Gegen diese Streiks!

Die Studierenden sind zwar nicht unpolitisch, aber auch nicht links. von nadine fischer und bernd huber

Kaum rührt sich etwas im Lande, wittern Bewegungsfetischisten die Chance, ihre politische Bedeutungslosigkeit zu überwinden. Solange die reale oder imaginierte »Bewegung« emanzipatorische Ziele verfolgt, ist das an sich kein Drama, sondern schlimmstenfalls Zeitverschwendung. Im Fall der protestierenden Studenten im Jahre 2003 bewegt sich aber alles in die falsche Richtung. Emanzipatorische Inhalte sind bei den Protesten trotz der verzweifelten Bemühungen einiger linker Asten und Hochschulgruppen nicht einmal im Ansatz zu erkennen.

Dass linke Asten in ihrem eigenen Interesse einen Schmusekurs mit den protestierenden Studenten fahren müssen, ist verständlich. Allzu schnell würden anderenfalls die wenigen linken Strukturen, die noch verteidigt werden konnten, in Gefahr geraten. Wenn linke Hochschulgruppen Flugblätter schreiben, um der perfekt organisierten Inhaltslosigkeit der »Studentensprecher« und »Studentenführer« etwas entgegenzuhalten, mag das noch Rührung hervorrufen. Wer aber erwartet, damit den herrschenden Konsens ernsthaft in Frage zu stellen, ist entweder dumm oder bei Linksruck.

Anlässlich der für den 13. Dezember geplanten Studentendemonstrationen in verschiedenen deutschen Städten solidarisieren linke Studentengruppen sich mit den »vom Sozialabbau der Agenda 2010 und anderen Konzepten betroffenen Personengruppen und Protestierenden«. Das bewirkt aber nicht die erhoffte Radikalisierung und Öffnung der Prosteste für andere Themen, sondern hoffentlich deren schnelles Ende.

Progressive Forderungen wie die Demokratisierung der Hochschulen, mehr Mitbestimmung, Frauenförderung und die Öffnung der Universitäten für bildungsferne Bevölkerungsteile werden nicht mehr nur gegen die deutsche Bildungspolitik in Anschlag gebracht, sondern auch gegen die standortnationale studentische Mehrheit.

Die Studierenden sind sich durchaus bewusst, wofür sie protestieren. Nicht zufällig wendet die Mehrheit sich gegen eine »Politisierung« und gegen radikale Forderungen wie ein generelles Studiengebührenverbot. Es handelt sich eben nicht um eine unpolitische Masse, die nur der Führung durch eine linke Avantgarde bedarf. Der Traum vieler Linker ist in Erfüllung gegangen: eine klassenbewusste Studierendenschaft. Dumm nur, dass es die falsche Klasse ist.

Der Motor der Proteste ist der Kampf um die individuelle und nationale Stellung im Wettbewerb. In großer Einigkeit wird die Bedrohung des Bildungsstandortes und der eigenen Zukunft bejammert. Nationales und privates Interesse fallen zusammen. Die deutschen Studenten des Mittelstands wollen nicht auf der Strecke bleiben. Sie veranstalten nächtliche Vorlesungsreihen, um denen da draußen zu zeigen: Wir sind bereit zu lernen, wir sind keine faulen Langzeitstudenten, wir sind so leistungsbereit, dass wir sogar nach einer ganzen Nacht der Vorlesungen um sechs Uhr früh noch etwas über »innovative Unternehmensnetzwerke in Japan« lernen wollen.

Die Hauptargumentation der Studierenden läuft auf eine Optimierung ihrer eigenen Ausbeutung im Kapitalismus hinaus. Sie fordern mehr Kapital, um ihre Verwertbarkeit zu steigern. Studiengebühren werden befürwortet, solange sie Ausländern, Senioren oder so genannten Bummelstudenten abverlangt werden. Der bayerische Wissenschaftsminister, Hans Zehetmair (CSU), sagte, Studiengebühren sollten der Mitbestimmung der Studierenden dienen. Einen Wunsch nach Mitbestimmung bei der Organisation ihrer Verwertung haben die meisten Studierenden aber gar nicht. Voller Stolz wird darauf verwiesen, dass die Geldanlage »Student« mehr Rendite abwirft als Aktien oder Schatzbriefe. Frohen Herzens wird die Sortierung nach der Verwertbarkeit bejaht.

An den deutschen Universitäten gibt es vieles auszusetzen. Dass dort nicht genug für den Standort getan werde, jedoch nicht. Die Proteste gegen die Kürzungen im Bereich der Bildung sind der beste Beweis dafür, dass das System seine Aufgabe der Reproduktion der herrschenden Klasse bestens erfüllt.

In Deutschland kämpfen die Studenten für den Standort und für ihre Zukunft auf der herrschenden Seite des Systems. Für die Linken bleibt nur, die wenigen Nischen an den Unis zu verteidigen, diese »Bewegung«, wo es möglich ist, zu bekämpfen, den Politisierungsprozess einzelner zu unterstützen und ansonsten bei dem herrschenden Scheißwetter lieber ein gutes Buch gegen das herrschende Scheißsystem zu lesen, anstatt sich bei den Demonstrationen des Klassenfeindes eine Erkältung zu holen.