Villa Mussolini

Die Rechtsextremen in Rom machen sich Methoden der Linken zu eigen und besetzen Häuser. von enrico esposito, rom

Die Stadt ist vollgekleistert mit ihren schwarzen Plakaten. Sie werben für ihre »Kulturveranstaltungen«, fordern »soziale Gerechtigkeit« und das Recht auf Wohnen. Sie halten sich für »rote Faschisten«. Und sie besetzen Häuser.

Der Ort des Geschehens ist Rom, und zwar nicht nur der Rand, sondern auch das Zentrum der Stadt. Ihr jüngstes Centro Sociale, das »Casa Pound«, besetzten die Rechtsextremen vor anderthalb Jahren im multikulturellen Viertel Esquilino in der Nähe des Hauptbahnhofes Termini. Das Haus, das nach Ezra Pound, dem Dichter und Anhänger Benito Mussolinis, benannt wurde, ist das dritte, das Rechtsextremisten besetzten, nach dem vor kurzem geräumten »Foro 753« und dem »Casa Montag«, bei dessen Namensgebung der Held aus Ray Bradburys Roman »Fahrenheit 451« als Inspirationsquelle herhalten musste. Hinzu kommen die so genannten Case d’Italia (»Häuser Italiens«), in denen nur italienische Familien leben sollen.

Das »Casa Pound« ist ein unauffälliges Gebäude zwischen zwei chinesischen Bekleidungsgeschäften, das nur aufgrund der mit schwarzen Plakaten zugeklebten Hauswand, auf der das Angesicht des Duce prangt, als rechte Hausbesetzung zu erkennen ist. Die Wände am Haupteingang sind vollgeschmiert mit Schriftzügen und Namen von Berühmtheiten wie dem faschistischen Philosophen Giovanni Gentile, dem Autor des »kleinen Prinzen«, Antoine de Saint-Exupéry, dem rechtsextremen Vorbild Julius Evola, dem Ideologen des Faschismus der zwanziger Jahre, oder dem deutschen Schriftsteller Ernst Jünger.

Der einzige anwesende Hauswächter im »Casa Pound« ist David, ein 20jähriger mit Koteletten und einem auf den Oberarm tätowierten Bildnis eines Indianers. An der Wand hängt ein Bild in futuristischem Stil, das einen marschierenden Soldatentrupp mit zwei Fähnchen zeigt, mit dem faschistischen Spruch »Boia chi molla« (Wer aufgibt, ist ein Bastard). Auf dem Tisch, an dem David sitzt, liegen ein Buch von Evola und eine Videokassette des Hollywood-Films »The Heat«.

Um einige Informationen über die Aktivitäten des »Casa Pound« zu erhalten, müsse man mit dem »Verantwortlichen« reden, sagt mir David sogleich. Er selbst nennt sich einen »roten Faschisten«. Seine Gruppe unterscheide sich sowohl von der bürgerlich-kapitalistischen Rechten, die Silvio Berlusconi repräsentiert, als auch von der postfaschistischen rechten Partei Alleanza Nazionale. »Wir sind von der Sozialrepublik von Salò inspiriert«, meint David überzeugt. Der von den Nazis und Mussolini im Jahr 1943 gegründete Scheinstaat von Salò, mit Mussolini an der Spitze, zeichnete sich durch grausame Massaker, Judendeportationen und Razzien aus.

»Hier im ›Casa Pound‹ leben ungefähr zwölf Familien, aber im ›Casa d’Italia‹ in Torrino südlich von Rom leben noch mehr Personen. Und alle sind Italiener.« Und er fügt hinzu: »Was von außen wie eine Rassenpolitik aussehen mag, ist bei uns nur eine Frage der Priorität. Es ist selbstverständlich, dass du erst deiner eigenen Mutter eine Wohnung gibst, wenn sie obdachlos ist, und dann erst einer anderen. Dasselbe gilt für unser Volk.«

Die Hauptziele ihres Kampfes bestünden in der Erfüllung der Forderung nach einem »sozialen Darlehen« und der Gewährung des Rechts auf eine Eigentumswohnung. Trotz ihrer angeblichen Distanz zu Institutionen und Parteien wurde die Forderung nach dem »sozialen Darlehen« am Ende auch in das Programm für die Regionalwahlen der Alleanza Nazionale aufgenommen. »Uns interessieren allein unsere Forderungen – egal, ob sie von der Alleanza Nazionale oder Rifondazione Comunista unterstützt werden«, betont David. Doch wenn man die rechtsextremen Zeitschriften, Konferenzen und Sommeruniversitäten wie die »Synergie Européennes« betrachtet, fällt auf, dass die italienischen Neofaschisten immer wieder mit Parteien wie der Alleanza Nazionale, mit der sie eigentlich nichts zu tun haben wollen, zusammenarbeiten.

Ihre Verbindungen zu den rechtsextremen Protagonisten der »Anni di piombo«, der »bleiernen Zeit« des faschistischen Terrorismus der siebziger Jahre, verheimlichen die Hausbesetzer nicht. So zum Beispiel zu Gabriele Adinolfi. Dieser hatte zusammen mit Roberto Fiori, dem derzeitigen Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Forza Nuova, im Jahr 1979 die Terza Posizione gegründet, eine rechtsextreme Zeitung, die ein Propaganda- und Rekrutierungsorgan für militante Aktionen darstellte. Ihre Mitglieder standen der Terroristengruppe NAR (»Bewaffnete Revolutionäre Zellen«) nahe. Als einige Mitglieder wegen Waffen- und Bombenbesitzes festgenommen wurden, tauchten Adinolfi und Fiori 1980 für 20 Jahre unter. Als Adinolfi wieder auf der Bildfläche erschien, konnte er völlig unbehelligt Politiker werden.

Das »Casa Pound« ist auch ein »Kulturzentrum«. »Wir organisieren kulturelle Veranstaltungen, die jedoch von Politik nicht zu trennen sind.« Die meisten Abende handeln von ihren ideologischen Idolen wie Pound oder Evola oder führen in neofaschistische Fachliteratur ein. Nur eine Generation später können die Erben der Terza Posizione in besetzten Häusern Konzerte organisieren. Ihre erfolgreichste Band ist die Neonazirockband – oder wie sie sagen: »Identitätsrockband« – Zeta Zero Alfa, die die erste rechte Besetzung des »Casa Montag« angeführt hat. Zu den wichtigen Tätigkeiten der Gruppe im »Casa Pound« gehören die Organisation der Tag- und Nachtwachen an Mussolinis Grabstätte sowie das Erklimmen des Monte Rosa. Der Weg zum Gipfel führt nicht nur zur Stätte von Julius Evolas Überresten, sondern angeblich auch auf männlich-asketische Weise zum eigenen Selbst.

Die rechtsextremen Hausbesetzer geben sich jedoch nicht abgehoben und elitär. Es genügt, ins Stadion zu gehen und einem Spiel der Fußballmannschaft Lazio Rom beizuwohnen. Unter die verschiedenen Gruppen von neofaschistischen Hooligans mischen sich auch die Bewohner des »Casa Montag« und die Musikband Zeta Zero Alfa. David betont, dass sein Faschismus weniger aristokratisch-elitär, sondern »aktionistisch im Sinne der alten faschistischen Sturmtruppen« sei.