Es geht auch ohne

Geld und Glück

Wenn ich sie nicht schon hätte, die deutsche Staatsbürgerschaft, würde ich sie glatt beantragen. Und zwar wegen dem, was eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts zum Thema Glück herausgefunden hat. Und stünden die Ergebnisse der Umfrage nicht schon im Internet, würde ich die Zeitschrift Emotion, die die Studie in Auftrag gegeben hat, sofort abonnieren. Aber, liebe Verleger, Geld allein macht nicht glücklich. So lautet schließlich die zentrale Aussage der Forscher.

Auch ich arbeite daran, ein glücklicher Deut­scher zu werden. Eine Folge von Schick­sals­schlägen zwang mich dazu, mir eine eigene Glücksphilosophie zurechtzulegen. Meine persönliche Definition von Glück enthält Sätze wie »Es ist, wie es ist« und weiteren Blödsinn, an den mana nur glauben muss, damit er funktioniert. Glückstheoretiker wie Epikur, Schopenhauer und Nietzsche sahen das ähnlich. Ihre zentrale Aussage lautet: Wenn etwas Schlimmes geschieht, kann man sich sogar darüber freuen, so lange man sich vergegenwärtigt, dass man irgendwann sterben wird. Dann sieht alles nur noch halb so schlimm aus. Folglich gibt es im Krieg die ­wenigsten Fälle von Depressionen.

Die Allensbach-Studie zeigt, dass die meisten Deutschen so denken. Demnach sind über zwei Drittel von ihnen »zumindest tendenziell« glücklich. Für sie ist das Streben nach Glück nicht die Jagd auf euphorische Momente – die können sich nur 30 Prozent überhaupt vorstellen. Vielmehr sind es die kleinen, feinen Sachen, die ihre Herzen erfreuen: lieben und geliebt werden (77 Prozent), Zufriedenheit finden (75 Prozent), sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen (62 Prozent) oder frei von Ängsten leben (53 Prozent). Das ist bei Epikur auch das dicke Ding: Wahres Glück kommt von innen.

Hingegen glaubt nur etwa jeder Fünfte, dass er mit mehr Geld glücklicher wäre. Und seltsamerweise steht immer und in jeder dieser Befindlichkeitsstudien, die im Monatstakt erscheinen, dass Politik sinnlos geworden ist. Ausgleich, Gerechtigkeit, Enteignung der Konzerne, Umsturz? Alles nicht nötig.

Mit dem Geld verhält es sich aber so: Je ­weniger davon im Umlauf ist, desto weniger Möglichkeiten gibt es, damit glücklich zu werden. Und desto weniger Leute haben überhaupt eine Idee, was sie mit einem größeren Vermögen anfangen könnten, wenn sie es denn besäßen. Geldmangel hingegen, das weiß man selbst bei Emotion, bereitet Unbehagen. 41 Prozent derer, die sich unglücklich nennen, verdienen weniger als 1 250 Euro im Monat.

Zu denen, die kein Geld besitzen und dennoch zufrieden sind, gehöre ich nicht. Und viele Leserinnen und Leser der Jungle World wahr­scheinlich auch nicht. Wir würden gern wissen, wie es ist, wenn man aus voller Überzeugung sagen kann: Geld macht nicht glücklich.

Damit wären wir beim Thema Zweidrittel-Gesellschaft. Richtig glücklich sind 33 Prozent der Befragten. Sie hatten eine glückliche Kindheit, glauben an den eigenen Erfolg, über­nehmen gerne Verantwortung, haben viele Interessen, kennen jede Menge Leute und ­haben nur selten das Gefühl, andere würden mehr aus ihrem Leben machen. Die restlichen zwei Drittel, das ist schnell gesagt, haben keinen Erfolg und alles andere auch nicht. Damit wenigstens das obere Drittel richtig glücklich sein kann, muss man die Ungleichheit notfalls künstlich herstellen. Denn eine wichtige Voraussetzung für das Glück besteht darin, dass es nie für alle reicht. Die Glücklichen müssen die Unglücklichen vor Augen haben.

Also: Glück gibt es auch ohne Geld. Bis wir wissen, wie das geht, werden wir total zufrieden unzufrieden sein.

jürgen kiontke