Hi, Potentials!

Mit dem Programm »Gate Germany« werben deutsche Hochschulen um die ausländische Bildungselite. von anke schwarzer

Ihr wolltet Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen«, lautete ein antirassistischer Spruch aus den achtziger Jahren. Heute, da Bildungsangebote zur Handelsware auf dem globalisierten Dienstleistungsmarkt und Wissen zu einem Rohstoff geworden ist, nach dem überall geschürft wird, könnte er lauten: »Ihr wolltet kluge Köpfe, aber es kamen Menschen.«

Immerhin haben einige Stellen erkannt, dass es nicht funktioniert, ausländische Akademiker heiß zu umwerben und sie dann bei ihrer Ankunft in Deutschland frostig zu behandeln. Weil die Ausländerbehörde die Visitenkarte Deutschlands sei, ließ die Alexander-von-Humboldt-Stiftung das freundlichste Amt suchen. Die Elitestiftung, die als Pendant zu den Goethe-Instituten die wichtigste Vertretung der deutschen Wissenschaft im Ausland ist, ermöglicht Wissenschaftlern aus aller Welt einen Forschungsaufenthalt in Deutschland. »Unser Preis soll dazu anregen, den Studien- und Forschungsstandort Deutschland attraktiver zu gestalten«, sagte der Stiftungspräsident, Wolfgang Frühwald. Am 30. Januar erhielten die Ausländerbehörden in Erlangen, Wismar und Freiburg den Hauptpreis von je 25 000 Euro.

Antirassistische Gruppen kritisierten, dass das Problem weniger in der ruppigen Art so manch eines Sachbearbeiters oder den fehlenden Sondersprechzeiten für Studierende liege, sondern in den gesetzlichen Abschreckungsmaßnahmen. Einige Flüchtlingsräte bemängelten zudem, dass nur ausländische Akademiker Vorschläge machen durften, obwohl sie besser gestellt seien als andere Migrantengruppen. Frühwald verteidigte die Aktion: »Wenn diese privilegierte Gruppe schon schlecht behandelt wird, dann strahlt das auf andere Ausländer in Deutschland noch viel stärker zurück – und umgekehrt.«

Viele ausländische Studierende waren großzügig in ihren Urteilen. Etwas Freundlichkeit oder die Unterstützung beim Ausfüllen der Formulare reichte oft schon für eine Nominierung aus. »Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich von Freunden und Bekannten gehört, dass es für Ausländer nicht ganz einfach in Deutschland ist«, erzählt Tsenbaatar Narangerel aus der Mongolei. Sie hat die Ausländerbehörde Wismar allein deshalb für den Preis vorgeschlagen, weil diese der Wirtschaftsrechtstudentin gestattete, ihr Kind mit nach Deutschland zu nehmen.

Seit Jahren streite sich die Humboldt-Stiftung mit Ausländerbehörden und der Polizei wegen der unfreundlichen Behandlung der Stipendiaten, sagt Frühwald. Er spricht von »alltäglichem Rassismus« und erzählt von einer indischen Mathematikerin, die beim Umsteigen auf einem Bahnhof als einzige unter vielen anderen Wartenden so lange kontrolliert wurde, bis sie ihren Anschlusszug verpasste.

Die Schwierigkeiten beginnenn allerdings schon bei der Beschaffung des Visums im Ausland. Die Schlangen vor den deutschen Botschaften sind lang, die Informationen darüber, welche Unterlagen benötigt werden, ungenügend. Die Sachbearbeiter behandeln viele Antragsteller als lästige Bittsteller. Insbesondere in China werden die Studienabsichten eingehend geprüft, manchmal so lange, bis das Semester längst begonnen hat. An der Fachhochschule Hannover beispielsweise bekamen 40 chinesische Studenten erst nach mehreren Monaten und großem Druck vom Akademischen Auslandsamt ein Visum. Auch danach blieben sie ein Spielball der Behörden. In der deutschen Botschaft in Peking hieß es, alle Studenten müssen ein Sperrkonto mit 6 400 Euro vorweisen. Aber in Hannover verlangte die dortige Ausländerbehörde 6 700 Euro.

Jenseits des Ärgers mit den Ämtern, den Restriktionen beim Jobben und beim Familiennachzug – ganz zu schweigen von der Rasterfahndung und der Bedrohung durch Neonazis – bereitet die Wohnungssuche große Probleme. Klaus Landfried, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, kritisiert, dass im Ausland verstärkt für den Studienstandort Deutschland geworben werde, ohne aber für Wohnraum für die Studenten zu sorgen. »Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, die Marketing-Aktivitäten zu stoppen, wenn wir bei steigenden Bewerberzahlen kein entsprechendes Wohnangebot in den westdeutschen Metropolen anbieten können.« Manche Studenten hätten bereits »mit bösen Ressentiments« wieder ihre Koffer gepackt.

Deutsche Hochschulen werben seit dem Jahr 2001 mit dem Programm »Gate Germany« im Ausland um Spitzenwissenschaftler. 30 Prozent derjenigen, die im Ausland studieren wollen, gehen in die USA, 13 Prozent nach Großbritannien und nur wenige finden den Weg nach Deutschland. Zu dieser Entwicklung heißt es bei »Gate Germany«: »Dem müssen die deutschen Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen etwas entgegensetzen – und zwar auch dann, wenn sie nicht (oder noch nicht) auf direkte finanzielle Erträge zielen.«

Die wissenschaftliche Bereicherung, langfristige politische und wirtschaftliche Erträge, da die angeworbenen Studenten die zukünftige Elite in ihren Herkunftsländern bilden, aber auch der Export von Bildungsangeboten in alle Welt und die Gründung von Zweigstellen hiesiger Universitäten im Ausland werden als Gründe für die Marketing-Aktivitäten genannt.

Auf Bildungsmessen in Russland, Brasilien, Indonesien, Japan und den USA wird mit dem Slogan geworben: »Hi! Potentials – International Careers Made in Germany«. Gesucht wird dort nicht Masse, sondern ausschließlich Klasse. Diese Maßnahmen sind Teil der konzertierten Aktion »Internationales Marketing für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland«, die das Bundesbildungsministerium mit fast 18 Millionen Euro finanziert.

»Deutschland muss wieder erste Adresse werden, wenn es um die Aus- und Weiterbildung künftiger Fach- und Führungseliten geht«, heißt es in einem Positionspapier der gemeinsamen Initiative von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Wirtschaft. Bis zum Wintersemester 2003/04 will die Initiative den Anteil der ausländischen Studierenden um 50 Prozent steigern. Derzeit sind rund 200 000 Ausländer an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Davon zählt aber rund ein Drittel zu den so genannten »Bildungsinländern«, die in Deutschland aufgewachsen sind.

Die Mitglieder der konzertierten Aktion forderten auch Veränderungen im Ausländerrecht, getreu dem Motto: »Wer uns nützt, darf bleiben.« Mit Erfolg, nach dem geplanten Zuwanderungsgesetz wird es ausländischen Studierenden gestattet, nach dem Ende des Studiums hier zu arbeiten, statt wie bisher sofort ausgewiesen zu werden. Auch zeitliche Einschränkungen für das Jobben während des Studiums sollen gelockert werden, und die Ehegatten von Gastwissenschaftlern und Studierenden sollen nicht mehr ein Jahr lang warten müssen, bis sie in Deutschland arbeiten dürfen.