»Ich bin gar nicht so wild«

Hans Söllner ist ein Gesamtkunstwerk, das kifft, singt und gerne querschlägt. Nun gibt es einen Dokumentarfilm über ihn. Mit hans söllner sprach dieter oßwald

Seit über 20 Jahren ist Hans Söllner im Musikgeschäft. Der bekennende Rasta aus Bad Reichenhall liegt im Dauerstreit mit der bayrischen Obrigkeit. Sei es, weil sich der Innenminister höchstpersönlich von ihm beleidigt sieht oder weil seine öffentlich vorgetragene Vorliebe für Cannabis die Staatsanwälte provoziert.

Wie groß war Ihr Einfluss auf den Film?

Ich habe mich da überhaupt nicht eingemischt, sondern den Regisseur Andy Stiglmayr einfach machen lassen. Schließlich ist das seine Arbeit und nicht meine. Ob er mich nun schlecht oder gut präsentieren würde, lag allein in seinem Ermessen. Meine einzige Angst war, dass ich nur als blöder Kiffer dargestellt werden würde. Aber weil Andy wohl schon ein bisschen Fan von mir ist, waren diese Bedenken nicht allzu groß.

Hatten Sie keine Bedenken, dass Ihre Fans sagen würden: »Jetzt verkauft sich der Hans?«

Das glaube ich weniger. In meiner jetzigen Situation hilft so ein Film, damit die Leute merken, dass ich nicht einer bin, der nur Querulant sein will, sondern dass es mir um die Legalisierung von leichten Drogen geht. Ich hoffe, dass auch dieser Verfolgungswahn der Behörden deutlich wird: Wegen Beleidigung habe ich schon 75 000 Mark Strafe bekommen, hinzu kommen mittlerweile weitere 30 000 Euro. Und die Staatsanwaltschaft geht erneut in Berufung. Das erweckt schon den Eindruck, dass hier eine Existenz zerstört werden soll.

Dachten Sie noch nie daran, auszuwandern aus dem Freistaat?

Doch schon. Aber ich gehöre einfach hierher, hier ist meine Heimat. Hier sind meine Kinder, meine Familie, meine Freunde. Wo sollte ich auch hingehen? Nach Österreich? Wenn, dann müsste man weit weg. Aber weit weg mag ich nicht. Ich fahre ja schon ungern 20 Kilometer von Reichenhall weg. Und ich bin einfach gerne ein Bayer.

Was ist das Beste an Bayern?

Mir gefällt es, wenn die Leute sich sehr in ihre eigene, kleine Welt reingrooven können und dabei auch ein anderes und intensiveres Verhältnis zur Weite bekommen, das eben nicht irgendwo in einer Zentrale festgelegt wird. Was allerdings auch engstirnig, kleinkariert und erdrückend sein kann, das ist einfach zwiespältig. Mir gefällt an Bayern das Land, mir gefallen die Leute und die Sprache. Ich rede gern in dieser Sprache. Zum Teil ist die sehr ordinär und beleidigend – aber manchmal eben auch ganz lieb. Dieses Heimatgefühl kann man nicht richtig erklären!

Glauben Sie, Karl Valentin fände den Söllner lustig?

Ich glaube, der Valentin würde sich gut mit mir verstehen (lacht).

Sie sind schon über 20 Jahre im Geschäft. Vergleichbare Acts wie Ton, Steine, Scherben sind längst vom Zeitgeist verweht. Ihre Fans scheinen ständig nachzuwachsen. Was ist das Geheimnis des Hans Söllner?

Mein Geheimnis ist einfach, dass ich jung geblieben bin im Kopf. Dass ich nie vergessen habe, welche Probleme ich selbst als Jugendlicher hatte. Ich bin ja heute noch gewissermaßen pubertär. Nicht, dass ich nun mit Spraydosen durch die Gegend laufe. Aber ich kann mitfühlen mit Leuten, die Ärger in der Schule, in der Lehre oder im Elternhaus haben. Die Fans spüren, dass ich auf ihrer Seite bin und zu ihnen halte. Deshalb habe ich mich auch immer bemüht, meine Konzerte im kleinen Rahmen zu halten, um den Bezug zum Publikum zu behalten. Wenn ich beim Chiemsee-Reggae vor 10 000 Leuten auftrete, geht das gar nicht.

Was sagen die braven Dorfbewohner zum linken Rebellen? Gab es nie Beschimpfungen?

Bedrohungen gab es dort nie! Die Leute kennen mich und wissen, dass ich keineswegs ein gefährlicher Linker bin. Die sehen mich ja auch mit meiner Familie. Nur in der Schule sagen manche Lehrer, das wären die Kinder eines Kiffers. Mein Sohn wurde regelrecht vom Gymnasium gemobbt, weil einige Eltern Angst hatten, er würde Drogen einschleppen. Deshalb wollte ich auch nicht, dass meine Kinder im Film auftreten.

Man nennt Sie gern die »wilde Sau von Reichenhall« …

Ich wäre froh, wenn dieses Etikett verschwinden würde. Das hat mir irgendwann einmal jemand verpasst, und seitdem verfolgt mich das. Dabei bin ich im Grunde genommen ja gar nicht so wild (lacht). Ich lasse mir nur bestimmte Dinge einfach nicht gefallen. Zu meiner Freiheit und meinem Menschenrecht gehört, dass ich mich frei äußern kann. Und dass ich mit 48 Jahren die Wahl meiner Drogen frei bestimme. Ich habe erst mit 26 angefangen zu rauchen. Ich wusste also, was ich tue. Wenn ich mir ansehe, wie viele betrunkene Jugendliche es gibt, dann sage ich: Das kleinste Übel wäre Hanf. Den 40 000 Toten durch Alkohol stehen 1 000 Tote durch Drogen gegenüber. Wenn es eine Einstiegsdroge gibt, dann doch wohl Nikotin – und das ist überall frei erhältlich.

Was empfiehlt der Zeremonienmeister: Gras oder Krümel?

Ich bin ein totaler Haschisch-Feind und Marihuana-Verfechter. Ich rauche nur Gras. Und auch nie aus dem Bong. Das Ritual des Joint-Bauens gehört für mich einfach dazu.

Sie haben auch Beziehungen zu Jamaika. Kennt man Ihre Musik dort?

Ja freilich. Ich bin dort natürlich kein Star. Aber ich werde durchaus erkannt: »The German Rasta« heißt es dann. Die Leute freuen sich einfach, dass irgendjemand ihre Musik und ihren Glauben da draußen in Babylon verbreitet. Dieser Respekt ist ein total schönes Gefühl.

Gab es nie Momente, wo Sie den unbequemen Widerstand gegen ein komfortableres Leben eintauschen wollten?

Die letzten zwei Jahre habe ich tatsächlich eine ziemliche Krise durchgemacht. Wenn man vier oder fünf Hausdurchsuchungen im Jahr mit acht Polizisten hat, einen ganzen Sommer lang mit Auftrittsverboten traktiert wird, geht das einfach an die Nerven. Dass die am längeren Hebel sitzen, ist mir durchaus bewusst. Aber ich musste das bis zu einem bestimmten Punkt einfach durchhalten, um damit dieses System bloßzustellen: ein System, das einfach nicht nachgeben kann. Und das stur versucht, jemanden kaputtzumachen.

Würden Sie gerne mit Ihrem Erzrivalen Beckstein einmal gemeinsam ein Pfeifchen rauchen?

Ich würde sehr gern mit Beckstein eine Pfeife rauchen. Ich würde warten, bis sie wirkt, und ihm dann sagen, was ich von ihm halte. Denn dann wüsste ich, er würde es verstehen!

»Der bayerische Rebell«, (D 2003), R.: Andy Stiglmayr, Filmstart:15. April