmt haben?

Genau, und natürlich lag auch vielen Kärntner-Slowenen Klagenfurt näher als Ljubljana. Aber die Deutschnationalen haben diese Abstimmung für ihre Ziele genutzt. Und diese Konflikte haben bis in den Zweiten Weltkrieg hinein angehalten. Die Aussiedlung der Kärntner-Slowenen durch das Nazi-Regime, der slowenische Widerstand gegen diesen übermächtigen Gegner zu einem Zeitpunkt, als dessen Niederlage noch nicht feststand - all das ist bis heute größtenteils noch nicht aufgearbeitet worden.

Ich möchte jedoch nicht den Eindruck erwecken, als wäre alles in Kärnten deutschnational und minderheitenfeindlich. Es gibt in Kärnten eine Mehrheit, die sich für eine offene, tolerante und mehrsprachige Gesellschaft ausspricht.

Das Problem ist also die fehlende Mobilisierung dieser toleranten Mehrheit für das Anliegen der Kärtner Slowenen?

Nein, es mangelt an allem. Sollte der Bundesregierung etwas an zweisprachigen Ortstafeln liegen, müsste sie eine Informationskampagne starten, wie sie es vor dem EU-Beitritt und der Einführung des Euro getan hat. Wenn die Bundesregierung endlich Farbe bekennen würde, könnte ein Meinungsumschwung herbeigeführt werden.

Jahrzehnte lang sind die Kärntner nur einseitig informiert worden. Heinz Stritzl, der langjährige Chefredakteur der in Kärnten und in der Steiermark auflagenstärksten Tageszeitung Kleine Zeitung, ist heute de facto der Sprecher einer Plattform aus dem Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB) und Kärntner Heimatdienst (KHD). Die Linie der Kleinen Zeitung war unter der Leitung von Stritzl entsprechend eindeutig deutschnational. Und die Kronen Zeitung vertritt nach wie vor eine minderheitenfeindliche Position. Was kann man sich dann noch von der Bevölkerung erwarten?

Liegt es vielleicht daran, dass Sie als Vertreter einer Minderheit nicht offensiv genug agieren?

Ja, leider haben wir uns immer isoliert gefühlt und nie um die Mehrheitsgesellschaft gekümmert. Voraussetzung für jede positive Veränderung wäre daher auch eine Modernisierung der Minderheit von innen heraus. Wir sind gerade für junge Menschen sicherlich nicht besonders attraktiv. Man müsste eine Bildungsoffensive starten und den Austausch zwischen Klagenfurt und Ljubljana forcieren. So studieren derzeit keine Kärntner-Slowenen in Slowenien.

Allerdings wird die slowenische Minderheit von der Republik Österreich nur mit 1,1 Millionen Euro jährlich gefördert. Aber allein der Betrieb des vor kurzem in Kärnten in Betrieb gegangenen slowenischen Radiosenders kostet 1,5 Millionen Euro. Uns fehlt das Geld, um offensiv zu sein.

Ist es nicht auch problematisch, dass die slowenische Minderheit im Landtag keine Vertretung hat?

Sicherlich. In Slowenien stellen die italienische ebenso wie die ungarische Minderheit jeweils einen Abgeordneten im Parlament, die sogar über ein Vetorecht verfügen. Diese Form der politischen Beteilung wäre auch in Kärnten notwendig. Ich sehe allerdings im Moment keine Chance, dieses Ziel zu verwirklichen.

Haben die Kärntner Slowenen überhaupt noch eine Zukunft?

Vieles ist nicht mehr gut zu machen. Aber das europäische Projekt, auch wenn man es in vielen Bereichen kritisieren kann, wird sicherlich etwas bewegen, obwohl die Nationalstaaten noch immer die Minderheitenrechte gegeneinander ausspielen. Die globale und europäische Entwicklung geht in Richtung Toleranz und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Einsprachigkeit hat sich überlebt. Die einzige Alternative zur Mehrsprachigkeit wäre, dass alle Englisch sprechen. Aber dann müssen wir endlich richtig Englisch sprechen lernen.