Streit beim Popmagazin ðIntroÐ

Eingang ausgebrannt

Das dauernd von der Repolitisierung des Popdiskurses faselnde Magazin Intro wird zum Interessenvertretungsblättchen der Plattenindustrie.

Es reicht! Zum Thema Brennen und freies Runterladen von Musik wurde einem schon viel Unerträgliches serviert. Smudo im »Copy Kills Music«-T-Shirt, Abkommandierte der Plattenindustrie mit dem Aufklärungsauftrag über deren Interessen an Schulen und Slogans in dieser Art: »Tausend gebrannte CDs töten eine vielversprechende Nachwuchsband.«

Doch den Vogel schießt jetzt Intro ab, das Kölner Kostenlosblatt für »Musik und so«. In gleich zwei Texten der aktuellen Ausgabe, im Editorial und einer durch vorauseilenden Gehorsam motivierten »Klarstellung« gibt man ein derart schwülstiges Moralgefasel von sich, dass vielleicht sogar Tim Renner beim Lesen ein wenig peinlich berührt war. »Nicht nur als Musikmagazin, sondern auch (als) Musikbegeisterte sprechen wir uns ohne Einschränkung gegen Piraterie und Brennen aus«, ist dort zu lesen, und zwar wegen »dem Respekt vor dem Künstler und unserer Liebe zur Musik!«

Und dann wird auch noch festgestellt, dass nicht nur Gehirnschwund in der Intro-Redaktion grassiert, sondern gar die Unterhaltungsindustrie von »Auflösungserscheinungen durch Piraterie« bedroht sei. Ach ja, wie man gehört hat, soll Michael Jackson schon pleite sein.

Das beste an der ganzen Sache ist aber der Grund für die Aufregung. Denn da hat sich doch tatsächlich ein Intro-Schreiber erlaubt, an das Ende seiner Plattenbesprechung die auffordernde Sentenz zu stellen: »Sofort brennen!« Nach Ansicht der sich inzwischen ihrer Schuld voll bewussten Macher von Intro hätte an dieser Stelle aber stehen müssen: »Sofort kaufen!« Darüber ist man dann wirklich aus gleich mehreren Gründen einigermaßen erstaunt. Erstens, weil einfach mal wirklich alles besser klingt und weniger ausgelutscht und weniger banal ist als hinzuschreiben: »Sofort kaufen!« Zweitens, weil es glücklicherweise immer noch so was von statthaft, zulässig und für die Verbreitung von Lieblingsmusik unerlässlich ist, sich CDs zu brennen, und der Ruf der Plattenindustrie nach einem Kopierschutz für CDs auch rein rechtlich mehr als bedenklich ist.

Wie ein Intro-Macher, der aus »privaten Gründen« anonym bleiben und sich aus der ganzen Sache heraushalten möchte, berichtet, lief die Sache so ab, dass ein Mensch von der wegen des Aufrufs zum CD-Brennen direkt betroffenen Plattenfirma sofort bei Intro angerufen habe. Wahrscheinlich fragte er, ob die Leute in der Redaktion nicht mehr ganz dicht seien, und drohte, dass der ungeheure Vorfall bereits an die Anzeigenabteilung weitergereicht wurde.

Gut, ist klar, Interessenvertreter vertreten Interessen und CD-Piraterie findet die Plattenindustrie eben nicht so gut. Doch nun muss sich Intro ernsthaft fragen lassen, wie man dazu kommt, derart unreflektiert die Meinung des Interessenvertreters zu übernehmen und sich als dessen Sprachrohr missbrauchen zu lassen. Schließlich deckt sich die Meinung des intervenierenden Majorlabels bestimmt nicht unbedingt mit jener all der Kleinstlabels und erst recht nicht mit der so einiger Musikproduzenten, für die die Zeitschrift vorgibt, ein Forum zu sein.

Intro gibt es kostenlos und begleicht mit den Einnahmen aus Anzeigen laufende Kosten, es geht um Arbeitsplätze, die Werbeeinnahmen schaffen unweigerlich Abhängigkeiten, geschenkt. Doch gleichzeitig muss man im Heft dauernd etwas von der Forderung nach einer Repolitisierung des Popdiskurses lesen, darf Martin Büsser zur Abschreckung der Leser in seinen Artikeln mit der Gesamtausgabe Adornos wedeln, wurde erst vor kurzem ein Künstler wie Akufen abgefeiert, der sich ganz offensiv für die Verletzung von Copyright ausspricht, und vermeldet der Chefredakteur in der aktuellen Ausgabe, niemals einen sexistischen Tonfall zu pflegen. Intro wollte kein Wom-Magazin sein und versuchte stets, trotz aller Abhängigkeiten, bei denen Munkeleien (»Feature gegen Anzeige«) nicht ausbleiben können, sich einigermaßen die Glaubwürdigkeit zu erhalten.

Damit ist nun wohl Schluss. Demnächst wird Intro zur Klärung der prekären Sachlage ein Roundtable-Gespräch veröffentlichen, in dem auch die ach so arg gebeutelte Plattenindustrie zu Wort kommen darf. Zahlen sollen genannt, Umsatzrückgänge beklagt werden.

Allein: Das interessiert niemanden. Es gibt genügend Studien, die die Misere der Plattenindustrie in deren hausgemachten Fehlern verorten (fehlende Nachwuchsförderung, das Verschlafen von Trends) und die außerdem belegen, dass eine nicht gebrannte CD noch lange keine gekaufte CD bedeutet, dass gar Konsumenten ihr ziemlich kostenfrei erworbenes Musikwissen beim nächsten Besuch im Plattenladen einsetzen. Die ganze Debatte um Musikpiraterie wird ziemlich disparat geführt, eine gesicherte Faktenlage gibt es nicht.

Deshalb hätte man eigentlich von Intro erwarten können, so etwas einerseits als Argument gegenüber der Industrie einzusetzen und es andererseits der Leserschaft gegenüber transparent zu machen. Doch stattdessen erweist sich die Autononomie des Heftes nun unter dem Druck der Plattenfindustrie endgültig als Schein.

Wahrscheinlich hat es Intro schlichtweg versäumt, ihre Brötchengeber sozusagen zu »erziehen«, ihnen die eigene Kritikfähigkeit als Qualitätsmerkmal zu verkaufen, und nun ist es zu spät dafür. Ab sofort kann es nur noch heißen: »Tschuldigung«, und nicht mehr: »Aber ...«

Plattenfirmen erlauben sich inzwischen aus lauter Piraterieparanoia die schrägsten Dinge. So genannte Snippet-CDs als Rezensionsexemplare zu verschicken, also CDs, auf denen nur Bruchteile der einzelnen Stücke zu finden sind, oder Promos mit Störgeräuschen zu unterlegen, kann man nicht wirklich begrüßen.

Eine Zeit lang hatte Intro deshalb verkündet, ein derartiges Verkommen des Rezensionswesens mit Nichtbeachtung der entsprechenden, nicht adäquat zu beurteilenden Tonträger zu ahnden. Dieser Vorstoß ist weitgehend beendet. Denn schließlich und immer wieder gilt nun: ohne Besprechung keine Anzeige.

Die »Sofort Brennen!«-Angelegenheit belegt, dass die großen Plattenfirmen kein Interesse mehr daran haben, dass Intro immerhin pseudokritisch über ihren Kram berichtet. Sie will Allianzen für ihre Spiegelfechterei gegen Musikpiraterie schmieden, das war's. Intro scheint sich wegen dieses Affronts bereits geschlagen gegeben zu haben und ist bereit, zum Branchendienst zu degenerieren, zur Bäckerblume der Musikinnung.

Ehrlich gesagt: Das ist auch völlig okay so. Wie käme man auch dazu, sich etwa über das Wom-Magazin sinnlos zu ärgern. Doch bitte, bitte, liebe Intro-Macher, erspart uns in Zukunft euer Gemurmel vom selbst attestierten Kulturauftrag. Und vor allem: Saugt euch diesen Artikel nicht aus dem Netz, sondern kauft verdammt nochmal diese Zeitung!