Ganz der Alte

Chávez und Perón von andrés pérez gonzáles

Was nützen ein Fidel Castro in Kuba, ein Lula in Brasilien, ein Kirchner in Argentinien oder ein Chávez in Venezuela, wenn die politische Partizipation der Bevölkerung auf den Wahlakt beschränkt bleibt? Ginge es darum, hätte die Schweiz ein weit »revolutionäreres« Profil. Die genannten Beispiele, insbesondere die so genannte bolivarianische Revolution, scheinen dagegen eher der satirischen Maxime zu folgen, dass »alles sich ändern muss, damit alles so bleibt, wie es ist«.

Tage vor dem Referendum in Venezuela hob die Financial Times hervor, dass ein Sieg von Chávez den Weg für millionenschwere Investitionen aus dem Ausland in den Gas- und Erdölbereich frei machen würde. Die antiimperialistische und antikapitalistische Rhetorik des venezolanischen Amtsträgers hat die ausländischen Investoren keinesfalls verschreckt.

Gleichzeitig hat das militaristische Auftreten von Chávez eine schizophrene Verzauberung der desorientierten Linken in aller Welt bewirkt. So haben Intellektuelle und Künstler wie Noam Chomsky, Eduardo Galeano, Chico Buarque oder Manu Chao vor den Wahlen ein Dokument unterzeichnet mit dem verwegenen Titel: »Wenn ich Venezolaner wäre, würde ich Chávez wählen.«

Doch ganz offensichtlich erinnert Chávez an die alten populistischen Caudillos Lateinamerikas. »Der Chávez von heute hat große Ähnlichkeit mit Perón. Beide sind populistische Staatschefs militärischer Herkunft, denen als Basis für den politischen und sozialen Aufstieg die ärmsten und am meisten benachteiligten Schichten der Bevölkerung dienen. Bei Peróns waren es die ›cabecitas negras‹ (»schwarze Köpfchen«, Indios und Migranten aus Chile, Paraguay und Bolivia), heute können es die ›zambos y mulatos‹ (Indios und Mulatten) sein, die Chávez folgen«, sagt Rosendo Fraga, Direktor des Centro Nueva Mayoría in Buenos Aires der Jungle World. »Beide stellten für die traditionelle Führungsschicht der politischen Parteien, der privaten Medien und des Unternehmertums eine Herausforderung dar. Wie Perón hat Chávez kein gutes Verhältnis zum hohen Klerus, und die Unterstützung der Armee hat sich für ihn in Zeiten der politischen Krise als sehr wichtig erwiesen. Schließlich nutzt Chávez, ähnlich wie Perón, den Antagonismus zu den USA, um sich als Hoffnungsträger des lateinamerikanischen Nationalismus zu profilieren.«

Trotz alledem folgt die internationale Linke bereitwillig neuen Leaders, die letztlich die Herrschaftsstrukturen im Namen einer »Revolution« am Leben halten. In einem von Tariq Alí nach dem Referendum für die britische Zeitschrift The Independent geführten Interview sagte Chávez: »Ich glaube nicht an die dogmatischen Grundsätze der marxistischen Revolution. Ich glaube nicht, dass wir in einer Zeit proletarischer Revolutionen leben, die Wirklichkeit beweist uns das jeden Tag. Aber wenn mir jemand sagt, dass in dieser Situation nichts für die Armen zu tun ist, dann antworte ich: An diesem Punkt trennen sich unsere Wege. Ich werde nie akzeptieren, dass keine Umverteilung des Reichtums innerhalb der Gesellschaft möglich sein soll… Es geht darum, unsere Revolution zu machen, in den Kampf zu gehen, uns ein wenig in die richtige Richtung zu bewegen, und sei es nur um einen Millimeter, anstatt nur zu träumen.«

Umverteilung, millimeterkleine Schritte: Folgt man Chávez’ Gedanken, scheinen die nordeuropäischen Länder, die ein sozialdemokratisches Profil haben, »das« revolutionäre Modell schlechthin darzustellen. Doch in Venezuela, wie im restlichen Lateinamerika, hat man vergessen, die Dinge bei ihrem Namen zu nennen.