Verdienste der Alliierten

Die ersten Aufträge für den Wiederaufbau des Irak gehen an US-Firmen. Doch über die Zukunft der Ölwirtschaft muss im Sicherheitsrat verhandelt werden. von tobias rapp, new york

Die einen nennen ihn einen hyperkompetenten Planer, für die anderen ist er ein Waffenhändler und Zionist. Jay Garners offizielle Jobbezeichnung lautet Direktor des Büros für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe (ORHA). Mit Garner hat das Pentagon nicht nur einen Ex-General als Leiter des zivilen Wiederaufbaus des Irak eingesetzt, sondern auch einen Geschäftsmann, der als Präsident der Rüstungsfirma SY Coleman an der Entwicklung des Patriot-Raketenabwehrsystems beteiligt ist.

Der Drei-Sterne-General gilt als rechter Republikaner, Vertrauter Donald Rumsfelds und als einer der Verantwortlichen für die Kehrtwende in der amerikanischen Verteidigungspolitik, die zur Kündigung des ABM-Vertrags führte, der den Aufbau von Verteidigungssystemen gegen ballistische Raketen beschränkte.

Die Mitglieder von Garners Schattenkabinett sind zum Großteil Militärs, eine Ausnahme bildet der Jurist Michael Mobbs. Er wird dafür zuständig sein, die Ba’ath-Parteikader aus der irakischen Verwaltung zu entfernen und eine neue aufzubauen. Bislang diente er als Berater des US-amerikanischen Justizministeriums und verfasste in dieser Funktion ein Gutachten, in dem er empfahl, US-amerikanischen al-Qaida-Sympathisanten die Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie als »feindliche Kombattanten« zu behandeln.

Mobbs’ Chef Garner hat als Leiter der Operation Provide Comfort, die die Kurden im Nordirak vor Angriffen der irakischen Armee schützte, zwar schon mit der Uno zusammengearbeitet. Doch sein erstes Treffen mit Uno-Vertretern in Kuwait soll laut New York Times in einer eher frostigen Atmosphäre stattgefunden haben. Ein Uno-Offizieller wird mit den Worten zitiert, die US-Administration wolle mit den Vereinten Nationen im Nachkriegsirak offensichtlich genauso umspringen wie in den endlosen Verhandlungen vor dem Krieg.

Auf bis zu 100 Milliarden Dollar werden die Kosten für den Wiederaufbau des Irak geschätzt. Das nötige Geld will die Bush-Administration durch den Verkauf von irakischem Öl einnehmen. Doch ohne die Zustimmung der anderen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats darf der Irak überhaupt kein Öl verkaufen, die Veto-Mächte Frankreich und Russland haben also ein Mitspracherecht.

Die irakischen Ölfelder sind verstaatlicht und der Verkauf des Öls lief bisher über die Agentur Somo (State Oil Marketing Organisation). Seit 1995 steht die Tätigkeit der Somo unter Aufsicht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der darauf achtet, dass die Ölverkäufe gemäß dem Oil-for-food-Programm ablaufen, das damals ins Leben gerufen wurde, um die humanitären Folgen der Uno-Sanktionen abzumildern. Der Sicherheitsrat genehmigte die Ölverkäufe stets für einen Zeitraum von sechs Monaten, das letzte Mal Anfang dieses Jahres. Die Genehmigung läuft am 3. Juni aus. Bis dahin müssen sich die Amerikaner und die Briten entweder mit den anderen Mitgliedern des Sicherheitsrats über eine neue Regelung einigen oder die alte Regelung bleibt in Kraft.

Ölverkäufe ohne die Zustimmung der Mitglieder des Sicherheitsrats sind also bis auf weiteres illegal, und die rechtlichen Möglichkeiten der Alliierten, daran im Alleingang etwas zu ändern, sind gering, da die Genfer Konvention es Besatzungstruppen verbietet, langfristige Verträge für ein besetztes Land abzuschließen. Die übliche Laufzeit eines Vertrags mit einer Firma, die etwa in die Modernisierung der Förderanlagen eines Ölfelds investieren möchte, liegt aber bei mindestens zehn Jahren.

Auch in anderen Bereichen des Wiederaufbaus geht ohne die Vereinten Nationen erst einmal recht wenig. Vor einigen Tagen sagte James Wolfensohn, der Präsident der Weltbank, in der Washington Post, seine Behörde könne ohne eine Uno-Resolution, die die Legitimität einer neuen irakischen Regierung anerkenne, schon aus völkerrechtlichen Gründen nicht einmal ein Expertenteam nach Bagdad schicken.

Paul Wolfowitz, der amerikanische Vizeverteidigungsminister, hat zwar angekündigt, dass er von Frankreich, Deutschland und Russland einen groß angelegten Schuldenerlass für den Irak erwarte. Doch es ist kaum zu erwarten, dass die französische, die deutsche und die russische Regierung dem nachkommen werden, ohne Gegenleistungen zu fordern.

So einfach es theoretisch für die Mitglieder des Sicherheitsrats ist, Einfluss auf die Gestaltung der irakischen Nachkriegswirtschaft zu nehmen, so schwierig dürfte es jedoch werden, wenn es konkret wird. »Vom ersten Tag an muss es eine effektive Administration geben«, sagt Paul Wolfowitz, »die Menschen brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente, die Kanalisation und die Elektrizität müssen funktionieren. Das liegt in der Verantwortung der Koalition.« Wo die Infrastruktur zerstört ist, kann tatsächlich schlecht auf den Ausgang endloser Debatten gewartet werden.

Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass Jay Garner auf die endgültigen Regelungen durch die Vereinten Nationen warten wird. Und die Gelder, die in den kommenden Wochen und Monaten verteilt werden, kommen ohnehin nicht aus dem Irak. Sie kommen aus dem Pentagon und von der Entwicklungshilfeagentur USAID, die dem Außenministerium unterstellt ist.

Diese beiden Behörden wiederum haben nur eine beschränkte Anzahl von Firmen überhaupt zugelassen, um sich für die lukrativen Wiederaufbau-Aufträge zu bewerben, aus Zeit- und Sicherheitsgründen, heißt es in der offiziellen Begründung. Einige demokratische Abgeordnete im Kongress befürchten jedoch, dass diese Beschränkung vor allem bezwecke, Firmen zu bevorzugen, die dem rechten Flügel der Republikaner nahe stehen. Um ihre Befürchtungen zu belegen, präsentierten sie in der vergangenen Woche den Vertrag, den das Pentagon mit Kellog Brown & Root abgeschlossen hat: Er sei ganz ohne Ausschreibung unterzeichnet worden, belaufe sich auf sieben Milliarden Dollar und garantiere der Firma sieben Prozent Gewinn.

Über deren genaue Aufgabe gibt es unterschiedliche Angaben. Die US-Armee behauptet, die Firma sei beauftragt, brennende Ölquellen zu löschen, das Ölindustriefachblatt Platt’s Oilram News schreibt, Ingenieure des Unternehmens würden darüber hinaus dafür sorgen, dass sich in den Ölfeldern kein Druck ansammle, der unter Umständen die Ölförderanlagen beschädigen könnte.

Kellog Brown & Root ist Teil des Baukonzerns Halliburton, einer Firma, bei der Dick Cheney im Vorstand saß, bevor er amerikanischer Vizepräsident wurde. Cheney bekam eine Abfindung in Höhe von 30 Millionen Dollar. Ein anderer Baukonzern, dem gute Chancen auf milliardenschwere Aufträge eingeräumt werden, ist Bechtel. Dort sitzen Ronald Reagans ehemaliger Verteidigungsminister Caspar Weinberger und der Ex-Außenminister George Shultz im Vorstand.

Die Aufträge, die die Agentur für Entwicklungshilfe bisher ausgestellt hat, belaufen sich auf ein vergleichsweise bescheidenes Volumen: Eine Firma bekam 4,8 Millionen Dollar, um den Hafen von Umm Qasr wieder operationsfähig zu machen, eine andere Firma sieben Millionen, um allgemeine Kooperations- und Organisationsarbeiten zu übernehmen.

Die demokratischen Kongressabgeordneten sind nicht die einzigen, die befürchten, die Vergabe von Aufträgen könnten republikanerfreundliche Konzerne unter sich ausmachen. Erst auf massiven Druck der britischen Regierung nahm Jay Garner eine britische Beraterin in sein Team auf. Von einer spanischen, australischen oder polnischen Beteiligung an der OHAR ist jedoch nichts bekannt.