Folterstaat ­Österreich

Amnesty-Jahresbericht 2006

Die saubere Alpenrepublik Österreich hat ihren Platz gefunden zwischen autoritären Regimen wie Nordkorea und Saudi-Arabien. Das Land steht auf der Liste der 104 Folterstaaten, die Amnesty international (ai) vorige Woche im Jahresbericht 2006 veröffentlichte. Amnesty übt zudem scharfe Kritik am österreichischen »Fremdenpolizeigesetz«. Mit Hilfe dieses Gesetzes wurde der in Abschiebehaft befindliche Geoffrey A., nachdem er in den Hungerstreik getreten war, in eine Justizanstalt überstellt, in der er keinerlei geeignete medizinische Versorgung erhielt.

Nach 41 Tagen Hungerstreik ließen ihn die Verantwortlichen völlig entkräftet frei, er brach jedoch auf dem Heimweg zusammen und musste auf der Intensivstation behandelt werden. »Widersprüchlichkeiten im Fremdenpolizeigesetz führen dazu, dass hungerstreikende Schubhäftlinge nicht mehr wie bisher im Zweifel aus gesundheitlichen Gründen freigelassen werden, sondern unter Androhung der Zwangsernährung in Haft bleiben, während andererseits Ärzte mit Rücksicht auf Grundsätze der medizinischen Ethik nicht verpflichtet sind, Zwangsernährungen durchzuführen«, heißt es im Bericht von Amnesty.

Viel mehr öffentliche Beachtung als die Kritik an dem weiterhin gültigen Gesetz erhielt jedoch der Foltervorwurf gegen Österreich. Im April letzten Jahres sollte der Gam­bier Bakary J. abgeschoben werden. Als er jedoch dem Flugpersonal mitteilte, dass er nicht freiwillig an Bord sei, weigerte sich der Pilot zu starten. Daraufhin fuhren die drei Begleitpolizisten mit dem Gambier zu einer leeren Lagerhalle, wo er nach eigenen Angaben geschlagen und getreten wurde. Anschließend hätten die Polizisten eine Hinrichtung inszeniert und ihn mit dem Polizeifahrzeug angefahren. Er kam mit Schädelfrakturen, Prellungen und einer offenen Wunde an der Stirn ins Krankenhaus. Nach der Behandlung auf der Intensivstation brachten ihn die Polizisten wieder ins Abschiebegefängnis.

Erst nachdem Bakarys Ehefrau Anzeige erstattet hatte, wurden strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Mit schockierendem Ausgang: Die drei Beamten erhielten lediglich Bewährungsstrafen zwischen sechs und acht Monaten, nach dem Prozess traten sie wieder ihren Dienst an. Dass die Strafen so gering ausfielen, rührt unter anderem daher, dass es in Österreich bis heute keinen Paragrafen gibt, der Folter als Tatbestand definiert. Die Polizisten wurden vor allem wegen unterlassener Hilfeleistung schuldig gesprochen. Die damalige Innenministerin Liese Prokop, die inzwischen verstorben ist, hatte die Beamten vehement in Schutz genommen.

Der ai-Generalsekretär in Österreich, Heinz Patzelt, kritisierte vergangene Woche einen generellen Trend zur »Menschenrechtsabwehr« im Innenministerium. So traten im Januar 2006 Gesetze (»Fremdenrechtspaket«) in Kraft, die zu einer deutlichen Zunahme der Zahl der Abschiebehäftlinge und gleichzeitig zu einem Rückgang der Asylanträge führten.

Einer der Kritiker dieser Gesetze steht seit Freitag vor Gericht. Der Vorsitzende von Asyl in Not, Michael Genner, muss sich wegen übler Nachrede verantworten. Er hat Prokop als »Ministerin für Folter und Deportation« bezeichnet, da in ihrer Amtszeit selbst traumatisierte Flüchtlinge in Abschiebehaft genommen wurden. Derweil berichtete der Standard über einen neuen Fall von Polizeigewalt gegen einen Abschiebehäftling. Vom 19. auf den 20. Mai sollen Polizisten den Nigerianer Henry O. geschlagen und in rassistischer Manier beleidigt haben. Er berichtete in einem Telefonat, man habe ihm sein Insulin und den vom Amtsarzt verschriebenen Hofgang verwehrt. Nach dem Vorfall wurde Henry O. in eine Einzelzelle verlegt und erhielt Besuchsverbot, obwohl beide Maßnahmen im Asylgesetz nicht vorgesehen sind.

carsten anders