Boys Best Friends

P Diddy, 50 Cent und Ja Rule stellen ihre Brillanten aus, und Prince Paul ist der last man standing der Stunde. von alex bohn
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Eine hochkarätige, geldwerte Fäule hat das HipHop-Geschäft befallen. Sie hört auf zwei eingängige Silben: Bling Bling. Die Zeit der Vorwärts-Denker-Reime scheint vorbei. Was zählt, ist, was man zahlt – für die multipel karätigen Brillanten, die möglichst viele Quadratzentimeter der eigenen Haut zieren sollten. Jede »Raus-aus-dem-Ghetto«-Schubkraft wird spätestens nach einer Handvoll Chartplatzierungen mit hochwertem Besitztum sediert: Ein Bentley-Fuhrpark hier, eine paar Malibu-Villen da. »Ich habe, also bin ich.«

Nehmen wir Ja Rule: Kürzlich trat der Rapper zu Werbezwecken für sein ganz uneitel betiteltes aktuelles Album »The Last Temptation« für Interviews an: Ja, platziert in einem weichen Sessel, ist einsilbig; nuschelig preist er die Großartigkeit des aktuellen Produkts und lobt dessen reißenden Absatz. Schließlich fragt ihn die Redakteurin HipHop-Slang-Vokabeln ab. »G-Stack, was ist das?« – »Ich zeige dir, was G-Stack ist«, sagt er und fummelt aus seinen Taschen ein zusammengeklammertes Bündel aus 100-Dollar-Noten hervor. »Das ist G-Stack. Sollte man immer dabeihaben. Man kann nicht ohne sein!«

Auch 50 Cent, der in jedem aktuellen Videoclip dicke Klunker ins Bild hält, trägt seinen Teil zum maroden Bild des amerikanischen HipHop bei. Der erfolgreiche Protegé des Ausnahmekünstlers Eminem veröffentlicht aktuell eine DVD, auf der er in einem Interview sagt: »Ich ließ mir diese Schnecke aufs Zimmer kommen, scheiße, war die hübsch. Ich dachte: So muss das Leben aussehen, ich bin ein gottverdammter Rap-Star. Sie war allerdings nicht die allerhellste: Das Klügste, was aus ihrem Mund kam, war mein Schwanz.«

Wie bemerkte Uma Thurman so treffend in »Pulp Fiction«: »Das ist ein bisschen mehr Info, als ich eigentlich brauchte.«

HipHop-Bizness 2003, das steht allzu oft für sinnentleerten Vollschwachsinn gepaart mit geldschwangerem Geprasse. P Diddy schraubt sein Bad-Boy-Imperium in immer neue, abstruse Höhen (demnächst ein Bad-Boy-Auto) und verschenkt derweil, was im Eigenheim keinen Platz mehr findet: Bentleys (demnächst an J Lo und Ben Affleck) und Brillies (Kelly Osbourne). Selbst Pharell Williams, der vormals bescheidene Prima-Produzent, hat seit kurzem Brillantstecker am Ohr baumeln.

(An dieser Stelle sei gesagt, dass es wenig verwunderlich ist, wenn der dumpfeste der deutschen Reimer, DJ Tommekk, mit der aktuellen Single »Gangstaville« und der eingängigen Zeile »Tu mir den Gefallen und bleib Gangsta, mach genau das, was du denkst, ja« seit Wochen auf heavy rotation läuft.)

ShitHop regiert.

Die Welt wäre eine schlechte, wenn es nicht mindestens einen gäbe, der für das Gute steht und kämpft. Nasir Jones aka Nas versucht, die Ghettokids der Welt mit der Hymne »I Can« ( I know I can/ Be what I wanna be / If I work hard at it /I’ll be where I wanna be) zu anderen Karriereoptionen als der des Gangstas zu motivieren. Wu Tang Clan-Chef RZA kehrt für eines seiner 277 Projekte dem US-Biz gleich ganz den Rücken und fasst in »The World According To RZA« die Möglichkeiten internationaler HipHop-Kollaborationen zusammen.

Paul Huston schließlich, der sich der stumpfen Devise »Ich habe, also bin ich« nie angeschlossen hat, redet Tacheles. Paul Huston ist Prince Paul, einer, der HipHop zwar nicht erfunden, aber entscheidend mitgestaltet hat. Jahrgang 1967, brooklynstämmiger New Yorker. Er ist es, der das unglaubliche De La Soul-Album »Three Feet High And Rising« (1989) produziert hat. Das Album, das dank Pauls freizügigen Mischs aus Funk und griffiger Melodik auch eingeschworenen Pop-Fans den Zugang zum HipHop ermöglichte. Er gründete, mit Wu Tang-Mastermind RZA (damals: Prince Rakim) 1994 die Gravediggaz und das findige Genre Horrocore. Doch schon dem Album »Six Feet Deep« hallt der Ruf nach, es sei bloß ein Gimmick. Was Paul an kommerziellem Erfolg hatte, investierte er nicht in dicke Autos und feiste Stadtvillen, sondern er legte sein Geld auf die hohe Kante. Ein smarter Zug, denn Paul sicherte sich die Unabhängigkeit, die ihm bis heute seine Existenz als »Mentor, Realität und Bewahrer des HipHop« ermöglicht.

In seiner Rolle als scharfsinniger Humorist legte Prince Paul stets lupenreine Werke vor, die sowohl kulturell den Geist der Zeit trafen als auch in Sachen Skills und Thrills weit vorne waren. Sein Markenzeichen ist die unermüdliche Suche nach new style speak in Kombination mit cut and paste-Sampledelica. Jedes seiner Alben ist durchzogen von Skits, sketchartigen Interludes, die die Tracks aneinander binden. Und den Regeln des Biz treu, kommt das Who is Who seiner Buddies zu Wort: Chris Rock und Dave Chapelle treten wieder und wieder als Kommödianten auf, Kool Keith, De La Soul, Everlast, Xzibit Eric Sermon und unzählige andere leihen dem Großmeister das Wort. Sowohl das Solodebüt »Psychoanalysis (What Is It)« als auch das 2000er-Album »Prince of Thieves« werden seitens der Kritiker begeistert aufgenommen. Was ausbleibt, ist der kommerzielle Erfolg. Was Pauls Arbeit fehlt, so das mittlerweile bankrotte Label Tommy Boy, ist Single-Material. Tragisch, aber wahr: Der Prinz fühlt dem Zeitgeist auf den Zahn, handelt Themen wie Date Rape (»Psychoanalysis (What Is It)«), die Lahmheit cooler Attitüden, die nicht durch Inhalte unterfüttert werden (»Handsome Boy Modelling School«), Schönheitskult und Bizness-Blödsinn (»Prince of Thieves«) mit Bravour ab – doch marktwirksam einschlagen können seine Reime nicht. In den vergangenen Jahren trug Paul den mageren kommerziellen Erfolg mit Gleichmut. Doch jetzt kommt er rum, um sich zu beschweren.

»Politics Of The Business« heißt das aktuelle Album, und Paul selber formuliert den Tenor so: »Im Grunde geht es heute nur darum, wer heiß und angesagt ist. Es sollte um Talent und Perspektive gehen, aber tatsächlich interessiert sich die Masse für unkreativen, flachen Mist. (…) Die Leute erwarten von mir nicht, dass ich etwas Trendiges mache, und sie erwarten auch nicht, dass ich etwas mache, was normal und gefällig ist.«

Und so bekommen die Leute Recht und Unrecht zugleich. »Politics of The Business« ist gefälliger als alles, was Paul an Soloprojekten je veröffentlicht hat. Single-Material? Hell, yeah! »Make Room » bspw. mit dem unglaublich catchy Refrain der bezaubernden Molly Gee. »Drama Queen«, »Chryme Pays« featuring The Beatnuts und Tony Touch, »My Life«, »What I Need«. »Politics Of The Business« klingt durchweg zugängig und at ease.

Manch einer, der gar den Vergleich zu Standardproduktionen der Neptunes bemüht. Ein wenig eckiger und weniger blingy zurechtgefeilt ist es schon. Aber melodiös beyond. Inhaltlich dagegen hadert Paul mit denen, die im Geschäft erfolgreich sind, ohne eigenständiges Talent aufzuweisen. Die durch Befolgen einer einfachen, ausgelatschten Formel Charterfolge feiern dürfen. Es ist zum Lachen und Weinen, wenn in »The Driveby« ein prototypisches Drive-by Shooting zu einem Lamento des Shooters über die eigene Unfähigkeit, part of the game zu sein, gerät : »I had the dreads, I had the threads, I had the locks, I had the Gucci, I had the fade, I had the Hammer pants … I don’t understand, what I gotta do to get in the game, man!?«

Paul macht klar, dass er die tricks of the trade nun versteht und zu nutzen weiß, er wendet das Bizness gegen es selbst. Frei nach dem Motto: Gib ihnen die Verpackung, die sie verstehen, und vielleicht schneiden ein paar der smarteren Kopfnicker den Inhalt mit. Gut, dass man sich auf diesen Mann verlassen kann: One for the tits and one for the boodie, come on Prince Paul and do your duty!

Prince Paul: Politics Of The Business. (Antidote/Sanctuary)

Nas: I Can (Sony)

Ja Rule: The Last Temptation (Def Jam/Universal)

50 Cent: New Breed (via Canada)

RZA/ The World According To RZA (Virgin)