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Islamistischer Wettbewerb

Israel/palästinensische Gebiete. Der Austausch von Gefangenen mit der libanesischen Hizbollah (siehe Seite 17) sei eine »Lizenz zum Entführen«, kritisierte Yoel Marcus in der Tageszeitung Ha’aretz. Viele Israelis fürchten, der Deal werde Nachfolgetäter ermutigen. Die Hizbollah hat weitere Entführungen angekündigt, und der Hamas-Führer Sheikh Ahmed Yassin erklärte, allein wegen der großen Vorsicht der israelischen Soldaten habe man noch keinen von ihnen gefangen nehmen können. Die palästinensischen Organisationen würden jedoch »keine Mühe scheuen, israelische Soldaten zu entführen, wie sie es in der Vergangenheit versucht haben«.

Anders als der Hizbollah ist es den palästinensischen Gruppen nie gelungen, die Freilassung von Gefangenen zu erreichen. Islamisten und Nationalisten müssen befürchten, durch den erfolgreichen Coup der ebenso israelfeindlichen, aber geschickter agierenden Hizbollah an street credibility zu verlieren. So war es möglicherweise kein Zufall, dass exakt am Tag des Gefangenenaustauschs der schwerste Terroranschlag seit sechs Monaten stattfand. Die Hamas übernahm die Verantwortung für das Selbstmordattentat, bei dem in Jerusalem elf Menschen starben.

Lasst 100 Blumen blühen

Afghanistan. Jahr für Jahr verschönert die Blütenpracht der Papaver somniferum die karge afghanische Bergwelt. Und wenn es nach dem deutschen Verteidigungsminister Peter Struck geht, soll das auch so bleiben. Zumindest die Bundeswehr will er nicht zur Vernichtung der auch als Schlafmohn bekannten Pflanze einsetzen. Man sei nur für den »zivilen Aufbau« in der Region Kunduz zuständig, erklärte Struck am Freitag bei einem Besuch in Afghanistan.

Der »zivile Aufbau« allerdings wird von Warlords hintertrieben, die ihre Milizen nicht zuletzt durch den Verkauf des aus dem Schlafmohn gewonnenen Opiums finanzieren. Die Rekordernte des letzten Jahres brachte nach UN-Schätzungen 2,3 Milliarden Dollar ein. Das ist immerhin die Hälfte des Bruttosozialprodukts, und die spärlich fließende internationale Hilfe kann diese Einkommensquelle nicht ersetzen. Da ein rigoroses Drogenbekämpfungsprogramm sowohl die Warlords als auch die Bauern gegen die Regierung und die internationalen Interventionstruppen aufbringen würde, lässt man die Blumen lieber blühen.

Lockruf des Marktes

Taiwan/China. Warum sich mit Kleinstaaten abgeben, wenn nebenan noch viel bessere Geschäfte zu machen sind? Das mag sich Frankreichs Präsident Jacques Chirac gedacht haben, als er beim Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao die Politik Taiwans als »unverantwortlich« und als eine »Gefahr für die ganze Welt« bezeichnete. Taiwan widersetzt sich den Forderungen Pekings nach einem Anschluss an China, die Regierung reagierte auf Chiracs Äußerungen mit einem vorübergehenden Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Ju Hintao dagegen belohnte sie umgehend mit dem Kauf von 21 Airbus-Flugzeugen.

In den frühen neunziger Jahren war das damals von einer antikommunistischen Diktatur geführte Taiwan einer der wichtigsten Waffenkunden Frankreichs. Mittlerweile ist das Land zu einer bürgerlichen Demokratie geworden, und zu den für Frankreich unerfreulichen Folgen dieser Entwicklung gehört die Aufdeckung korrupter Praktiken. Beim Verkauf von Fregatten waren umgerechnet 800 Millionen Euro Schmiergeld geflossen. Diese Summe möchte Taiwan nun zurückhaben, und ein am Mittwoch der vergangenen Woche veröffentlichter Bericht französischer Ermittler geht davon aus, dass der französische Staat haftbar gemacht werden kann.

Der Präsident bleibt stur

Dominikanische Republik. »Alle verfassungsmäßigen Mittel« wollte die Regierung gegen den Generalstreik einsetzen. Schließlich waren es dann doch Polizisten und Soldaten, die zum Teil mit Kriegswaffen gegen den Ausstand vorgingen. Acht Menschen wurden getötet, nach Informationen der Nationalen Koordination für Einheit und Kampf wurden mindestens 100 Personen verletzt und rund 500 verhaftet. Der zweitägige Generalstreik legte Mitte der vergangenen Woche das öffentliche Leben nahezu lahm. Geschäfte und Schulen blieben geschlossen, der Verkehr kam zum Erliegen, weil wichtige Verkehrsadern mit brennenden Reifenbarrikaden versperrt waren.

Der Streik richtet sich gegen die Wirtschaftspolitik des sozialdemokratischen Staatspräsidenten Hipólito Mejía, die das Karibikland seit gut einem Jahr beutelt. Lapidar erklärte Mejía, er werde den Forderungen nicht nachgeben. Das Streikkomitee, das noch in der Nacht zum Freitag weitere Protestaktionen ankündigte, fordert unter anderem die Reduzierung der Lebensmittel-, Medikamenten- und Benzinpreise sowie eine Lohnerhöhung von 100 Prozent.

Unwillige Verkäufer

Südafrika. Auch vorsichtige Reformen sorgen bei den weißen Großgrundbesitzern für Entsetzen. Umgehend beklagte sich die Transvaal Agricultural Union über »die Eile der Regierung, Land zu enteignen und die ethnische Säuberung voranzutreiben«, nachdem Präsident Thabo Mbeki am Mittwoch der vergangenen Woche das Landrestitutionsgesetz unterzeichnet hatte. Allerdings bezieht sich das Gesetz nur auf Ländereien, von denen Schwarze zuvor gewaltsam vertrieben worden waren, und eine Enteignung gegen Entschädigung ist nur für Fälle vorgesehen, in denen die Besitzer nicht über einen Verkauf verhandeln wollen.

Diese Renitenz ist aber bei den weißen Farmern nicht selten. Weniger als drei Prozent des Ackerlandes konnten nach dem bisher gültigen Prinzip »williger Käufer, williger Verkäufer« an schwarze Bauern übertragen werden. Da im Frühjahr gewählt wird und viele Südafrikaner enttäuscht sind über die Politik des regierenden ANC, will Mbeki nun wenigstens in diesem Bereich eine Umverteilung durchsetzen.