Warten auf den Knall

Debatte um Kündigungsschutz von alexander wriedt

Ein kleines Feuerchen, muss sich Friedrich Merz (CDU) gedacht haben, kann doch nicht verboten sein. Und wenn es sich zum Großbrand ausbreitet, umso besser: Was wäre es für ein schöner Anblick, wenn meterhohe Flammen den Sozialstaat abfackelten wie die sommerlichen Feuerstürme die Wälder Südfrankreichs?

Vielleicht »können wir eines Tages ganz auf den besonderen Kündigungsschutz verzichten«, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Denn: »Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann rutschen wir wirklich ab in schwere soziale Verwerfungen.« Der »junge Wilde« Christian Wulff (CDU) stimmte ein: »Es ist doch so, dass das so heilig gesprochene Kündigungsschutzrecht im Kern nur noch der Beschäftigung der Arbeitsgerichte und der Anwälte dient«, sagte der niedersächsische Ministerpräsident. Ebenso hätte Wulff fordern können, das Strafgesetzbuch abzuschaffen, weil seine Anwendung ja nur der Beschäftigung von Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern dient.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) ergriff die seltene Gelegenheit, um sich als Bewahrer des Sozialstaates zu profilieren. »Es wird mit uns keine Veränderungen geben«, sagte er.

Selbst vielen in der Union ging der Vorschlag zu weit. Doch die Gruppe um Merz gewinnt an Einfluss. Schrittweise versucht sie, ihre Partei an die Radikalkonzepte zu gewöhnen, die die sozialstaatlichen Regulierungen möglichst weit zurückdrängen sollen. Gemeinsam mit einer neoliberalen FDP, so das offensichtliche Kalkül, ist die Gruppe der Thatcher-Sympathisanten nach einer gewonnenen Bundestagswahl 2006 stark genug, um dem »freien Spiel der Kräfte« Geltung zu verschaffen. Der Kündigungsschutz ist da natürlich im Weg, denn er ist das zentrale Schutzrecht der Arbeiter. Wer beschwert sich noch beim Betriebsrat über pöbelnde Vorgesetzte, Sicherheitsmängel am Arbeitsplatz oder unbezahlte Überstunden, wenn eine Kündigung ohne Angabe von Gründen möglich ist?

Das Argument, ein lockerer Kündigungsschutz schaffe Arbeitsplätze, ist ohnehin falsch: »Ob der Kündigungsschutz streng oder lasch ist – das wirkt sich nicht auf die Beschäftigung aus«, sagt etwa Holger Bonin vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit, das kürzlich 50 000 Betriebe mit weniger als 30 Mitarbeitern untersucht hat. Unternehmer können bereits jetzt einen neuen Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen für zwei Jahre befristet einstellen. Dies gilt sogar für besonders geschützte Personengruppen wie Schwerbehinderte und Schwangere. Die Einstellung kann auch sachlich begrenzt werden. Wenn etwa ein Großauftrag abgearbeitet ist, erlischt das Beschäftigungsverhältnis – ohne Kündigung und ohne Abfindung. Schließlich kann ein Unternehmer bei einem Mangel an Aufträgen frei bestimmen, ob er eine Abteilung schließt, Kurzarbeit einführt oder sein Personal reduziert. »Ich behaupte, dass eine echte betriebsbedingte Kündigung, die ein Arbeitgeber durchsetzen will, immer möglich ist«, sagt Thomas Dietrich, ehemaliger Präsident des Bundesarbeitsgerichts.

Und die Gewerkschaften? Spätestens seit sie den Kampf für eine 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metallindustrie verloren haben, zittert vor Peters, Sommer, Bsirske und Co. niemand mehr. »Gesellschaftliche Gegenwehr, dass es knallt«, hat Sommer versprochen. Auf den Knall warten seine Anhänger vergeblich. Oder haben sie ihn einfach nicht gehört?