Die Eskalation ist programmiert

Neuer Regierungschef im Kosovo von boris kanzleiter

Einen Vorteil hat die Wahl von Ramush Haradinaj zum neuen Premierminister in Kosovo. Eines ist klar geworden: Der ehemalige UCK-Kommandant nimmt die extremste Position ein, die auf der albanischen Seite zu finden ist. Die Botschaft seiner Wahl durch das neue Parlament in Pristina lautet: Entweder Unabhängigkeit für das Kosovo innerhalb des kommenden Jahres oder eine neue Eskalation des Konfliktes.

Um die Botschaft zu verstehen, lohnt ein Blick auf die bisherige Karriere des 36jährigen neuen Regierungschefs. Haradinaj ist ein Kosovo-Kämpfer der ersten Stunde, und er steht für den radikalsten Teil der albanischen Nationalisten. Nach einer Ausbildung in der französischen Fremdenlegion und Jobs als Türsteher in teuren Discotheken und Clubs in der Schweiz schloss er sich bereits 1994 bewaffneten Gruppen an, um für die Unabhängigkeit der Provinz zu kämpfen. Diese Gruppen waren zu diesem Zeitpunkt eine kleine Minderheit im Kosovo. Haradinaj erwarb sich schnell den Ruf eines unerbittlichen Feldkommandanten. Vor allem die Morde an albanischen Gegnern der UCK, die er befohlen haben soll, trugen zu dieser Aura bei.

Nach dem durch das Bombardement der Nato im Frühjahr 1999 erzwungenen Abzug der serbischen Sicherheitskräfte übernahm er die Kontrolle über seine Geburtsregion um die Stadt Pec und gründete die Partei Zukunftsallianz Kosovos. In Pec hat Haradinaj bis heute seine Hochburg. Es gibt kaum ein Verbrechen, dessen er und seine Gruppe nicht beschuldigt werden. Die Palette reicht von Drogen-, Waffen- und Mädchenhandel bis zu Morden an politischen und geschäftlichen Gegenspielern. Auch terroristische albanische Gruppen, die heute in Südserbien, Mazedonien und Nordkosovo agieren, soll er unterstützen.

Er bestreitet selbstverständlich alles. Er hat die Kampfmontur gegen einen teuren Anzug mit elegantem rotem Schlips vertauscht. Journalisten erklärt er, bei den Anschuldigungen handele es sich lediglich um »Fabrikationen Belgrads«.

Tatsächlich wurden aber sein Bruder Daut Haradinaj und eine Reihe seiner Gefolgsleute bereits 2002 von der internationalen Kfor-Truppe verhaftet und von UN-Gerichten im Kosovo wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Die Verhaftungen wurden damals als Warnung an Ramush interpretiert, dem als Kommandeur die Verantwortung für die Verbrechen zukommt. Auch das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ermittelt gegen ihn. Dass er bislang nicht verhaftet wurde, ist wohl hauptsächlich der Angst der internationalen Verwalter des Kosovo geschuldet, dass dies zu schweren Unruhen führen könnte.

In Belgrad ist man indessen aufgeschreckt. In seltener Einmütigkeit bezeichnen alle relevanten politischen Akteure die Wahl Haradinajs als »Provokation«. Der Kosovo-Koordinator der Regierung, Nebojsa Covic, erklärt, serbische Behörden hätten gegen Haradinaj einen Haftbefehl wegen 108 verschiedener Straftaten ausgestellt. Darunter befinde sich die Vergewaltigung von Minderjährigen und die Exekution serbischer Zivilisten. Mit Haradinaj sei noch nicht einmal ein Dialog über technische Fragen möglich, geschweige denn über die Frage nach dem Status der nach internationalem Recht zu Serbien zählenden Provinz. Covic prophezeit ein »interessantes 2005«. Dass es friedlich wird, darf bezweifelt werden.