Profit ist geil

Die Discountketten Aldi und Lidl liefern sich einen heftigen Konkurrenzkampf. In Deutschland, in Europa und auch in Amerika. von jan freitag

Noch fehlen ein paar Milliarden, aber sie sind ihm auf den Fersen. Wie in den vergangenen Jahren gilt Bill Gates auch noch in diesem als reichster Mensch der Welt. Hätten sich die Gebrüder Albrecht nicht heillos zerstritten, läge ihr Gesamtvermögen nach der Forbes-Rangliste immerhin nur fünf Milliarden Dollar vom Weltranglistenersten entfernt. Das sind in diesen Kreisen Peanuts. Und wenn man dann noch Deutschlands drittgrößten Discountkettenbetreiber, den Schwaben Dieter Schwarz hinzunähme, wäre die Lücke zum Gründer von Microsoft geschlossen.

Doch die Betreiber der drei größten Billigsupermärkte Aldi-Süd, Aldi-Nord und Lidl sind einander alles andere als freundlich gesinnt. In Wirklichkeit kämpfen sie seit langem mit niedrigen Preisen, Lohndumping und rüder Expansionspolitik um die Führungsstellung in der Branche. Und zwar in aller Welt.

Dabei hat es Lidl, der Emporkömmling aus Neckarsulm, dem Aldi-Gespann zumindest jenseits der Landesgrenzen gezeigt. Im internationalen Geschäft liegt Lidl mittlerweile vor Aldi, dem heimischen Marktführer. Annähernd 6 000 Lidl-Filialen betreibt die Unternehmensgruppe Schwarz in 18 Ländern. Aldi bringt es dagegen zwar rund um den Globus auf über 6 500 Geschäfte, mehr als zwei Drittel davon befinden sich jedoch in Deutschland, wo Lidl dem Managermagazin zufolge mit gut 2 500 Läden noch immer ein wenig hinterherhinkt.

Wachstum in Zeiten der Krise: Die Discounter holen das Beste aus der spezifisch deutschen Wirtschaftssituation heraus. Zum einen trieb ihnen in den vergangenen Jahren die schlechte wirtschaftliche Lage scharenweise Kunden zu. Zum anderen profitieren sie vom anhaltenden Exportboom deutscher Produkte und weiten ihr Geschäft konsequent über die Bundesrepublik hinaus aus.

Lidl expandiert derzeit etwa nach Tschechien und Ungarn. Die dortigen Verhältnisse passen dem Konzern gut ins Konzept. Wer keine Betriebsräte oder engagierte Gewerkschafter in seinem Unternehmen haben will, wer niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten durchsetzen will, tut sich in den neuen EU-Ländern im Osten momentan noch leichter als in Deutschland. Aber auch nach Kanada und in die USA will Lidl expandieren, wie das Managermagazin berichtet.

Dort will wiederum Aldi in sechs Jahren seine 1 000. Filiale eröffnen. Bereits heute, knapp 30 Jahre nach Eröffnung des ersten Geschäfts in Iowa, erwirtschaftet Albrecht in seinen fast 700 US-amerikanischen Filialen nach Informationen der Welt geschätzte 4,8 Milliarden Dollar Umsatz jährlich. Auch wenn es in Deutschland noch fünfmal so viel ist, will Aldi es mit den US-amerikanischen Konkurenten aufnehmen und arbeitet sich Schritt für Schritt auf einen Marktanteil von zwei Prozent vor.

Aldi ist in ebenso vielen Ländern aktiv wie Lidl, die Südabteilung vor allem im englischsprachigen Raum bis nach Australien, die nördliche vornehmlich auf dem westeuropäischen Festland. Mit der gigantischen Investitionssumme von 724 Millionen Euro will Aldi-Süd demnächst sogar den britischen Markt erobern. Aus gegenwärtig 279 Filialen sollen in Großbritannien langfristig 1 500 werden, berichtet die Frankfurter Rundschau.

Auch dies ist eine Herausforderung für Lidl. Das Unternehmen eröffnete die ersten Filialen auf den britischen Inseln zwar fünf Jahre später, hat aber inzwischen 330 Läden dort in Betrieb. Erreicht wird dies nicht zuletzt wegen eines fast doppelt so großen Warenangebots.

Seinen Ehrgeiz lässt Aldi davon nicht bremsen. »Wir garantieren hundertprozentig, dass wir niemals ein Land wieder verlassen werden, in dem wir uns niedergelassen haben«, sagte ein Aldi-Sprecher der Deutschen Welle.

So viel Selbstbewusstsein wird sogar dem globalen Marktführer Wal-Mart unheimlich. »Selbstverständlich sehen wir in Aldi einen starken Gegner«, gestand der Sprecher von Wal-Mart, Bill Wertz, Anfang des Jahres nach einem Bericht der Welt am Sonntag ein. Seit dem Jahr 1997 versucht der Konzern erfolglos, Aldi und Lidl in Deutschland zu übertrumpfen. Doch statt der ersehnten Bereinigung des globalen Einzelhandels zugunsten von Wal-Mart, dem größten Unternehmen der Branche überhaupt, holt nun auch noch Tengelmann als dritter deutscher Discounter international kräftig auf.

Gerade in Osteuropa tritt Tengelmann verstärkt auf. Dort steht bereits jetzt jede fünfte von insgesamt knapp 7 400 Filialen der Unternehmensgruppe. Besonders der Billiganbieter Plus wächst mit seinem überschaubaren Angebot zu günstigen Preisen. Zieht man jedoch Unternehmensteile wie den Baumarkt Obi oder die Supermarktkette Kaiser’s ab, bleibt für Tengelmann im Discounterbereich weiter nur ein Rang hinter Aldi und Lidl.

Allein im vorigen Jahr eröffnete Lidl 422 neue Filialen in 18 europäischen Staaten. Mit 20 Milliarden Euro Bruttoumsatz ist Lidl zu einem der größten Anbieter des europäischen Einzelhandels aufgestiegen. Mehr als 70 Prozent aller 85 000 Beschäftigten der Schwarz-Gruppe auf dem Kontinent arbeiten bei Lidl. Der gesamte Konzern nimmt den Platz 25 unter den weltweit größten Unternehmen der Branche ein. Allein im Bundesgebiet sorgen die Lidl-Märkte für ein Drittel des gesamten Nettoumsatzes von rund 30 Milliarden Euro.

Dafür nimmt das Unternehmen einiges in Kauf. Auf neun Milliarden Euro schätzten Experten im Vorjahr die Unternehmensschulden, berichtet das Managermagazin. Ein Grund hierfür scheint die hohe Investitionsfreude des Unternehmens zu sein. Dennoch soll sich nur die Hälfte aller Filialen in Firmenbesitz befiden. Aldi dagegen gilt als schuldenfrei. Aldi-Nord nennt demnach 60 bis 65 Prozent, Aldi-Süd 85 Prozent aller Filialen sein eigen.

Nach einer Anekdote, die das Managermagazin kolportierte, gestand der Leiter von Aldi-Süd, Karl Albrecht, auf einem Treffen von Managern im Jahr 1983 in Berlin ein, seine Lebensmittel unter dem Einstandspreis, in dem Frachtkosten, Verpackungskosten, Zölle etc. enthalten sind, verkauft zu haben, also mit Verlust. Das wolle er künftig unterlassen, versicherte er demnach auf diesem Treffen.

Aber ein damals noch wenig bekannter Mann aus Neckarsulm fasste dies als Herausforderung auf. Sein Name ist Dieter Schwarz, und sein Konzern wächst heute rasant. Im Vorjahr allein um zwölf Prozent, wie die Gesellschaft für Konsumforschung ermittelte. Das schafft Aldi zurzeit nicht. Weder im In- noch im Ausland. Ein bisschen dauert es wohl noch, bis Bill Gates eingeholt wird.