Rechts, zwö, drei, vier

Jörg Haider hat sich mit seinen Gefolgsleuten von der FPÖ abgespalten und eine neue Partei gegründet. Aus der schwarz-blauen Regierung wird eine schwarz-»orange«. von jutta sommerbauer, wien

Gerade mal eine Woche ist Jörg Haiders FPÖ-Abspaltung »Bündnis Zukunft Österreich« alt und hat schon ihre erste Krise überstanden. Auf Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist eben Verlass. Nachdem er tagelang über den rasanten Zerfall seines Koalitionspartners FPÖ geschwiegen hatte, sicherte er der orangefarbenen Abspaltung zu, mit ihr die Koalition fortzusetzen. Die von der Opposition geforderten Neuwahlen lehnte er ab. Zumindest die österreichische EU-Präsidentschaft, die im ersten Halbjahr 2006 bevorsteht, will er als Kanzler über die Bühne bringen.

Haider, der bereits als Vorsitzender der neuen Partei feststeht, hat mit der Abspaltung von der FPÖ erreicht, was er wollte: Er hat nur noch Getreue um sich. Für seine in den letzten Jahren bereits mehrmals angekündigte Rückkehr in die Bundespolitik hat er schließlich den für ihn angenehmsten Weg gewählt. Innerhalb der FPÖ wäre eine Ausschaltung seiner Gegner weitaus schwerer gewesen, im BZÖ ist dies künftig ganz unkompliziert: Die einfache Mehrheit genügt für einen Parteiausschluss.

Darüber, dass die FPÖ-Führung ihn am Donnerstag voriger Woche aus der Partei ausschloss, zeigte sich der langjährige Parteivorsitzende dann doch erstaunt. Beleidigt kommentierte er: »Man wollte offenbar einen offiziellen Akt der Hinrichtung setzen.« Dabei ist Haider selbst alles andere als zimperlich. Seine Karriere begann mit einem Putsch, als er 1986 den liberalen Parteiflügel entmachtete und zum Parteivorsitzenden wurde. Es folgten die Jahre des Aufstiegs in der Opposition.

Mittels einer rabiat ausländerfeindlichen Agitation und antisemitischer Zwischentöne und im Kampfstil einer Bewegung gegen das »politische Establishment« gelangten Haider und seine Truppe schließlich an die Regierung. Im Februar 2000 wurde die FPÖ Juniorpartnerin der konservativen Regierung von Wolfgang Schüssels Österreichischer Volkspartei. Damit hatte die FPÖ aber auch ihren Höhepunkt erreicht.

Seit ihrem Eintritt in die Regierung befand sich die Partei im ständigen Sturzflug. Haider, der als international zu umstritten galt, um ihn mit einem Regierungsposten zu versehen, erklärte sich fortan zum »einfachen Parteimitglied« und schmollte als Landeshauptmann in Kärnten. Vom südlichsten österreichischen Bundesland aus spielte er die Opposition zu einer Regierung, an der seine eigene Partei beteiligt war. So stürzte er mit seinen Gefolgsleuten im Jahr 2002 mit dem »Putsch von Knittelfeld« die freiheitlichen Minister. Der damaligen FPÖ-Vorsitzenden und Vizekanzlerin, Susanne Riess-Passer, wurde neoliberale Politik und Verrat an der Basis vorgeworfen.

Dieses Mal war es nicht der pragmatische Flügel, der im Weg stand. Ausgerechnet die rechte Fraktion wurde zum neuen Feind erklärt, jene strammen Deutschnationalen, die dank Haider in der FPÖ groß geworden waren und ihn nun von rechts zu überholen drohten. Insbesondere zwischen Heinz-Christian Strache, dem Wiener FPÖ-Obmann, und Haider war in den vergangenen Wochen ein Kampf um den Parteivorsitz ausgebrochen. Auch der »Parteiideologe« Andreas Mölzer, der den Zustand der FPÖ in seinem Wochenblatt Zur Zeit kritisiert hatte, und der Leiter der Parteiakademie, Ewald Stadler, gehörten zu den »ewig oppositionellen Zerstörern«, wie es nun beim BZÖ heißt.

So glatt verläuft der Start des BZÖ dennoch nicht. Da sind zunächst die ungeklärten Finanzen. Die FPÖ hat ein paar Millionen Euro Schulden, über deren Übernahme in den nächsten Wochen verhandelt werden muss. Zudem steht das orangefarbene Bündnis praktisch ohne Geld da. Einzig die Finanzierung der Fraktion ist sicher. Ein großzügiger Sponsor hat sich bisher noch nicht gefunden. Eine weitere ungeklärte Frage ist die Mitgliedschaft. Während das BZÖ verkündet, eine Doppelmitgliedschaft in der FPÖ und im Bündnis hinzunehmen und auf diese Weise versucht, FPÖ-Mitgliedern einen »langsamen« Übertritt zu erleichtern, wehrt sich Hilmar Kabas, der Übergangsvorsitzende der FPÖ, vehement gegen eine solche Regelung.

Nach der Gründung des BZÖ sind die freiheitlichen Regierungsmitglieder übergetreten, auch die Parlamentsfraktion der FPÖ tendiert fast geschlossen zur neuen Partei. Anders sieht die Lage in den Ländern aus. Ein Großteil der Funktionäre aus Niederösterreich, Salzburg und dem Burgenland will dem Vernehmen nach in der FPÖ bleiben. In einen orangefarbenen und einen blauen Teil gespalten sind die Freiheitlichen in Tirol, in der Steiermark und in Wien. Und einen eigenen Weg wollen die Freiheitlichen in Oberösterreich und in Vorarlberg gehen. Geschlossen aus der FPÖ ausgetreten ist einzig der Kärntner Landesverband. Er hat beschlossen, dem BZÖ beizutreten, will aber unter dem Namen »Die Freiheitlichen in Kärnten« eigenständig bleiben. Eine endgültige Klarheit darüber, wer sich dem BZÖ noch anschließt, wird wohl erst der Gründungskonvent schaffen, der für den 17. April angesetzt ist. Die FPÖ will ihren Parteitag planmäßig am 23. April abhalten. Die Wahl des Rechtsaußen Strache zum neuen Parteiobmann gilt als sicher.

Beide Parteien stehen nun vor den gleichen Problemen. Sie müssen das freiheitliche Wählerspektrum für sich gewinnen, was zuletzt der FPÖ immer weniger gelang. Man wolle einen »positiven Weg für die Zukunft Österreichs beschreiten« und »freiheitlich-freisinnige Werte« vertreten, erklärt das BZÖ.

Die bisher präsentierten Inhalte gleichen allerdings fast aufs Wort denen der alten Partei. Man sei für eine soziale Marktwirtschaft, gegen Lohndumping, für Familien und die Bewahrung der »kulturellen Identität«. Was bei dem BZÖ unter dem Punkt »sichere Heimat – geordnete Zuwanderung« firmiert, benennt Strache deutlicher und fordert ein entschiedenes Vorgehen gegen »Dealer« und »Asylmissbrauch«. Dass die Abgrenzung, um die man nun so bemüht ist, keine substanzielle ist, verdeutlichte auch der Bündnissprecher, Uwe Scheuch. Das »Haus«, dass das BZÖ bauen wolle, sei größer und offener, meinte Scheuch in der vergangenen Woche. »Das Fundament ist dasselbe.«

Am rechten Rand ist kein Platz für zwei Parteien. Eine der beiden dürfte das Schicksal der früheren FPÖ-Abspaltung Liberales Forum ereilen, die 1993 von Haiders früherer Weggefährtin Heide Schmidt gegründet wurde, aber einige Jahre darauf aus dem Nationalrat herausflog und seither bedeutungslos ist.

Das BZÖ setzt nun ganz auf die Wirksamkeit der Marke Haider. Das ist ein Vorteil gegenüber Strache, der bislang außerhalb Wiens kaum bekannt ist. Ein wirkliches Comeback Haiders ist allerdings unwahrscheinlich. Längerfristig hat das BZÖ dennoch größere Chancen als die Rest-FPÖ, deren Besetzung mehr denn je einem Verein schlagender Burschenschafter gleicht. In Umfragen kommen FPÖ und BZÖ derzeit auf drei bzw. sechs Prozent. Vor allem die SPÖ könnte von den Einbrüchen im rechten Lager profitieren.

Ausreichend Stoff für Schlammschlachten in den nächsten Monaten ist jedenfalls vorhanden. Und der wird auch benötigt, schließlich steht ein Kampf um Wählerstimmen bevor, in dem auch die Zukunft von Orange und Blau entschieden wird. Im Herbst 2006 sollen die Wahlen zum Nationalrat stattfinden, falls es nicht doch anders kommt und Haiders Truppe mal wieder alles über den Haufen wirft.