Viva Zapatero

Neue Runde im Hegemoniekonflikt von carlos kunze

»Was in Spanien passierte, war eine Revolution europäischer Bürger«, sagt Miguel Angel Moratinos, der Anwärter auf den Außenministerposten in der neuen Psoe-Regierung José Luis Rodríguez Zapateros, im Interview mit dem Spiegel. »Es war eine friedliche, konstruktive Revolution, stellvertretend für den europäischen Bürger.«

Das hat er schön gesagt. Aber schließlich muss er ja auch diejenigen an sich binden, die die spanische Rechte aus der Regierung gewählt haben. Und da schmiert man ihnen gerne Honig ums Maul, den zornigen Revolutionären an der Wahlurne. Moratinos muss den elf Millionen etwas bieten, die nach dem 11. März demonstrierten, und vor allem den 150 000, die am 20. März auf den Straßen gegen den Irakkrieg unterwegs waren und aus denen die spanische Sozialdemokratie ihre neuen Anhänger rekrutieren will.

Ihnen allen bietet Moratinos das Neueste auf dem spektakulären Markt: eine Revolution. Schade nur, dass es eine rein außenpolitische »Revolution« ist. Denn niemand hörte bislang beunruhigende Neuigkeiten aus Spanien, betreffend die Abschaffung der Arbeit, der Warenproduktion, gar des Staates.

Aber eine rein außenpolitische Pseudorevolution dürfte dieser Klientel - »stellvertretend für den europäischen Bürger« - auch angemessen sein. Und Moratinos weiß sie zu bedienen.

Die europäischen Bürger nämlich, sagt Moratinos, waren nach dem 11. September 2001 »zum Fatalismus verurteilt. Man hat sie in einen illegalen Krieg hineingetrieben, die Uno wurde ausgeschaltet, Europa gespalten, es wurden ihnen Lügen aufgetischt.« Wer dafür verantwortlich war, das muss man nicht aussprechen, das versteht jeder auch so: Bush und seine Bush-Krieger. Schließlich hat der Irakkrieg »das Problem des internationalen Terrorismus komplizierter gemacht«.

Das muss man nicht so sehen. Die Kurden im Nordirak z.B. sehen das ganz anders. Man könnte auch argumentieren, dass er das »Problem des internationalen Terrorismus« einfacher gemacht hat, weil der Irak die Jihadisten anzieht. Konzentrieren sie sich dort, kann man sie möglicherweise leichter bekämpfen. Oder hat Moratinos eine Lösung des »Terroristenproblems« nach Art der spanischen Sozialisten im Sinn? Mit parastaatlichen Todessschwadronen wie den Gal, die in den achtziger Jahren Jagd auf die völkischen Etarras machten?

Nein, darum geht es ihm nicht. Ein »wesentlicher Teil des Kampfes gegen den Terrorismus« wird vielmehr für die neue spanische Regierung »die Lösung der Nahostfrage sein«, des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Sie muss nach Moratinos Ansicht auch »ein Hauptanliegen für die EU sein«.

Da hat er sich was vorgenommen. Die »Lösung« des Konflikts scheint in weiter Ferne. Aber die Kontur einer europäischen Politik, die mit den USA in eine weitere Runde im Kampf um die Hegemonie im Nahen Osten zieht, zeichnet sich ab: Palästina zuerst und eine »Führungsrolle« der Vereinten Nationen – das Gegenprojekt zu den US-Plänen – im Irak. »Sollte die Uno nicht den gesamten Prozess bestimmen, dann sind wir unnachgiebig und holen am 30. Juni unsere Truppen aus dem Irak zurück«, sagt Moratinos. Bis dahin aber sind die spanischen Truppen im Irak ein Faustpfand für Verhandlungen. Schließlich geht es um ein »selbstbewusstes« Verhältnis des spanischen Staates zu den USA.