Vorstoß von links

Das europäische Parlament billigt ein Papier, das einen Richtungswechsel in der Drogenpolitik fordert. Im Vordergrund soll die Entkriminalisierung des Konsums stehen. von federica matteoni

In Europa werden immer mehr Drogen konsumiert. Die im Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht enthaltenen Daten sagen aus, dass etwa jeder fünfte Erwachsene Erfahrungen mit Drogen gemacht hat. Während sich der Heroinkonsum in den meisten EU-Ländern stabilisiert hat, werden Kokain und Ecstasy immer beliebter. Aus einer Eurobarometer-Studie, die im April und Mai unter 7 600 jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren durchgeführt wurde, geht außerdem hervor, dass es in allen EU-Ländern als »äußerst einfach« gilt, sich illegale Drogen zu beschaffen.

Nach Ansicht des Europäischen Parlaments beweisen diese Daten nur eines, und zwar das Scheitern der repressiven, auf Verboten und Strafen beruhenden Drogenpolitik innerhalb der Union. Drogenlegalisierung steht noch nicht auf der EU-Agenda, aber am vergangenen Wochenende billigte der Europäische Rat ein Empfehlungspapier, welches die Vorstellungen des Parlaments zu einem Neuansatz in der Drogenpolitik enthält und auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Strategie hinweist. Die Richtlinie soll zwischen 2005 und 2012 als Grundlage für zwei Drogenaktionspläne der EU dienen. »Das Dokument will auf EU-Ebene eine Gegentendenz zur gegenwärtigen Strategie im Bereich der Drogenbekämpfung durchsetzen«, erklärte der Europa-Abgeordnete Giusto Catania von der italienischen Rifondazione Comunista, der das Papier in den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten einbrachte.

In dem Papier wird angeregt, dass die nationale Drogenpolitik stärker auf wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beurteilung jeder einzelnen Droge, insbesondere ihrer Gefährlichkeit, zurückgreifen und nicht länger »ideologische Ansätze verfolgen soll«. Ein zentraler Punkt ist dabei die entschlossene Ablehnung der repressiven Politik, die den Drogenkonsum kriminalisiert. Als beispielhaft in Sachen Repression gilt Italien, wo in diesen Tagen ein Gesetzesvorschlag diskutiert wird, der vorsieht, den Konsum von allen Drogen, angefangen mit Cannabis, wieder strafbar zu machen und mit Gefängnisstrafen von sechs bis 20 Jahren zu bedrohen.

Die EU hat sich bislang darauf beschränkt, im Bereich der Drogenpolitik allgemeine Richtlinien zu verabschieden, die nur als »Orientierung« für die einzelnen Mitgliedsstaaten dienen sollten. Diese konzentrierten sich bislang auf die »kriminellen« Aspekte. Im Vordergrund der neuen Strategie sollen in den nächsten Jahren die sozialen Aspekte des Problems stehen: die Gesundheit und der Schutz von Drogenkonsumenten. Das kann durch einheitliche Maßnahmen zur Verringerung der durch Drogenkonsum verursachten Schäden, wie Infektionskrankheiten, Kriminalität, Prostitution, soziale Ausgrenzung erreicht werden.

Erwähnt wird in dem Papier auch der internationale Drogenhandel, und auch hier wünschen sich die EU-Abgeordneten weniger Repression. Sie fordern die EU dazu auf, die Entwicklungshilfe für die drogenproduzierenden Länder wie Afghanistan und Kolumbien in Form nachhaltiger Programme für Alternativanbau zu erhöhen. Gefördert werden soll zugleich auch die Forschung an der therapeutischen Anwendung von Substanzen wie Cannabis und Opiumderivaten.

Trotz aller Begeisterung der europäischen Linken für die unerwartete Billigung handelt es sich bei dem Papier nur um eine Empfehlung. Doch Catania gibt sich hoffnungsvoll: »Das Papier wurde von derselben Mehrheit gebilligt, die vor einigen Wochen mit Erfolg die Barroso-Kommission ablehnte. Insofern glaube ich, dass wir damit eine große Chance haben, die EU-Strategie zu beeinflussen.«