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Alles erreicht

Saul Bellow. Er war einer dieser Schriftsteller, die durch den Erhalt des Nobelpreises in ihrer Kreativität eher gehemmt als beflügelt wurden. 1976 erhielt er den Preis, und alle seine bis heute wirklich wichtigen Bücher waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits geschrieben worden: »Die Abenteuer des Augie March«, »Herzog«, »Mr. Sammlers Planet«. Daran mag es wohl auch liegen, dass Bellow inzwischen gegenüber der andauernden Präsenz anderer amerikanischer Großautoren wie Philip Roth oder John Updike etwas verblasst.

Zwei große Themen tauchen in seinen Büchern immer wieder auf: die Entfremdung des Menschen in der amerikanischen Großstadt und die Auseinandersetzung mit dem Judentum und überhaupt mit Glauben und Sinnfragen.

1915 wurde Bellow in Montréal geboren. 1924 übersiedelte er mit seiner Familie nach Chicago. Seine Mutter wollte eigentlich, dass er Rabbi oder Konzertgeiger werden sollte, doch der Junge begann schon in der Schule mit dem Schreiben. 1944 veröffentlichte er mit »Dangling Man« seinen ersten Roman, der stark vom französischen Existenzialismus geprägt war, vier Jahre später ging er selbst nach Paris. 1953 gelang ihm mit »The Adventures of Augie March« dann sein Durchbruch, und von da an feierte Bellow einen Erfolg nach dem anderen. Er kassierte den Pulitzer-Preis und erreichte auch sonst alles, was man als Schriftsteller überhaupt so erreichen kann. In der vergangenen Woche ist er in Brookline, Massachusetts, im Alter von 89 Jahren gestorben. (aha)

Schlimmer geht’s immer

MTV. Das Musikfernsehen ist ziemlich tot inzwischen, doch es wird noch toter. Ab dem 12. September soll auch noch MTV 2 eingestellt und durch den Kinderkanal und Nickelodeon-Nachfolger Nick ersetzt werden. Puff! – einfach ein Musiksender weniger. Nicht, dass das besonders schlimm wäre, auf MTV 2 kamen schließlich nie auch nur halbwegs sehenswerte Clips. Doch man muss es wohl als Zeichen sehen, dass der Sender ausgerechnet von einem Kinderkanal ersetzt wird, als Beleg dafür, dass die Infantilisierung des Musikfernsehens noch weiter voranschreitet. Für welche Klingeltöne dann auf Nick geworben wird, das wollen wir uns lieber gar nicht ausmalen. (aha)

Schlimmer geht’s nimmer

Gedenk-CD. Nein, wir werden jetzt nicht behaupten, dass die Äußerungen, die der Spitzenschriftsteller Rolf Hochhuth über den Holocaustleuger David Irving vor kurzem in der Jungen Freiheit von sich gab, ein Beleg dafür seien, dass in diesem Land immer hemmungsloser antisemitischer Durchfall von sich gegeben wird. Der Spiegel hatte das getan, woraufhin von Hochhuth ausdrücklich kein Leserbrief in die Spiegel-Redaktion segelte, sondern ein Gedicht, das Hochhuths hehre Absichten und seinen ausgeprägten Antifaschismus belegen sollte. Und wir wollen Hochhuth wirklich nicht auf die Idee bringen, auch an die Jungle World einen seiner Verse zu schicken.

Der Anlass, sich überhaupt noch einmal mit Rolf Hochhuth beschäftigen zu müssen, ist eine CD, die man gut und gerne eines der schlimmsten Kulturprodukte der letzten Jahre nennen kann. Selten wurde einem Schwachsinn in solch konzentrierter Form geboten wie auf »Befreit! Lieder und Texte nach dem 8. Mai«. Man schaut sich die CD an und denkt sich erst mal: Was ist das denn? Man sieht den Ausruf »Befreit!« und darunter »Pace«, gedruckt auf eine Regenbogenflagge, und darunter wiederum die mit Photoshop hineinmontierten Gesichter von Konstantin Wecker, Peter Sodann und Rolf Hochhuth. Man sieht das alles, versucht zu verstehen, und fragt sich weiter: Was ist das denn?

»Befreit!«, der Friedensbewegungs- und Anti-Irak-Kriegs-Slogan »Pace«, »Lieder und Texte nach dem 8. Mai«, der Bänkelsänger für Saddam Hussein, Konstantin Wecker, und der Junge-Freiheit-Spezl Rolf Hochhuth, alles und jeder wird hier zusammengerührt und so eine bizarre Verbindungslinie zwischen dem 8. Mai 1945 und der Friedens- und Anti-Globalisierungsbewegung unserer Tage hergestellt. Sinn ergibt das alles absolut gar keinen, außer für Konstantin Wecker, der im Booklet schreibt: »Wo Krieg um Naturschätze ärmerer Völker zur Normalität wird, findet das Kriegsgeschrei der Nazis vielstimmigen Widerhall.« Wenn wir diesen Satz richtig verstehen, meint Wecker eigentlich: Die Amis sind die Nazis von heute. Oder so.

Über den Inhalt der CD zu berichten, das sparen wir uns. Sie, lieber Leser, können uns dafür dankbar sein. (aha)

Der Prozess III

Michael Jackson. Doppelter Stress für Jacko. Der ehemalige King of Pop muss nicht nur Tag für Tag als Angeklagter im Prozess wegen Kindesmissbrauchs dem Begräbnis seiner eigenen Karriere beiwohnen. Vergangenen Mittwoch war Jackson Trauergast bei der Beerdigung des Staranwalts Johnnie Cochran. Dieser hatte ihn im ersten Missbrauchsprozess 1993 vertreten und eine außergerichtliche Einigung erzielt. Ebenfalls in der ersten Reihe der Trauernden stand der ehemalige Football-Star O.J. Simpson, der Cochran einen Freispruch von der Anklage des Mords an seiner Ehefrau verdankt. Jackson erschien in Begleitung seines derzeitigen Anwalts, Thomas Mesereau.

Michael Jacksons eifrigste Verteidiger, seine Fans, demonstrierten in der vergangenen Woche mehrere Tage zu Hunderten, in unschuldigem Weiß gekleidet, vor dem Gerichtsgebäude im kalifornischen Santa Maria für den Freispruch ihres Idols. Ähnliche Aktionen sind für Mitte April in Oslo und Mitte Mai in Helsinki geplant. Der Kampf um Michael Jacksons Befreiung ist international. (ms)