Rabbi, Recht und Reise

Orthodoxie und Heiratsrecht

Tami träumte schon als Kind von einer echten israelischen Hochzeit. Im weißen Brautkleid und in Gegenwart von mindestens 400 Gästen wollte sie im Freien unter die Chuppa treten. Als sich die Hochzeitspläne später konkretisierten, hatte es sich ausgeträumt. Ihr Bräutigam Olivier war kein Jude, eine religiöse Zeremonie deshalb unmöglich.

»Trotzdem hätten wir schon gerne in Israel geheiratet«, sagt Tami. »Immerhin hatten wir beschlossen, uns hier niederzulassen.« Man darf sich aber in Israel nur von einem orthodoxen Rabbiner trauen lassen. Der Staat hat das Produkt »Ehe« noch nicht im Angebot, Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden sind unmöglich.

Zwar versprach Tommi Lapids säkulare Shinui-Partei vor den letzten Parlamentswahlen, endlich eine Alternative zur religiösen Zeremonie zu schaffen. Doch schon während der Koalitionsverhandlungen einigte man sich auf die Einrichtung eines Ausschusses. Damit war das Projekt Zivilehe für die nächsten Jahre auf Eis gelegt und das mächtige orthodoxe Rabbinat atmete beruhigt auf.

Doch ausgerechnet aus den Reihen des Rabbinats kam jetzt ein unerwarteter Vorschlag. Der ehemalige sephardische Oberrabbiner Eliahu Bakshi Doron forderte, das Monopol des Rabbinats auf Eheschließungen abzuschaffen. Die Kritik seiner Kollegen ließ nicht lange auf sich warten. Rabbiner Jona Metzger bezeichnete den Vorschlag gar als »Gefahr«, die zur »Zerstörung des jüdischen Volkes« führen könne.

Bakshi Doron zeigte keine Reue. In einem Interview mit der Zeitung Yediot Ahronot erläuterte er seine Forderung: »Israels Ehe- und Scheidungsgesetzgebung ist veraltet und nicht mehr relevant.« Er wies darauf hin, dass heiratswillige Paare, für die eine religiöse Hochzeit nicht möglich ist oder die sich dagegen entscheiden, problemlos übers Wochenende zum Heiraten nach Zypern fliegen können. Im Ausland geschlossene Ehen werden nämlich auch in Israel anstandslos anerkannt.

Tami und Olivier haben schließlich in Frankreich geheiratet, dem Herkunftsland des Bräutigams. »Es war schön«, erzählt Tami und klingt doch enttäuscht. »Dass ich in meinem Heimatland nicht heiraten konnte, werde ich den Religiösen nie verzeihen.«

Solche verbitterten Reaktionen dürfte Bakshi Doron meinen, wenn er warnt, die jetzige Gesetzgebung richte Schaden an und fördere den Hass auf das Rabbinat. Tamis Schwester Noga wird im September heiraten. Auch sie hat ihren Traum von der Chuppa aufgegeben. Freiwillig. Aus Solidarität mit ihrer Schwester wird sie mit ihrem zukünftigen Mann eine Europareise machen und verheiratet zurückkehren. »Verweigerung ist die einzige mögliche Form des Protests«, erklärt die junge Frau resolut. Sie will sich gegen den Zwang wehren, mit dem »die Religiösen allen ihren Willen und ihr Weltbild aufzwingen wollen.«

»Wir sollten nicht Ehen von Paaren zwangsheiligen, denen nichts daran liegt und die die Bedeutung einer religiösen Hochzeit nicht begreifen«, sagte Bakshi Doron der Zeitung Ha’aretz. Die Begründung von Noa und Amir, die in Tel Aviv ganz klassisch unter die Chuppa treten, dürfte ihn nicht glücklich machen: »Ob mit Rabbi oder ohne war uns egal. Aber ein Flug wäre teurer geworden als der Rabbi. Darum machen wir es hier.«

michael borgstede