I’m a Believer
Mit 13 stand ich auf Soft Machine. Absolute Lieblingsgruppe. Dann spielten die einmal live auf Radio Bremen, noch mit Robert Wyatt am Schlagzeug. Die Übertragung dauerte 120 Minuten, es musste eigens ein C-120-Tape angeschafft werden. In der Pause erklärte Robert Wyatt dem Radio-Bremen-Mann: Ein langes, ununterbrochenes Stück sei wie Sex mit dem Publikum. Das hatte mich sehr beeindruckt. Ich versuchte, irgendwie den Sex zu hören, und überlegte, was das Publikum dabei macht, und fand das alles sehr plausibel.
Jahre später sah ich mal irgendwo ein Interview mit John Peel. Oder las es (Medium interessanterweise vergessen: Peel war oral culture). Darin war viel von seiner Förderung der Progressive Rock Music die Rede. All die endlosen Stücke, die er gespielt habe, das Medium Radio bis an die Grenze belastet, wahnsinnig mutig und innovativ. Dann war auch von Soft Machine die Rede, das Doppelabum »Third« mit seinen vier je eine Seite langen Stücken lief viel bei ihm und wäre wohl nie so einflussreich geworden, wenn er nicht etc. … Irgendwann sagte Peel dann, dass er die Soft Machine nur deswegen immer ganz ausgespielt habe, weil er in der Zeit mit seiner Frau ficken gegangen sei. In irgendeiner Radio-One-Toilette. Dank dem LP-Format!
Was für Orgien könnten Moderatorinnen mit ihren Partnern heute mit »The Penultimate Galactic Bordello« von Acid Mothers Temple feiern: vier CDs à eine Stunde. Aber wir leben in anderen Zeiten.
Später hat Robert Wyatt dann mit seiner auf das zerbrechlichste hochgepitchten Stimme in einer John Peel Session »I’m a Believer« gesungen. Das war ein weiter Weg vom Sex mit dem Publikum in das Studio des Mannes, der den Sex und das Publikum nur genutzt hatte für richtigen Sex mit seiner Frau, um an dem Ort dann das Letzte an tödlich einsamer Verlorenheit aus einer großen verklemmten Teenager-Hymne von Neil Diamond oder den Monkees herauszuholen. Eigentlich klang es so, als habe Peel Wyatt genau diese Geschichte gerade erzählt.
diedrich diederichsen