Der letzte große Akt misslang

Im Jahr 2002 versuchte Maxime Brunerie, Jacques Chirac zu erschießen. Nun wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt. von bernhard schmid, paris

Der Herrenmensch entpuppt sich als armes Würstchen: Diesen Eindruck hinterließ der fünftägige Prozess gegen den verhinderten Attentäter Maxime Brunerie, der am vorigen Freitag zu Ende ging. Der ehemalige rechtsextreme Aktivist hatte am 14. Juli 2002, dem französischen Nationalfeiertag, am Rande der Militärparade aus 100 Metern Entfernung auf Präsident Jacques Chirac geschossen, war jedoch schnell durch Umstehende entwaffnet worden. Dabei hatte er versucht, die Waffe gegen sich selbst zu kehren. Am Freitag wurde Brunerie zu zehn Jahren Haft verurteilt.

War Maxime Brunerie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Berufsrichter und Geschworenen sowie die von ihnen berufenen psychiatrischen Experten, und ihre Antwort war: Ja. So konstatierte Daniel Zagury im Namen eines Psychologenteams, man habe bei Brunerie »geradezu ein Lexikon von Komplexen« ausfindig machen können. Doch von Pathologie im klinischen Sinn könne keine Rede sein; Brunerie sei zu Verständnis und Einsicht befähigt. Man finde bei ihm ähnliche Züge wie bei »Mördern großer Persönlichkeiten«, die durch ihre Tat »ihr missratenes Leben in einen letzten großen Akt verwandeln wollten«.

Von einem missratenen Leben kann bei Brunerie tatsächlich die Rede sein. Im Alter von 25 Jahren lebte er nach einem misslungenen Studium im Reihenhaus seiner Eltern im Pariser Umland und schlug sich mit Minijobs durch. Der Vater sagte vor Gericht aus: »In der Familie redeten wir nicht miteinander.« Er will weder von der seit fünf Jahren andauernden Betätigung seines Sohnes in rechtsextremen Gruppen (Jungle World 32/02) noch von seinen psychischen Nöten das Geringste bemerkt haben. Daneben fand Brunerie keinen Anklang beim anderen Geschlecht; die Experten bescheinigten ihm »Jungfräulichkeit«. Zuletzt verliebte er sich in eine Neonazi-Aktivistin, die jedoch nichts davon erfuhr.

Seine Betätigung in rechtsextremen Gruppen, von Skinheadkreisen bis zum pseudorespektablen Mouvement national républicain (Nationalrepublikanische Bewegung, MNR), für das Brunerie zu den Kommunalwahlen von 2001 in Paris kandidierte, hatte auch Gründe, die tief in seiner Person verankert waren. Doch kann Bruneries Entschluss zur Tat nicht auf rein individuelle Ursachen reduziert werden. So hatte er vier bis sechs Wochen vor dem Attentatsversuch begonnen, von seinen Plänen zu reden. Ein MNR-Aktivist, der ehemalige Deutsche Bernard Gujerell, der wegen seines Dienstes in der Fremdenlegion eingebürgert wurde, ließ Brunerie auf seinem Grundstück in der Bourgogne das Schießen üben, obwohl er ihn heute als »durchgeknallt« bezeichnet.

Der Security-Angestellte Cyril Bozonnet, der zusammen mit seiner Ehefrau Mathilde, Parteisekretärin beim MNR, in Bruneries Pläne eingeweiht war und ihnen keinen Glauben schenkte, erklärte vor Gericht, er habe in jenen Wochen »bestimmt 50 Mal gehört: Man muss Chirac umlegen.« Rund zehn Wochen vor diesem 14. Juli hatten die Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Im ersten Wahlgang hatte der rechtsextreme Kandidat Jean-Marie Le Pen ein unerwartet hohes Wahlergebnis erhalten, doch im entscheidenden zweiten Wahlgang wurde er von Amtsinhaber Chirac haushoch geschlagen; zwischen beiden Wahlgängen gab es täglich Demonstrationen gegen Le Pen. Die Aktivisten des MNR, dessen Kandidat Bruno Mégret magere zwei Prozent neben Le Pen erhalten hatte, wurden von dieser Niederlage der extremen Rechten doppelt ernüchtert und frustriert. In diesem Klima, in dem manche illusionäre Hoffnung ihrer Aktivisten platzte, verlor die extreme Rechte die Kontrolle über einzelne Mitglieder. In dieser Periode fasste auch Brunerie seinen Entschluss. Insofern ist seine Tat nicht nur die Folge individueller Probleme. Heute betreut ihn ein rechtsextremes »Hilfskomitee für europäische Gefangene«.