Shoppen in Bielefeld

Noch im vergangenen Dezember wollten zwei deutsche Geschäftsleute dem Irak bei der Waffenproduktion helfen. von klaus thörner

So viel hierzulande im Moment über die angeblichen geostrategischen Pläne der USA gesprochen wird, so wenig ist die Rede von deutschen Rüstungsgeschäften mit dem Irak. Ein weiteres derartiges Geschäft wurde in der vergangenen Woche bekannt. Wegen des versuchten Exports von Rüstungsgütern in den Irak ermittelt die Bielefelder Staatsanwaltschaft gegen zwei deutsche Geschäftsleute aus dem Raum Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Der 63jährige Hauptbeschuldigte ist Besitzer eines Büros für Wehrtechnik und Sicherheitsprojekte. Er soll geplant haben, Raketenteile für den Irak in Deutschland produzieren zu lassen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sei der Mann im Dezember auf irakische Einladung zu einer Messe nach Bagdad gereist. Ein 49jähriger Deutscher irakischer Herkunft habe ihn als Dolmetscher begleitet. Auf der Messe sei dann vermutlich die Absprache über den Nachbau und die Lieferung militärisch nutzbarer Elektronikbauteile getroffen worden. Dem 63jährigen wurden offenbar vier Präzisionsteile ausgehändigt, die er in Deutschland in hoher Stückzahl nachbauen lassen sollte.

»Zwei dieser Teile gehören ohne Zweifel zu Raketenleitsystemen, die übrigen sind Dual-use-Güter«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Jungle World. Der Hauptbeschuldigte habe dann versucht, in Deutschland Firmen zu finden, die diese Teile nachbauen konnten. Doch ein in das Geschäft involvierter deutscher Computerfachmann, dem die Sache zu heiß wurde, ließ ihn auffliegen.

Die Beschuldigten gestehen den Sachverhalt inzwischen zum großen Teil ein. »Wir gehen davon aus, dass sie genau wussten, was sie taten«, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Verurteilung rechne die Behörde mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren für den Hauptbeschuldigten. Der »Dolmetscher« konnte die Haftanstalt hingegen bereits wieder unter Auflagen verlassen.

Die Bielefelder Affäre könnte als Beweis dafür dienen, dass der Irak trotz aller beteuerten Bereitschaft zur Kooperation mit der Uno noch im vergangenen Dezember versuchte, die Aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen fortzusetzen. Nach Angaben des Leiters der Uno-Inspektionen im Irak, Hans Blix, arbeitet der Irak noch immer an Raketen, die die erlaubte Reichweite von 150 Kilometern überschreiten. Jetzt soll ein Gutachter prüfen, ob die in Steinfurt bestellten Teile diesem Zweck dienen sollten. »Wir setzen in den Gutachter großes Vertrauen, da er sich bereits in Außenwirtschaftsverfahren zur deutschen Ausrüstung von Scud-Raketen bewährt hat«, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Das Hauptinteresse der Bundesregierung dürfte nun darin bestehen, den Prozess so bald wie möglich abzuschließen, um eine internationale Diskussion über illegale deutsche Waffenlieferungen in den Irak abzuwenden. In diesem Sinne verlief im Januar auch ein Verfahren in Mannheim, das im Eiltempo von zwei Wochen abgeschlossen wurde. Dabei ging es um Bohrwerkzeuge im Wert von mehr als 200 000 Euro, die im Jahr 1999 über Jordanien in den Irak geliefert wurden. Sie seien nach Angaben des Gerichtes dazu bestimmt gewesen, Rohre für Geschütze herzustellen, mit denen auch atomare, biologische und chemische Munition über eine Entfernung von mehr als 50 Kilometern abgefeuert werden kann.

Die Angeklagten, zwei Unternehmer aus Pforzheim bzw. aus dem niedersächsischen Achim, gestanden die Lieferung. Wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz wurden sie zu fünf Jahren Haft bzw. zu einer zweieinhalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Das Mannheimer Gericht vermied es, der Frage nachzugehen, ob im Irak mit den Bohrwerkzeugen tatsächlich Artilleriegeschütze gebaut wurden. Sollte das geschehen sein, könnten diese in einem Krieg gegen britische und amerikanische Soldaten eingesetzt werden. Das Unternehmen eines der in Mannheim Angeklagten stand zudem auf der Liste der mehr als 80 deutschen Firmen, die im irakischen Waffendossier vom Dezember 2002 genannt sind. Die Liste ist ein Teil des Berichts der irakischen Regierung an die Uno-Waffeninspekteure. Die taz berichtete im vergangenen Dezember, dass sich darauf die Namen prominenter Konzerne wie Daimler-Benz, MAN, Degussa, Preussag, Ferrostaal, Hochtief und Siemens fänden. (Jungle World, 1/03 und 2/03)

An einer Veröffentlichung dieser Liste und an weiteren Prozessen gegen deutsche Waffenlieferanten dürfte die Bundesregierung momentan kein Interesse haben, zumal da in den USA bereits ein Boykott deutscher Firmen, die im Irak Geschäfte machen, gefordert wurde. Anfang Februar drohte die US-Regierung in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), dass deutsche Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen in den USA verlieren könnten, falls sie an ihrem Engagement im Irak festhielten.

Von einem derartigen Boykott, sollte es denn tatsächlich zu ihm kommen, könnten beispielsweise die Unternehmen Siemens und Daimler-Chrysler betroffen sein. Einem Bericht der Welt zufolge warfen verschiedene US-Medien Siemens vor, Material zum Bau von Atomwaffen in den Irak geliefert zu haben. In der Münchner Konzernzentrale wies man dies von sich. In einem entsprechenden Fall habe es sich lediglich um Schalter für Nierensteinzertrümmerer gehandelt.

Doch bereits im August 2002 belegte das Fernsehmagazin »Report«, dass Siemens groß im Irakgeschäft ist. So verkaufte Iskratel, die slowenische Tochter von Siemens, im Jahr 1998 ohne eine Genehmigung der Uno für 13 Millionen US-Dollar digitale Telefonvermittlungsanlagen in den Irak. (Jungle World, 51/02) Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft München I in dieser Sache. Am vergangenen Mittwoch wurden die Privatwohnungen zweier Manager von Siemens durchsucht.

Außerdem berichtete das Magazin Focus in der vorigen Woche, dass der Irak nach Angaben des BND über unauffällige rollende Labore zur Entwicklung und zum Bau von Kampfstoffen verfüge, die als normale Lastwagen getarnt seien. Der Präsident des BND, August Hanning, soll den Abgeordneten des Bundestages bereits im vergangenen November mitgeteilt haben, dass die irakische Regierung auch in Deutschland Teile gekauft habe, die für transportable Labore verwendet werden könnten.

Nach einem Bericht des Spiegel hält es das Bundeskanzleramt aber für unwahrscheinlich, dass es sich bei diesen um Iveco-Lastwagen mit toxikologischen Einrichtungen handelt, die in den achtziger Jahren mit Genehmigung der damaligen Bundesregierung in den Irak geliefert wurden. (Jungle World, 9/03) Die Ausstattung der Labore soll eine hessische Firma besorgt haben, die später in den Verdacht geriet, die irakische Giftgasproduktion mit aufgebaut zu haben.

All diese Berichte sorgen inzwischen für Unruhe in den Chefetagen der Konzerne. In einer Erklärung des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) vom 11. Februar heißt es, man sehe die Spannungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis »mit Sorge«. Die Wirtschaftsbeziehungen seien »eine tragende Säule im transatlantischen Verhältnis«. Vielleicht hätte man das ein wenig früher bedenken sollen.