Knoppers aus Mainz

Guido Knopp schon wieder: nach den Deutschen unter Hitler und Honecker nun unter der Stalinallee. Eine Filmdoku zum 17. Juni 1953. von jan freitag

Wissensindustrie, Leitkultur, Dokutainment. Drei Begriffe, ein Name: Guido Knopp. Nur wenige Vertreter der hiesigen Medienlandschaft haben den deutschen Weg aus der geistig-moralischen Wende über die neue Mitte ins nationale Selbstbewusstsein nachdrücklicher geebnet als der Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte. In mehr als 50 Länder verkauft der promovierte Historiker seine Dokumentarfilme. Nur »Derrick« hat noch mehr Staatsgrenzen überschritten als die Mehrteiler des »TV-Geschichtslehrers der Nation« (Frankfurter Rundschau). Dabei erklärt sich das deutsche Interesse an Knopp leichter als das – sagen wir mal – in Burkina Faso, wo unlängst die Filmreihe »Hitlers Kinder« lief.

Kaum ein wunder Punkt deutscher Befindlichkeit, den Knopp, in den Siebzigern Redakteur bei FAZ und Welt am Sonntag, nicht verarztet hätte. Hitler rauf und Hitler runter. Hitlers Bilanz, Helfer, Krieger, Kinder, Frauen, Stalingrad. Hitler – das frühe Elend (»Die große Flucht«), Hitler – die Spätfolgen (»Deutschlandspiel«) und – jetzt ganz frisch auf Guidos Fernsehtheke – die mittelfristigen Wehen nach Hitler. Am 3. Juni zeigt das ZDF »Der Aufstand«, eine Art Resümee deutscher Zweistaatlichkeit mit Schwerpunkt auf den Ereignissen des 17. Juni 1953.

Knopp setzt auf Kontinuität. Wenn ein linientreuer FDJler seine aufbegehrende Genossin mit kruppstahlhartem Ton und Sturmführergestik zur Denunziation animiert, erinnert das optisch und akustisch an die Umgangsformen bei der Hitlerjugend; wenn eine Menge aufrechter Arbeiter die Freilassung Gefangener fordert, bewachen Knastwärter im Stile Schwarzer Garden das Tor. Knopps Lieblingsthema spiegelt sich also auch in »Der Aufstand«.

Der Wahrheitsgehalt von Dokudramen beruht nicht zuletzt auf der Auswahl des verwendeten Bildmaterials. Zeitzeugen sind die größten Trümpfe in Knopps Geschichtsstunden. Rund 150 wurden auf beiden Seiten »einvernommen«, wie sich der fernsehpreisverwöhnte Guido Knopp ausdrückt, über 50 von ihnen wurden bei ihren Aussagen gefilmt. Zu Wort kommen Ottonormalaufständische, Russen wie Valentin Falin, Westler wie Egon Bahr. Aber natürlich keine Frauen – diese sieht man höchstens als Quotenbarrikadenkämpferinnen oder als Staffage.

Man müsse »eine Schneise durch den Dschungel schlagen«, entschuldigt Knopp den Zwang zu Auswahl und Verkürzung. Dass die Revoltierenden im Rest der DDR gern alle Strophen des Deutschlandliedes gesungen haben, fällt da durch den Rost. Ebenso, wie die Reaktionen im Westteil Berlins außerhalb der Rias-Redaktion.

Genau dieser Zwang führte auch in den früheren Filmchen Knopps zu Verknappungen, die selbst der FAZ oder der Berliner Morgenpost zu gravierend waren. »Wohl im September 1941 fiel Hitlers Entscheidung, alle Juden in Europa zu ermorden«, lautete Knopps Ursachenforschungsansatz für schlichte Gemüter in seiner Serie »Holokaust«. Und der Kommentar in der TV-Schlacht »Stalingrad« beteuerte, »das Leid der Menschen ist auf beiden Seiten gleich«.

An Spotttiteln sind der Bundesverdienstkreuzträger und die von ihm 1984 gegründete Redaktion im Zweiten fürwahr nicht arm. »ZDF-Kriegsguru«, »Megalomane« und »Klippschule vom Lerchenberg« stellen nur eine kleine Auswahl dar. »Anti-Goldhagen« ginge vielleicht auch noch. Er selbst behauptet, mit solchen Titeln leben zu können, wenn man dennoch »Geschichte aus dem Ghetto des Spätabendprogramms ins Hauptabendprogramm holt und dort hält«. Er bezeichnet derlei Häme als »Gesetz der Medien« und nennt sich selbst forsch »Liberalkonservativer mit starker sozialer Komponente«. In den Farben schwarz-rot-gold, fügt er hinzu und lächelt sein unschuldigstes Guido-Lächeln.

Guido Knopp ins rechtsextreme Spektrum zu drängen, ist fast unmöglich. Zu professionell begegnet der Journalistikdozent und Medienmacher der Kritik, zu versiert ist sein Auftreten. Fast wie ein Filmstar wurde er bejubelt, als »Der Aufstand« vor geladenen Gästen in Hamburg seine Uraufführung feierte. Selbst die Hauptdarsteller Jürgen Vogel, Steffanie Stappenbeck und Florian Martens, die mit ihren Schauspielerkollegen drei Viertel des 105 Minuten langen Films ausfüllen, ernteten weniger Applaus.

Knopp, der Unantastbare. Zwei Millionen Euro, gut zwei Jahre Zeit, rund 1 000 Komparsen und eine hochkarätige Besetzungsliste standen dem Produzenten Ulrich Lenze zur Verfügung, der mit Regisseur Hans-Christoph Blumenberg schon Knopps Version der Wiedervereinigung (»Deutschlandspiel«) ins Bild setzte. 9 000 Euro durfte eine Minute Archivmaterial aus allen Ecken der Welt schon mal kosten, habilitierte Experten wie Ian Kershaw oder Eberhard Jäckel assistieren wissenschaftlich. Archivmaterial verschnitten mit Zeitzeugenaussagen, Drama-Passagen und sonoren Kommentaren aus dem Off lassen eine absolut prime-time-taugliche Melange entstehen. Nur in der Kombination derartiger Stilmittel, so Knopp, lässt sich Geschichte »breiten Schichten vermitteln«.

Die erhalten dann gleich noch eine ordnungspolitische Lehrstunde. Denn die Revoluzzer des 17. Juni gingen laut Knopp heim, als die Panzer rollten. »Viele der Arbeiter waren noch im Krieg«, erzählt er. »Die Randale auf dem Potsdamer Platz haben vor allem Jugendliche gemacht.«

»Der Aufstand«. ZDF, 3. Juni, 20.15 Uhr