Schön braun, Frau Antje!

Die Rechtsextremen in den Niederlanden versuchen nach dem Mord an Theo van Gogh, die Stimmung für sich zu nutzen. von udo van lengen

Rechtsextreme waren in den Niederlanden bislang isoliert, auch Konservative und Rechtsliberale distanzierten sich oder schwiegen das Phänomen einfach tot. Nach dem Mord an Pim Fortuyn im Jahr 2002 veränderte sich das, und nach dem Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh verstärkt sich diese Entwicklung. Willem Hart, ein Mitarbeiter der antifaschistischen Recherchegruppe Kafka aus Amsterdam, meint: »Die extreme Rechte der Niederlande ist dabei, ihre jahrzehntelange politische Isolation zu durchbrechen.«

Nach dem Tod Fortuyns entstanden einige neue Parteien, die eine Scharnierfunktion zwischen dem konservativen und dem rechtsextremen Lager übernehmen könnten. Eine davon ist Nieuwrechts (NR) von Michiel Smit, einem früheren Politiker der Rechtsliberalen. Er sieht sich als neuen, aber radikaleren Fortuyn. Mit einem nationalistischen und rassistischen Parteiprogramm gelang es Nieuwrechts als erster rechtsextremen Partei seit den achtziger Jahren, einen Sitz in einem Gemeinderat zu erringen. Seit Februar 2003 sitzt Smit im Stadtparlament von Rotterdam.

Mitte November nahm er an einer Podiumsdiskussion in Amsterdam teil, auf der über die Zukunft der Niederlande nach dem Mord an van Gogh diskutiert wurde. Auf dem Podium saßen auch ein Vertreter der Arabisch-Europäischen Liga, der niederländische Publizist Paul Scheffer, verschiedene Islamwissenschaftler und Parlamentsabgeordnete. Für Hart ist das ein Zeichen dafür, dass Rechtsextreme nicht länger isoliert werden: »Früher wurde jemand wie Smit nicht zu einer solchen Debatte eingeladen.«

Ein anderer, der ebenfalls von der neuen Stimmung profitiert, ist Geert Wilders. Er wartet mit Thesen wie der auf, dass Muslime »dem Kern unserer demokratischen Ordnung wesensfremd sind«. Wilders ist wie Smit ein ehemaliger Rechtsliberaler und sitzt als fraktionsloser Abgeordneter im niederländischen Parlament in Den Haag. Er ist im Begriff, eine neue rechte Partei zu gründen. Dieser werden in den Umfragen bereits jetzt sehr gute Chancen vorausgesagt. Demzufolge könnte sie derzeit 25 von 150 Sitzen im Den Haager Parlament erzielen. »Mit wem Wilders diese Sitze tatsächlich besetzen würde, ist unklar«, meint Hart. Berührungsängste habe Wilders nicht, und auch die anderen Parteien gingen auf ihn zu. »Die Sozialdemokraten hätten vor dem Mord an Fortuyn keinen Gedanken daran verschwendet, mit so einem wie Wilders in einer Koalition zusammenzuarbeiten. Zwar glaube ich nicht, dass das tatsächlich klappen würde, aber der Wille zum Gespräch ist da.«

Von der jüngsten Entwicklung profitieren jedoch nicht alle. Die kleinen, extremen Parteien, die Nederlandse Volks Unie (NVU), die Nationale Alliantie (NA) und die Nieuwe Nationale Partij (NNP), haben zusammen allenfalls 500 Mitglieder und beschäftigen sich weiterhin hauptsächlich mit innerparteilichen Streitereien und Eifersüchteleien. Immer wieder beschimpfen sie sich gegenseitig als »Juden«, »Faultiere« oder »übergewichtige Krapfen«. Allerdings sollen von Personen aus ihrer Umgebung im Mai 2002, nach dem Mord an Fortuyn, die rechtsextremen Übergriffe auf linke Projekte und Parteibüros der Socialistischen Partij (SP) in Leiden und Den Haag begangen worden sein. In Leiden griff ein halbes Dutzend Rechtsextreme das Anarchistische Kollektiv Eurodusnie mit Steinen an und rief dabei: »Ihr Linken, ihr sollt brennen!« (Jungle World, 21/02)

Auch die Zahl der straff organisierten niederländischen Neonazis hat sich nicht verändert. Hart meint: »Zehn, vielleicht 20 Leute, mehr Mitglieder haben Blood and Honour (BH) sowie die Racial Volunteer Force (RVF) nicht.« Die wenigen Anhänger seien aber äußerst gefährlich und in der Lage, Anschläge im großen Stil zu verüben.

Jedoch seien Blood and Honour und die Racial Volunteer Force nicht an den zahlreichen Übergriffen auf muslimische Einrichtungen des vergangenen Monats beteiligt gewesen, vermutet Hart. Seit Anfang November greifen offenbar Rechtsextreme die muslimischen Einrichtungen, Moscheen und Schulen in den Niederlanden an. Es kam zu etwa 30 Angriffen, bei denen teilweise rechtsextreme Parolen und Symbole hinterlassen wurden.

Blood and Honour und die Racial Volunteer Force sympathisierten eher mit den Islamisten, meint Hart. Einer ihrer Anführer sei Michael Krick, ein Deutscher, der in Den Bosch wohne. Dieser habe seinerzeit den Mord an Fortuyn befürwortet, sagt Hart, weil Fortuyn ein Homosexueller und Demokrat gewesen sei. Krick sei auch vom Mord an van Gogh begeistert. Dieser sei für ihn ein Jude gewesen.

Schwer vorhersagbar ist, ob Wilders, Smit, Krick oder die zersplitterten rechtsextremen Miniparteien die unorganisierten rechtsextremen Jugendlichen auf ihre Seite ziehen können. Diese bilden momentan die auffälligste und größte Gruppe in der rechtsextremen Szene der Niederlande. Man trifft sie vor allem in den ländlichen Gegenden im Süden und Norden des Landes. Ihr gehören etwa zwei- bis dreitausend Personen an. Sie haben Glatzen und tragen Springerstiefel, kleiden sich gerne mit Lonsdale-Pullovern und Fred-Perry-Shirts und haben eine Schwäche für harte Techno-Musik, für den Gabba-Sound. Willem Hart vermutet, dass sie für einen Großteil der Anschläge auf Moscheen und andere muslimische Einrichtungen verantwortlich sind, die nach dem Mord an Theo van Gogh verübt wurden. »Bis jetzt hat die Polizei nur wenige Täter verhaftet, aber die meisten der Gefassten kommen aus diesen Gruppen«, sagt er.

Die Zeit schlagen die unorganisierten Rechten an Bushaltestellen, in Kneipen oder vor Supermärkten tot. Hart erinnern diese Jugendlichen an die Anfänge der ostdeutschen Skinheadbewegung: »Das sind ganz junge Leute, die sich in der Gruppe stark fühlen und ansonsten schwierig zu packen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass aus Teilen der Lonsdale-Jugendlichen eine rechtsextreme, ideologisch gefestigte und gut organisierte Bewegung entsteht.« Die derzeitige Stimmung sei zumindest dafür geeignet. »Der Mord an Fortuyn war gerade überwunden. Wirtschafts- oder Umweltthemen kehrten zurück auf die Agenda. Seit dem Mord an van Gogh diskutieren alle wieder über Einwanderung und Integration.«