Ende der Durchsage

Eine von den USA eingebrachte UN-Resolution soll die mangelnde Kooperation des Irak mit den Waffeninspekteuren feststellen. Die aber beklagen sich auch über die Behinderung ihrer Mission durch die US-Regierung. von martin schwarz, wien

Mit den diplomatischen Floskeln, den endlosen Redebeiträgen im UN-Sicherheitsrat und den ewigen UN-Inspektionen soll nun endgültig Schluss sein. US-Präsident George W. Bush, das richtete er nach seinem Treffen mit Spaniens Premier José Maria Aznar am vergangenen Samstag aus, verliert die Geduld mit dem Irak, mit den widerspenstigen Europäern und mit dem Koloss UN. »Der Sicherheitsrat hat eine klare Haltung eingenommen und er muss nun eine klare Entscheidung treffen. Mit der ganzen Welt als Zeuge wird der Rat nun zeigen müssen, ob er meint, was er sagt.«

Was der UN-Sicherheitsrat zu meinen hat, erarbeiteten George W. Bush und Tony Blair schon in den vergangenen Wochen: dass der Irak die derzeit gültige UN-Resolution 1441 verletze und nicht vollständig mit den Inspektoren kooperiere. Allein das soll die neue von den USA und Großbritannien eingebrachte Resolution feststellen, nicht jedoch, dass nun der Krieg unter allen Umständen stattfinden müsse.

Es ist eine Resolution, die vor allem auf Betreiben Tony Blairs entstand. Nach Informationen aus dem Londoner Außenministerium soll der britische Premier seinem amerikanischen Waffenbruder George W. Bush dringend geraten haben, die Resolution keinesfalls mit einem Automatismus für einen Militärschlag zu verknüpfen. Lediglich die irakische Obstruktionspolitik, so Blair, solle festgestellt werden.

Genau das fehlt noch in der argumentativen Waffenkammer der USA und Großbritanniens. Erst wenn der Sicherheitsrat nach der Annahme der Resolution einmal festgestellt hat, dass Saddam Hussein noch immer meint, mit den UN-Inspektoren nicht kooperieren zu müssen, kann ein Militärschlag ohne weitere Legitimation durch das 15köpfige Gremium stattfinden. Um die Gefahr eines Vetos zu mindern oder zumindest ein möglichst günstiges Abstimmungsergebnis zu erreichen, wollen die USA und Großbritannien darauf verzichten, sich ausdrücklich zu einer militärischen Disziplinierung Saddam Husseins ermächtigen zu lassen. Diese Ermächtigung kann schließlich schon aus der Resolution 1441 abgeleitet werden, die »ernste Konsequenzen« androht, wenn der Irak sich nicht vollständig dem Inspektionsregime unterwirft.

Damit die Resolution für die Mehrzahl der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auch wirklich annehmbar ist, bauen die USA im Vorfeld auf Shuttle-Diplomatie und betreuen Staaten, von deren Existenz der George W. Bush vermutlich bis vor wenigen Wochen überrascht gewesen wäre. Einige nicht ständige Mitglieder des Sicherheitsrates erhalten derzeit Besuch von hochrangigen Vertretern der Regierung Bush. Walter Kansteiner, Leiter des Afrika-Ressorts des US-Außenministeriums besuchte beispielsweise in der vergangenen Woche Angola, Kamerun und Guinea – alle drei derzeit Mitglieder des Sicherheitsrates und wenigstens bislang eher skeptisch bezüglich der US-Pläne gegen den Irak. Dem angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos erklärte Kansteiner laut Washington Post, was der UN-Sicherheitsrat nun tun müsse, »um sich zu behaupten«.

Gleichzeitig werden dem Irak Tests auferlegt, die zu bestehen dem Land offensichtlich schwer fällt. Hans Blix verlangte in einem Brief, den er in der Vorwoche dem irakischen UN-Botschafter Mohammed al-Douri übergab, dass der Irak bis zum 1. März jene Raketen des Typs al-Samud-2 zu zerstören beginnen müsse, deren Reichweite die erlaubten 150 Kilometer übersteigt. Seltsam an dem Brief ist eigentlich bloß der Zeitpunkt seiner Übergabe: US-Außenminister Powell hatte Hans Blix schon nach dessen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat am 14. Februar gedrängt, die Irakis einem solchen Test zu unterziehen.

Wie nahe der Krieg allen Beteiligten scheint, merkt man auch an der Nervosität der im Irak tätigen Inspektoren. Der Jungle World nämlich verriet ein im Irak tätiger Inspektor, innerhalb des Teams habe man einen Angriff der USA schon am Samstag vor zwei Wochen erwartet, zumindest hätten derartige Gerüchte im UN-Hauptquartier in Bagdad kursiert. Am Tag darauf wurde das Gerücht gestreut, amerikanische Sabotageteams befänden sich bereits in Bagdad, um dort »mittels kleiner Explosionen« die Einsatzbereitschaft der irakischen Sicherheitskräfte zu testen. Eine Bestätigung für die Anwesenheit pyromanischer Spähtrupps hingegen gibt es aus Bagdad nicht.

Scheinbar aus eigener Initiative setzten die Waffeninspektoren der Unmovic und der internationalen Atomenergiebehörde IAEA unterdessen an, ihrerseits die Güte der Informationen aus Washington anzuzweifeln, da die USA ja in ihrer Argumentation für einen Krieg ständig wiederholen, dass eine tatsächliche Entwaffnung Saddam Husseins nur per Bombenhagel zu gewährleisten sei. Der amerikanische TV-Sender CBS zitiert einen Waffeninspektor mit den Worten, die bisherigen Informationen der USA über mutmaßliche Massenvernichtungswaffen seien »nichts als Müll«. So hätten etwa US-Geheimdienste den Inspektoren großzügig Informationen überlassen, wonach Saddam Hussein seine Massenvernichtungswaffen praktisch im eigenen Haushalt verstecke, doch die Durchsuchung diverser Präsidentenpaläste hat bislang wenig Aufschlussreiches ergeben. Auch der Verdacht, der Irak habe spezielle Aluminiumröhren zur Produktion von Nuklearwaffen importiert, ließ sich bisher nicht erhärten.

Wenn sich die ansonsten sehr disziplinierten und verschlossenen Waffeninspektoren schon derart öffentlich über die mutmaßliche Sabotage ihrer Mission beschweren, so erinnert das frappant an das Ende der Unscom-Mission im Jahre 1998. Damals verließen einige der Inspektoren frühzeitig den Irak, um gegen die Unterwanderung ihres Teams durch Spione der USA zu protestieren.

Mohammed El Baradei wiederum, Chef der IAEA und für die amerikanische Politik offensichtlich weniger empfänglich als Hans Blix, erklärte am Wochenende dem Spiegel, er könne auch seinen Rücktritt nicht ausschließen, wenn die USA allein oder im Verbund mit Großbritannien den Irak angriffen. Das sind eindeutige Anzeichen für ein Zerwürfnis zwischen den USA und den von ihnen nur widerwillig akzeptierten Inspektoren. Auch die Waffeninspektoren haben inzwischen wohl erkannt, dass ihre Mission von anderen beendet werden wird.

Wenn der britische Außenminister Jack Straw am vergangenen Wochenende in London noch dazu meinte, die diplomatische Auseinandersetzung um Krieg oder Frieden befinde sich in »einer Endphase« und die Vereinten Nationen liefen Gefahr, zu einer »Fußnote der Geschichte« zu werden, wenn sie sich jetzt nicht entschieden, ist das ein deutlicher Hinweis, wohin die Reise gehen soll. Die USA, Großbritannien, Spanien und einige weniger bedeutende Verbündete planen, sehr bald mit einer Resolution in den Krieg zu ziehen, die ihnen zwar kein ausdrückliches Mandat erteilt, aber auch keine andere Konsequenz mehr zulässt. Das politische Auslaufmodell Sicherheitsrat wird dann in eine Falle getappt sein, die er sich selbst gestellt hat.