Shoppen bis zum Umfallen

Das Remake von George A. Romeros Zombiefilm-Klassiker »Dawn Of The Dead« ist mehr als bloß eine liebevolle Hommage an das Original. von andreas hartmann

Was als erstes auffällt: Sie sind unheimlich schnell, flink und gelenkig. Seit es Zombie-Filme gibt (der erste ist »White Zombie« aus dem Jahr 1932), wurden die lebenden Toten immer als schlafwandelnde, sich roboterartig bewegende Langsamgeher dargestellt, die es zwar blöderweise auf dein Hirn abgesehen haben, denen du aber eigentlich problemlos eins verpassen kannst.

In Zack Snyders Remake von George A. Romeros Zombieklassiker »Dawn Of The Dead«, dem zweiten Teil seiner Untoten-Trilogie aus dem Jahr 1978, machen die Menschenfleischhungrigen von Anfang an klar, dass mit ihnen auf gar keinen Fall zu spaßen ist und dass sie ungleich ausgeschlafener sind als in anderen Zombiefilmen. Snyder verzichtet auch auf die üblichen Horrorfilmspäßchen, bei denen meist zu Beginn des Films zu einem den Suspense steigernden Score dem Zuschauer das Heranbahnen des Grauens vorgegaukelt werden soll, während in Wahrheit die sich scheinbar auf geheimnisvolle Weise öffnende Haustüre bloß von des Nachbarn Schoßkätzchen aufgestoßen wurde.

Nein, der Nachbar von Krankenschwester Ana Clark (Sarah Polley) hat kein Schmusekätzchen, sondern eine Tochter, die schon nach fünf Minuten Film aus dem Reich der Toten wieder zurückgekehrt ist. Mit unglaublicher Wendigkeit bespringt sie die Gurgel von Anas schlafendem Freund, der daraufhin so geil auf seine Freundin wird wie bestimmt seit Jahren nicht mehr. Er will sie fressen, mit Haut und Haar, und zwar sofort. Ana kann fliehen, draußen ist bereits das Chaos aus- und die bürgerliche Ordnung zusammengebrochen.

Die Untoten fressen die Lebendigen, die Lebendigen versuchen, die Untoten erneut zu töten. Krieg. Letzter Ausweg für Ana, den Police Officer Kenneth (Ving Rhames), den Vertreter Michael (Jake Weber), ein Pärchen, das demnächst sein gemeinsames Kind erwartet, und ein paar Wachschutzbeamte ist eine riesige Shopping Mall, die der letzte Ort zu sein scheint, wo Menschen noch unter sich sein können.

Das mit den rasenden Zombies hat Snyder bestimmt bei Danny Boyles letztjährigem Viren-Zombiefilm »28 Days« abgeschaut, in dem die Infizierten ebenfalls nicht nur schlapp in der Gegend herumtorkeln, sondern beim Kontakt mit dem Virus schlagartig hemmungslos aggressiv werden. In Romeros »Dawn Of The Dead« war es noch sinnvoll, dass die Zombies wie ferngesteuert wirkten, konnte doch so plausibler Romeros Konsumkritik deutlich gemacht werden, indem er hirnlose Freaks mit halb zerschossenen Köpfen durch die endlosen Versprechungen einer amerikanischen Shopping Mall wanken ließ. Das »Dawn Of The Dead«-Remake hat an derart gesellschaftspolitischen Implikationen jedoch kein wirkliches Interesse mehr. Gut, den Wachschutz der Shopping Mall muss man erst überwältigen, damit man sich endlich auch mal völlig ungestört im Kaufhaus bewegen kann, und einmal wird angesichts der Massen von Zombies, die die Shopping Mall belagern, von den letzten wirklich Lebenden die Frage gestellt, was diese gesichtsentstellten Horden hier denn genau suchten, worauf die Vermutung laut wird: »Instinkt? Trieb?« Der ewig konsumgesteuerte Mensch, der eigentlich längst vom Kapitalismus getötet wurde, wird also immerhin in Frage gestellt, aber das war’s dann auch schon. Ansonsten gilt nun: Hauptsache, die leichenblassen Fratzenschneider mit den unschön anzusehenden Hautschürfungen wirken einigermaßen apokalyptisch. Das tun sie aber auch wirklich. Die special effects und Masken, all das, was der Genre-Fan so gern hat, werden der revolutionären Kunst des Originals durchaus gerecht. Bei Romero sorgte für die Tricks der legendäre Tom Savini, dem die Splatterbibel »The Deep Red« bescheinigt, nach »Dawn Of The Dead« zu einem in jedem Haushalt bekannten Namen geworden zu sein. Savini taucht immerhin auch in den Credits des Remakes auf.

Nicht auftauchen tun dort die Namen Jay Leno und Burt Reynolds. Doch zu sehen gibt es von beiden tolle Cameos. Selbst der untote Showmaster und der nicht mehr wirklich lebendige Filmstar wollen Menschenfleisch shoppen gehen, woraufhin beiden, beim »Zombieschießen«, dem Zeitvertreib der Insassen der Shopping Mall, die Rübe abgeknallt wird. Durch derart »liebevolle« Details wird »Dawn Of The Dead« zu einem wirklich gelungenen Remake. Der zynische Witz des Originals bleibt erhalten, und immer wieder werden Romeros Pioniertaten gewürdigt.

Der Satz »Wenn in der Hölle kein Platz ist, kehren die Toten zur Erde zurück«, mit dem der Film beworben wird, fällt bereits im Original, als ein Polizist die Invasion der Untoten zu erklären versucht. Auch die Handkamera, die bereits Romero einsetzte, um »dokumentarische«, grobkörnige Bilder zu erzeugen, kommt immer wieder zum Einsatz. Unschlagbar auch das Intro des Films, in dem Johnny Cashs Song »The Man Comes Around« erklingt, was dem Zuschauer sofort verdeutlicht: das Folgende ist von genau dem bittersüßen Sarkasmus, durch den sich auch schon Cash auszeichnete.

Romeros »Dawn Of The Dead« bescheinigte damals die Village Voice, »der größte Kulturschocker aller Zeiten« zu sein, während der deutsche Filmdienst nichts verstanden hatte. In dessen Rezension wurde dem Film vorgeworfen, sinnlose Gewalt gegen »Unterprivilegierte« zu propagieren, mit denen die Zombies gemeint waren. Für den Filmdienst waren die Zombies also Klassenkämpfer, die sich in der Mall endlich das holen wollten, was ihnen schon immer zustand und wogegen die letzten Repräsentanten der bürgerlichen Ordnung einschritten.

Okay, dann nehmen wir den Filmdienst doch einmal ernst und denken diese Interpretation zu Ende: Ein wirkliches Entkommen gibt es für die Mall-Insassen bei Romero eh nicht. Die »Klassenkämpfer« beherrschen längst die Welt, die Revolution ist international und siegreich, Marx hätte seine helle Freude an diesem Szenario gehabt.

Zu einem wirklich zeitgemäßen Film mit einer anderen, aber ähnlich interessanten Botschaft wird das »Dawn Of The Dead«-Remake nun dadurch, dass es gar keinen Versuch mehr unternimmt, den Ursprung des ganzen Grauens zu erklären. Einmal liegt das bestimmt daran, dass der postmoderne Zombiefilm sich keine Mühe mehr geben muss, Miltär und Umweltverschmutzung für die Wiederkehr der Toten verantwortlich zu machen, wie das im Zombiefilm normalerweise der Fall ist. Derartiges weiß man inzwischen. Doch gerade dadurch, dass »Dawn Of The Dead« überhaupt nicht mehr die handelsüblichen Erklärungsmuster bemüht, wirkt er viel verstörender. Nichts Genaues weiß man nicht.

Wie bei Terroranschlägen können wir uns Ursachen für das Aufkommen der Killerbestien zusammenreimen, wirklich rational erklären können wir jedoch beides nicht.

»Dawn Of The Dead«. Regie: Zack Snyder (USA 2003). Start: 15. April