Haifa Highlife

Jetzt noch mehr Vielfalt

Die Lage ist verworren: Juden, Moslems, Syrisch-Orthodoxe, Armenisch-Orthodoxe, Kopten, Sephardim, Ashkenasi, Russen, Äthiopier, Amerikaner, Beduinen, Philippinen, Nationalreligiöse, Antinationalreligiöse, Antinationalantireligiöse usw. Damit nicht genug, sorgen im Norden Israels geheimnisvolle Baha’i und noch mysteriösere Drusen für zusätzliche Verwirrung. Was aber ist ein Druse? Was denkt er über sich und die Welt? Drückt er auf die Tränendruse? Und wie heißt seine Frau? Ist das die Drüse? Jedenfalls soll in Haifa das Zusammenleben von Jews und Druze und den anderen prima klappen, weshalb wir den Auftrag bekommen: Findet das multikulturelle Haifa!

Doch die Sache ist schwieriger als gedacht. »Hai, where we can find some Druze?« »The Jews? We are the Jews.« So geht es den ganzen Tag, lauter Jews, die sich wundern, dass unser Englisch noch schlechter ist als sonst bei den Germanim üblich. Wir sehen viele schöne Menschen, die in Haifa heiraten, Brautpaare und Brautboutiquen überall, von Drusen jedoch keine Spur.

Auch die Baha’i lassen sich nicht blicken, haben allerdings einen beeindruckenden Tempel gebaut, dessen terrassenförmige, akkurate Gartenanlage von Low-Fa nach High-Fa hinaufsteigt. »Die Baha’i sind sehr reich und sehr versteckt«, sagt unser Taxifahrer. Ist das die Erklärung? Oder ist die Angabe so vertrauenswürdig wie die eines Berliner Taxifahrers zu den dortigen Juden?

Egal. Allmählich ist es auch mal gut mit den Kulturen. Außerdem ist die Stadt bekannt als das »rote Haifa«, mit Hafenarbeitern, Arbeitermilizen, Arbeitergesangsvereinen und dem ganzen Programm, das jüdische Einwanderer, die hier landeten, aus Europa mitbrachten. »Is this still the famous red Haifa?«, fragen wir jemanden am Hafen. »Ulay«, sagt er, »vielleicht«, und wir beschließen, keine Fragen mehr zu stellen.

Plötzlich spricht uns einer auf Türkisch an. »Wir waren mal die Chefs dieser ganzen Gegend, und damals war Ruhe im Karton«, sagt Volkan, ein Matrose, dessen Schiff »Ezo Gelin« im Hafen ankert und dessen schönes Gesicht mit Zeichen des Skorbut ringt. Wir plaudern noch lange über das Osmanische Reich, wohl wissend, dass unser Auftrag erfüllt ist. Denn wo der Türke ist, ist Multikulti.

Vielleicht, denken wir, als wir auf dem Berg Carmel sitzen, die Aussicht auf das abendliche Haifa und eine libanesische (drusische?) Spezialität genießen, vielleicht geht die Geschichte so weiter: Volkan verliebt sich in Mayaan, eine zarte Baha’i. Sie liebt auch ihn, ihr Vater aber, der Oberpriester der Baha’i, will seine Tochter nicht mit einem windigen Habenichts verheiratet wissen. Mayaan flieht und wird von drusischen Räubern gefangen genommen, die bei Dunkelheit in die Stadt reiten und sämtliche Kontrollen unbehelligt passieren, weil selbst die Sicherheitsleute keine Ahnung haben, was ein Druse ist, geschweige denn, wie er zum israelisch-palästinensischen Konflikt steht. Der ist dem Drusen auch egal, aber Geld will er für Mayaan haben. Nun bekommt Volkan Hilfe von den roten Hafenarbeitern, die zuerst die Frau befreien, dann mit dem ganzen religiösen Klimbim aufräumen und am Ende die Kommune von Haifa ausrufen, zu deren symbolischen Sultan Volkan und Mayaan gewählt werden, als Erinnerung an nicht ganz schlechte vergangne und als Zeichen für künftige, noch viel bessre Tage.

heike runge und deniz yücel