Meuterei im Luxushotel

Der Putschversuch auf den Philippinen konnte schnell niedergeschlagen werden. Doch die rebellierenden Soldaten haben einflussreiche Unterstützer. von dorothy guerrero, manila

Es seien nur wenige Soldaten, über deren Verbleib die Regierung nichts wisse, erklärte Armeesprecher Rodolfo Garcia am Freitag der vergangenen Woche. Die Armeekommandanten hätten Versammlungen einberufen, um »jenen Offizieren Vernunft einzuhämmern, die darüber nachdenken, sich den Leuten von Oakwood anzuschließen«.

Am Wochenende zuvor hatten rebellierende Soldaten das Oakwood Premier Hotel, Apartmentgebäude und ein Einkaufszentrum in Makati City, einem Geschäftsviertel der Hauptstadt Manila, besetzt. Die meuternden Truppen waren schnell eingekreist, und nach 20 Stunden ergaben sich 321 Soldaten der Übermacht loyaler Armeeeinheiten. Doch der Putschversuch war offenbar keine isolierte Aktion. Und in den Tagen nach der spektakulären Revolte meldeten die philippinischen Medien nicht autorisierte Truppenbewegungen.

»Wir haben bereits die Samen gesät«, sagte der Marineoffizier Antonio Trillanes, der als Führer der Militärrebellion auftrat, »hoffentlich haben wir andere inspiriert.« Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo behauptete zwar, die Lage sei unter Kontrolle, räumte aber ein: »Es ist wahr, dass die Verschwörung noch lange nicht vorbei ist.«

Seit dem Sturz der Marcos-Diktatur 1986 gab es bereits mehrere Putschversuche. Auch dieses Mal agierten junge und charismatische Offiziere der unteren Ränge als Sprecher, sie wollten das ökonomische Zentrum des Landes erschüttern, um eine maximale öffentliche Wirkung zu erreichen. Nach Angaben der Behörden gehörte auch die Ermordung der Präsidentin zu ihren Plänen. Die Führer der Rebellengruppe werden nun vom Justizministerium wegen des Staatsstreichs angeklagt.

Dieses Mal waren die Putschisten versierter im Umgang mit den Medien als ihre Vorgänger. Alle Zeitungen zeigten am Montag der vergangenen Woche Bilder der Rebellenführer bei einer gut besuchten Pressekonferenz. Als Militärabzeichen trugen sie statt der Flagge der Republik eine rote Fahne mit den Insignien, die von den philippinischen Revolutionären im Krieg gegen die spanischen Kolonialisten benutzt wurden.

Dass die rebellierenden Soldaten Beschwerden vorbrachten, die von den meisten Filipinos als legitim betrachtet werden, macht die Lage für die Regierung nicht einfacher. Die Putschisten beklagten nicht nur die Diskrepanz zwischen ihren ärmlichen Lebensbedingungen und dem luxuriösen Lebensstil der hohen Offiziere. Sie nutzten die Medien, um den Rücktritt der Präsidentin zu fordern, und unterstellten der Regierung den Plan, im August das Kriegsrecht zu erklären, um die Amtszeit Macapagal-Arroyos zu verlängern.

Aufsehen erregten vor allem ihre brisanten Anschuldigungen. Sie machten Verteidigungsminister Angelo Reyes und den Geheimdienstchef, Brigadegeneral Victor Corpus, für einen Bombenanschlag in Davao, einer Hafenstadt der Insel Mindanao, verantwortlich und behaupteten, hohe Offiziere verkauften Waffen und Munition an die muslimischen Rebellen der Moro Islamic Liberation Front und der Abu Sayyaf-Gruppe sowie an die kommunistische New People’s Army (NPA). Auf diese Weise solle der Guerillakrieg verlängert und die US-Regierung überzeugt werden, den Philippinen eine höhere Militärhilfe auszuzahlen.

Die Erklärungen der meisten politischen Gruppen und sozialen Bewegungen der philippinischen Gesellschaft erkennen an, dass die Beschwerden der rebellierenden Soldaten legitim sind, lehnten jedoch die Anwendung militärischer Gewalt ab. Selbst Jaime Sin, der populäre und einflussreiche Kardinal Manilas, sprach über die Notwendigkeit einer Armeereform, um die wuchernde Korruption im Offizierskorps zu bekämpfen.

Viele Kritiker der Regierung sehen sich in ihrer Ablehnung der militärischen Zusammenarbeit mit den USA bestätigt. Die Militärhilfe der USA und die gemeinsamen Manöver von philippinischen und US-Soldaten werden mit der Notwendigkeit begründet, das Land vor dem Zugriff terroristischer Netzwerke zu schützen. Doch in Mindanao ist die »Freundschaft« zwischen korrupten Beamten und muslimischen Rebellen ein offenes Geheimnis. Schon lange besteht der Verdacht, dass hohe Offiziere die Friedensverhandlungen mit den muslimischen Rebellengruppen sabotieren, um den Krieg zu verlängern. Kurz bevor die Gespräche wieder aufgenommen werden sollten, explodierte die Bombe in Davao. Sollte eine Untersuchung die Vorwürfe bestätigen, könnte die Regierung ihre Politik der »Terrorbekämpfung« kaum noch rechtfertigen.

Einen ersten politischen Erfolg konnte der Putschversuch mit dem Rücktritt von Brigadegeneral Corpus verbuchen, den Macapagal-Arroyo am Donnerstag der vergangenen Woche akzeptierte. Doch ein beträchtlicher Teil der Organisationen der Zivilgesellschaft, der Medien und der Intellektuellen haben Sympathien für Corpus, weil er in Interviews oft Ansichten äußerte, die denen der NGO ähneln. Als junger Armeeoberst hatte sich Corpus in den siebziger Jahren der kommunistischen NPA angeschlossen, nicht ohne zuvor noch ein Waffenlager der Armee zu überfallen. Er wurde unter Marcos inhaftiert und dann wieder in die Armee aufgenommen, als Präsidentin Corazon Aquino 1987 eine Amnestie für alle politischen Gefangenen erließ.

Dass er sich 2001 mit General Reyes verbündete, nachdem dieser seine Unterstützung für Macapagal-Arroyo erklärt hatte, trug maßgeblich zur Entscheidung des Militärs bei, Präsident Joseph Estrada 2001 die Unterstützung zu entziehen. Ohne diese Entscheidung wäre der Sturz Estradas durch die People Power 2-Bewegung (Jungle World, 6/01) nicht möglich gewesen. Die neue Präsidentin Macapagal-Arroyo entließ Estradas Generalstabschef Panfilo Lacson und ernannte Reyes zu seinem Nachfolger.

Die ersten Ergebnisse der Ermittlungen weisen nun auf eine mögliche Rolle Estradas, seiner Helfer und Lacsons bei dem Putschversuch hin, der ohne externe Finanziers nicht möglich gewesen wäre. Schätzungen über die Kosten der Rebellenoperation belaufen sich auf 600 000 Euro, einige Offiziere wurden vor dem Putsch für 115 Dollar pro Tag im Oakwood Hotel untergebracht, und die Soldaten verfügten über moderne Kommunikationsmittel, die nicht Teil der Militärausrüstung sind. Die Rebellen erklärten auch ihre Bewunderung für Senator Gregorio Honasan, einen ehemaligen Oberst, der 1987 und 1989 Putschversuche gegen Aquino führte. Er gehört zu den Senatoren, die loyal zu Estrada blieben. Derzeit hält er sich vesteckt.

Mehr als ein Jahrzehnt angeblicher Reformen haben nichts daran geändert, dass politisches Abenteurertum und die Bereitschaft, Gesetze und Verfassungsregeln zu brechen, unter den 113 000 Armeeangehörigen noch immer verbreitet sind. Die Kriegsrechtstradition der Marcos-Diktatur ist nicht gebrochen, ein messianischer Komplex verführt junge Offiziere zu der Idee, sie hätten das Recht, ihre Anliegen mit militärischer Gewalt vorzubringen.

Putschbereite Offiziere können auf die Unterstützung einflussreicher Politiker zählen, die Fraktion Estradas verfügt über ausreichende finanzielle Mittel, um weitere Krisen auszulösen. In der Bevölkerung verbreitet sich Enttäuschung über die Politik Macapagal-Arroyos, die Armut im Land wächst weiter. Manche Filipinos romantisieren den Putschversuch, und die Regierung scheint nicht mehr in der Lage zu sein, Unterstützer zu mobilisieren. Es ist schlimm genug, dass weiterhin ein Putsch zu befürchten sei, kommentierte Toots Ople in der Manila Times, »doch die Apathie auf dem Höhepunkt der Rebellion am Sonntag ist ebenso beängstigend«.