Ich und mein Haustier

Til Schweiger mit Ziegenkind: Die deutsche Ausgabe der illustriert den langweiligen Status quo des hiesigen Kulturbetriebs. von lutz erkenstädt

Man hatte viel erwartet, denn das Spektakel vor der Veröffentlichung der ersten Ausgabe der Vanity Fair war groß. Bereits zu Beginn des vergangenen Jahres raunten Journalisten von dem neuen Blatt. Großes sei da geplant, die »besten Redakteure« würden von anderen Magazinen abgeworben, es werde unendlich viel Geld ausgegeben. Ulf Posch­ardt, der sich als Redakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung und als Merve-Autor einen guten Namen gemacht, der Bücher über Sportwagen, Einsamkeit, DJ-Kultur und Mode veröffentlicht hat, war bald als Chefentwickler und designierter Chefredakteur bekannt.

Andere Konzerne reagierten panisch. Gruner und Jahr etwa warfen 2005 allein aufgrund der Ankündigung, dass es bald eine deutsche Ausgabe der Vanity Fair geben solle, ihr Magazin Park Avenue auf den Markt, das bis heute zu keiner Linie gefunden hat und eher am Rande vor sich hinwest.

Insbesondere in Berlin wurde mächtig für das neue Magazin Reklame gemacht, im ­KaDeWe wurde vorab ein ganzes Schaufenster für PR-Zwecke gemietet. Nun, nach Erscheinen der ersten Ausgabe, fahren Busse mit dem Vanity-Fair-Schriftzug herum, Fassaden am Potsdamer Platz werden mit dem Logo beleuchtet, die Plakatwände sind voll­geklebt.

Doch die deutsche Ausgabe des Magazins, das – mit großen Unterbrechungen – seit 1913 Monat für Monat in den USA erscheint und dort sogar in die Politik hineinwirkt, hält nicht, was versprochen schien. Schon die Titelseite der ersten Ausgabe, auf der Til Schweiger mit einem Lamm abgebildet ist, zeigt überdeutlich, dass die Redaktion nicht recht weiß, was sie machen will.

Der amerikanische Großverlag Condé Nast, dessen deutsche Dependance das Magazin he­rausbringt, hat dabei nicht einmal gespart – von 50 Millionen Euro Entwicklungskapital ist die Rede. Auch sind rund 100 der über 300 Seiten des Magazins an überaus solvente Anzeigenkunden wie Prada oder Valentino verkauft worden, wobei es dem Verlag mit Sicher­heit geholfen hat, dass er auch die Magazine Glamour, GQ und Vogue sowie die »Shopping­zeitschrift« Lucky in Deutschland herausbringt. Dementsprechend hat auch die deutsche Vanity Fair ihre Modestrecke, die an Auf­wändigkeit und Professionalität den Couture-Inszenierungen der anderen Condé-Nast-Magazinen in nichts nachsteht. Auch sind, wie bei Condé Nast üblich, die ersten Seiten den Anzeigenkunden überlassen, erst auf Seite 17 findet man das Editorial.

Da aber hört er dann schon auf, der vermeint­liche Glamour, mit dem dieses Magazin, das Poschardt zufolge eines für »Movers und Shakers« sein soll, für sich werben will. Ein sanft dreinblickender Poschardt bittet seine Leser vorab ziem­lich unsouverän um Verbesserungsvorschläge für sein Heft, das man noch nicht einmal durchgeblättert hat. Zwar hat Bruce Weber, der dem deutschen Publikum eigens als »Starfotograf« vorgestellt werden muss, Til Schweiger in Szene gesetzt, doch leider ist auf den gut ausgeleuchteten Fotos immer wieder Til Schweiger zu sehen, der eher ein Schauspieler-Darsteller als ein Schauspieler ist. Selbstverständlich verpasst er die Gelegenheit, auf Fotos einmal eine gute Figur machen zu können. Jedem Foto ist der Krampf anzusehen, den er für Spaß hält.

Die Texte über Barack Obama und Robert de Niro, die von gutem Magazinjournalismus zeugen, wurden sicherheitshalber aus den USA gekauft. Die Auszüge aus dem Tagebuch der Anna Politkovskaja, die angeblich »ex­klusiv« sind, sind lediglich ein Vorabdruck aus der im März erscheinenden deutschen Buchausgabe. Bushido, der sich als »deutscher Patriot« zu erkennen gibt (»in Deutschland ist eben alles cooler«), hätte einen Redakteur ge­braucht, der dem »wichtigsten Rapper des Landes« wenigstens die schlimms­ten Übertreibungen hätte ausreden können. Doch nein, Bushidos Leben zwischen Drive-By-Shootings in Kreuz­berg und dem »Mitternachtsshopping« wird in einer Weise geschildert, die an die Sprache pubertierender Jungs erinnert, die den Film »Taxi Driver« nicht ganz verstanden haben. Von der Schauspielerin Mavie Hörbiger wird mitgeteilt, dass sie »erwachsen« werde, ein Prozess, den man sonst nur in betulichen Fünfziger-Jahre-Blättern für lobenswert hielt. Alexander Kluge wird mit einer kommentierten Bildmontage zum 75. Geburtstag gratuliert, allerdings darf er kaum ein Wort über seine Arbeit verlieren. Er hat, erfahren wir stattdessen, schon mal Tagliatelle in Helmut Kohls Lieblingsrestau­rant »Bei Bruno« in Bonn verzehrt. Und Angelina Jolie und Brad Pitt kaufen sich eventuell eine Wohnung in Berlin, möglicher­weise sogar in Mitte. Nun, wer das wissen will, hat’s jetzt erfahren.

Aus den von hiesigen Journalisten erstellten Beiträgen sticht einzig die Reportage Michel Friedmans heraus, der die NPD erkundete und Udo Voigt nach seinen Gedanken zum Holocaust befragte. Auch dieser Text vermittelt keine neuen Erkenntnisse, schön ist es aber, die kleinen Führer der NPD zwischen Mediengeilheit und Abscheu vor dem jüdischen Reporter zerrissen zu sehen. Und auch ein Gespräch mit Bernhard Docke, dem Anwalt Murat Kurnaz’, ist gut gemacht.

Dennoch, für 50 Millionen sollte mehr möglich sein, meint man. Vielleicht aber entsteht die Fadheit der ersten Vanity-Fair-Ausgabe dadurch, dass die Redaktion durch­weg von falschen Voraussetzungen ausgeht. Die Zeitschrift wird, wie man mehrmals betont, in Berlin produziert, in der Prachtstraße Unter den Linden, in einem Haus, wie man stolz hervorhebt, in dessen Erd­geschoss Ferraris verkauft werden. Was soll das aussagen? Glaubt etwa die Redaktion der Vanity Fair ernsthaft, dass Berlin eine Hauptstadt des Glamour sei und zugleich ein Hort der Bürgerlichkeit, in der kultivierte Wohlhabende am Abend über Politik diskutieren? Kinder, Berlin ist pleite, und man ist nicht gleich kultiviert, wenn man jemanden fotografiert, der Bilder sammelt oder malt, und man wird nicht dadurch schön, dass man sich neben die Luxuswagen seines Nachbarn stellt. Es gehört viel Bildung zur Bürgerlichkeit, erst dann ist von Stil zu sprechen, denn Geschmack kann man nicht kaufen. Bedeutung auch nicht.

Dennoch ist die Vanity Fair nicht so schlecht, wie sie nun schlechtgeredet wird. Ihre Langweiligkeit ist symp­tomatisch für eine Zielgruppe, die man hierzulande »Elite« nennt. Ihr verzwei­feltes Bemühen, sich aufzuhübschen, ist das Bemühen jener Parvenüs, die man hier »Stars« nennt, weil man kaum wirk­liche hat. Und die wenigen gebildeten, international anerkannten Profis aus Film, Fernsehen, Sport, Literatur, Musik oder Kunst will man nicht zeigen, weil sie die Kleingeister, mit denen man sich normalerweise abgibt, nur noch mehr vorführen. Daher ist es überhaupt nicht peinlich, sondern ziemlich lustig, wenn ausgerechnet Tatjana Gsell das Schlusswort in dieser Ausgabe hat. Es ist normal.

Vanity Fair. Der Name des Magazins lehnt sich an den englischen Titel des Romans »Jahrmarkt der Eitelkeit« von William Makepeace Thackeray an.