Spanisch denken

Die Eta meldet sich mit zwölf »symbolischen« Anschlägen zurück, und der spanische Staat reagiert mit einer nationalen Kampagne. von gaston kirsche

Frankreich und Spanien bekräftigen den exzellenten Zustand ihrer politischen und polizeilichen Kooperation im Kampf gegen die terroristische Bande Eta«, erklärte Spaniens Innenminister José Antonio Alonso. Frankreichs Innenminister Dominique De Villepin betonte eifrig, beide Länder seien jetzt durch gemeinsame Polizeieinheiten noch besser zum Kampf gegen die Eta gerüstet. Derartige Verlautbarungen beherrschten das Gipfeltreffen beider Länder am Dienstag voriger Woche in Zaragoza. Einen Tag zuvor waren die Feiern zum 25. Jahrestag der postfranquistischen Verfassung der spanischen Monarchie von Meldungen über eine Serie von Bombenanschlägen in sieben spanischen Städten überschattet worden.

Beinahe gleichzeitig explodierten nachmittags am 6. Dezember kleine Sprengsätze in Santillana del Mar am Nordatlantik ebenso wie im 940 Kilometer entfernten Málaga am Mittelmeer. Außerdem in Ávila, León, Valladolid, Alicante und Ciudad Real. Eine Stunde zuvor hatte ein Anrufer im Namen der Eta bei der Tageszeitung des Baskenlandes, Gara, die Explosionen angekündigt und mitgeteilt, wo die Sprengsätze hochgehen würden. Die Angabe für Santillana del Mar war ungenau, so dass die örtliche Polizei an der falschen Straßenecke evakuierte. Als die Bombe im kleinen Holzverschlag der Tourismusinformationsstelle explodierte, gab es deshalb einige Leichtverletzte.

Vier Sprengsätze waren an Plätzen abgelegt, in deren Namen Spanien vorkommt. Alle waren in den Innenstädten deponiert, an viel besuchten Orten: an einer Strandpromenade, in einem Park und in vier Cafés, wo sie in den Toiletten versteckt waren. Die Sprengkraft war gering, zwischen 200 und 300 Gramm Ammoniumnitrat. Wären die Plätze nicht sofort evakuiert worden, hätte es trotzdem etliche Verletzte gegeben.Die Auswahl der Ziele zeigt, dass die Eta der spanischen Zivilbevölkerung droht und einer rein national-baskischen wie militaristischen Strategie folgt. Ein achter Bausatz, der auch einen Zettel mit der Aufschrift »Eta« enthielt, war einen Tag vor den Explosionen in Almería entdeckt worden. Der dortige Bürgermeister von der konservativen PP, Luis Rogelio Rodríguez Comendador, gratulierte aufgeregt der Polizei zum Fund und behauptete: »Dies ist eine ruhige Stadt, die in Frieden leben will, und wir werden es nicht erlauben, dass unsere Harmonie zerstört wird, sei es nun durch die Mörder von der Eta oder einer anderen verbrecherischen Organisation. Sie sollen wissen, dass sie auf dieser Erde nicht willkommen sind.«

Im Kampf gegen die Eta glänzen häufig Provinzpolitiker durch ihren Eifer. So auch der Oppositionsführer der sozialdemokratischen Psoe im Regionalparlament von Madrid, Rafael Simancas. Er warf der Präsidentin der Region Madrid, Esperanza Aguirre (PP), vor, »den Pakt gegen den Terror zu sprengen und der Eta Sauerstoff zuzuführen«. Aguirre hatte sich zuvor echauffiert, wieso die Bundesregierung Anschläge in Madrid zulassen würde und »so wankelmütig im Kampf gegen den Terrorismus sei«. Im Anti-Terror-Pakt hatten sich PP und PSOE auf nationaler Ebene 2001 aber gegenseitig verpflichtet, die Aktionen der Eta nicht parteipolitisch auszunutzen.

Anlass für den Streit zwischen Simanca und Aguirre war es, dass bereits am Freitag, den 3. Dezember, in der Nähe von fünf Tankstellen an einer Hauptausfallstraße Madrids, kleine Sprengsätze detoniert waren. Der darauf folgende Montag, an dem sieben Sprengsätze in sieben Städten gezündet wurden, ist in Spanien der Tag der Verfassung, ein Feiertag. Viele Madrilenen wollten bereits am Freitag ins verlängerte Wochenende fahren. Nach den Explosionen um 18.30 Uhr wurden die Straßen komplett gesperrt, der Verkehr brach total zusammen. Es gab keine Verletzten, ein Tankwart sprach in den spanischen Nachrichten davon, eine Explosion gehört zu haben, die »wie ein großer Böller« klang. Der Sachschaden war verschwindend gering, weil die Sprengsätze im Gebüsch in der Nähe der Tankstellen explodierten. Es handelte sich um etwa jeweils 300 Gramm Ammoniumnitrat: »Sie waren von geringer Sprengkraft und jenen ähnlich, welche die Eta bei früheren Gelegenheiten benutzt hat«, erklärte Alfredo Prada, Innensenator der Region Madrid, in Anspielung auf die Bombenserie im August an der Atlantikküste. (Jungle World 35/04).

Die Eta hat in Folge des terroristischen Massakers von Islamisten vom 11. März in Madrid seit neun Monaten nur kleine, symbolische Bomben gezündet, davon aber drei Serien – und somit ihre Fähigkeit demonstriert, trotz über 200 Festnahmen wegen vermeintlicher Eta-Mitgliedschaft alleine in diesem Jahr weiterhin handlungsfähig zu sein.

Es gibt nur eine spanische Partei, die gegenüber der Eta nicht national argumentiert. Der Vorsitzende der Vereinigten Linken, Gaspar Llamazares, betonte den Unterschied zwischen der Eta und Islamisten: »Die Urheberschaft und der modus operandi dieser Attentate haben nichts mit dem 11. März zu tun und zeigen, dass die Theorien über eine Allianz von Islamisten und der Eta beim Attentat des 11. März nichts als Spekulationen sind.« Llamazares behauptete aber auch, dass die Gruppe die Waffen niederlegen müsste, bevor es zu einem Dialog mit dem der Eta nahe stehenden politischen Spektrum über die Frage der Autonomie des Baskenlandes kommen könnte: »Solange sie mit den Bomben sprechen, gibt es nichts zu bereden. Es kann geredet werden, wenn es keine Pistolen auf oder unter dem Tisch gibt.«

Die Psoe wiederum geriert sich als Regierungspartei auch nationalistisch, etwa mit Statements bei Militärparaden. So sagte Kriegsminister José Bono am Mittwoch voriger Woche: »Der Antiespañolismo in einer Nation, die Spanien ist, ist völlig widersinnig.«

Ministerpräsident Zapatero versicherte am gleichen Tag: »Die Kraft des Spanischen ist enorm«, die regionalen Nationalismen, wie der baskische, »sind Wassertropfen im großen Ozean der spanischen Kultur«. Im Übrigen erklärte er: »Die Kraft unserer Kultur bringt uns an die Seite der großen Länder der Welt, und die Welt wird wachsen, wenn sie mehr in Spanisch denkt.«

Weniger blumig hatte sich der Präsident des spanischen Senats, Javier Rojo, bereits Ende November geäußert. Das Verbot der baskisch-linksnationalen Partei Batasuna sieht er als großen Gewinn: »Wir haben eine Anomalie unseres politischen Systems überwunden, die unmoralisch ist, unsere demokratische Glaubwürdigkeit geschmälert und die sozialen Beziehungen bis ins Extrem pervertiert hat.« Er begrüßte es, dass »diejenigen, die in den Institutionen mit den Zielen der Terroristen sympathisierten, nun aus ausgeschlossen sind«. Joep Permach, letzter gewählter Parteisprecher der verbotenen Batasuna, kommentierte umgehend Rojos Statement: »Es ist offensichtlich, dass der spanische Staat und die Psoe mit einer Strategie der Repression und des Krieges fortfahren.«