Über Bande

Anschläge in der Türkei von sabine küper-büsch

Darauf werden die Freiheitsfalken Kurdistans stolz sein: Nach den Anschlägen in Marmaris, Istanbul und Antalya gelten sie als gefährliche Terrororganisation. Dabei ist immer noch unklar, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Bislang existiert nur eine Webseite, auf der eine Organisation dieses Namens sich zu vielen Anschlägen aus den vergangenen zwei Jahren bekennt. Darüber hinaus will sie für die Waldbrände, die vor zwei Wochen an der Südküste ausbrachen, und für den Großbrand in einer Frachthalle im Istanbuler Flughafen im Mai verantwortlich sein.

Damit dürfte sich die Vermutung erledigt haben, die man zunächst in kurdischen Kreisen hatte, nämlich dass es sich bei dieser Organisation um eine Erfindung der staatlichen Kontraguerilla handle, die mit diesen Anschlägen die kurdische Bewegung diskreditieren wolle. Das kann man guten Gewissens vergessen, keine noch so geheim operierende staatliche Orga­nisation würde die Verantwortung für einen Brand am Flughafen übernehmen oder die Tourismusindustrie direkt gefährden.

Auffällig ist trotzdem, dass in den vergangenen zwei Jahren auch Zivilisten aus dem urbanen Milieu der PKK bei Anschlägen verletzt und getötet wurden. In Antalya etwa explodierte der Sprengsatz am Montag der vergangenen Woche in einem Viertel der Altstadt, in dem viele Kurden arbeiten. In Marmaris verletzten drei Bomben nicht nur Touristen, sondern auch kurdische und türkische Zivilisten. Der Istanbuler Stadtteil Bagcilar, in dem am vorletzten Wochenende ein Sprengsatz explodierte, hat einen überdurchschnittlich hohen kurdischen Bevölkerungsanteil. Zwar dürfte der Anschlag dem Sitz des Landrats gegolten haben, doch befindet sich in der unmittelbaren Nachbarschaft eine Schule.

Zwei Erklärungen bieten sich an: Die Anschläge könnten tatsächlich auf das Konto von Kurden aus dem Umfeld der PKK gehen. Auf der Webseite beten die Freiheitsfalken das übliche Parteiprogramm herunter. Sie fordern eine gleichberechtigte Behandlung der kurdischen Kultur im staatlichen Schulsystem und in den Medien sowie eine stärkere Partizipation von Kurden an der politischen Macht. Damit unterscheiden sie sich von den legalen kurdischen politischen Bewegungen nur in einer, allerdings entscheidenden Hinsicht: Sie betrachten eine Amnestie für Abdullah Öcalan und für die im Nordirak operierende Führung des militanten Flügels der PKK als Bedingung für das Erreichen dieser Ziele.

Das ist der aktuelle Konflikt in der kurdischen Bewegung. Es gibt zaghafte Versuche für eine Politik jenseits der PKK. Zugleich sind es der PKK nahe stehende Kurden, die die »Partei für eine demokratische Gesellschaft« dominieren. Diese meint mit »Frieden« nur eine Amnestie für die Führung der PKK in der Türkei. Die »Verteidigungskräfte des Volkes«, ein anderes PKK-Label, haben sich vergangene Woche von den Anschlägen distanziert. Es ist aber durchaus möglich, dass einzelne aus der Bewegung einen verdeckten Krieg führen. Dazu passt die Praxis, alle möglichen und unmöglichen Anschläge und Ereignisse auf die eigene Kappe zu nehmen.

Es ist aber ebenso möglich, dass eine Gruppe türkischer Ultranationalisten versucht, sich eines kurdischen Etiketts zu bedienen, um die PKK zu spalten. Dafür könnten die für die PKK eher untypischen Ziele der Anschläge sprechen. Denn die extreme Rechte hat ebenfalls ein Problem: Sie würde gerne die mögliche EU-Mitgliedschaft der Türkei verhindern, weil sie darin eine Gefahr für die nationalen Belange sieht. Wenn das Land wieder von Terroranschlägen verunsichert wird, so könnte das Kalkül lauten, dürfte sich das Thema EU fürs erste erledigt haben.

Beide Versionen sind denkbar. Schließlich haben beide Bewegungen oft genug bewiesen, dass sie ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen versuchen.