Schutzpatron mit Helfersyndrom

Der französische Außenminister Bernard Kouchner will die Armee einsetzen, um Flüchtlingslager in Darfur zu versorgen. von bernhard schmid, paris

Bernard Kouchner gehörte zu den ersten, die das »Recht auf Einmischung« propagierten. Nun ist der überzeugte Interventionist französischer Außenminister, und angesichts der dramatischen Situation in den Flüchtlingslagern Darfurs verkündete er Anfang Juni ein neues Vorhaben. Die französische Armee solle von ihren Statio­nierungs­basen im Tschad aus »humanitäre Korridore« zur Versorgung der Flüchtlingslager in Darfur schaffen.

Die NGO, die dort tätig sind, warnten hingegen davor, Militärisches und Humanitäres miteinander zu verquicken. Ihre Mitarbeiter fürchten, ansonsten mit den Interventionstruppen identifiziert und selbst zur Zielscheibe zu werden. Kritiker weisen zudem darauf hin, dass die französischen Truppen noch im April 2006 durch den Einsatz der Luftwaffe dem tschadischen Regime unter dem autokratischen Präsidenten Idriss Déby geholfen haben, einen Ansturm von Guerilleros aus der Grenzregion zum Sudan niederzuschlagen. Dieselben »ethnischen Gruppen«, die in Darfur zu Opfern der Gewalt sudanesischer Milizen werden, stellen im Tschad den größten Teil der Regierung, etwa die Zaghawa, aus deren Reihen Präsident Déby stammt. Die französische Armee erscheint als Schutzpatron von dessen Clan, nicht als humanitäre Instanz.

Der frühere Präsident der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), Rony Brauman, erklärte in der Sonntagszeitung Journal du Dimanche: »Es ist bekannt, dass der Darfur-Krieg im eigentlichen Sinne, von 2003 bis 2005, rund 200 000 Tote und zwei Millionen Flüchtlinge verursachte. Heute sind wir auf einer völlig anderen Ebene von Gewalt. Statt, wie zuvor, 10 000 Toten haben wir jetzt 200 Tote monatlich. Wir haben es nunmehr mit einer Konstellation von bewaffneten Gruppen zu tun, die ihre Konflikte austragen oder aber ihren Lebensunterhalt durch Raub bestreiten. Es gibt nicht mehr die eine identifizierbare Frontlinie, mit einer Armee und Rebellen, oder mit Kombattanten auf deren einen Seite und Zivilisten auf der anderen. Heute sind von den 200 Getöteten pro Monat ein Gutteil Kombattanten dieser Gruppen.«

Angesichts der unübersichtlichen »Fragmentierung der Gruppen« könne er vor einer militärischen Intervention nur warnen. Brauman sprach von »westlichen Allmachtsfantasien«, die die Probleme nur noch zu verschlimmern drohten. Hingegen müsse man unbedingt mit der Nahrungsmittelhilfe für die Flüchtlinge fortfahren, da sonst ebenfalls katastrophale Konsequenzen drohten.

Ob die Angriffe auf Zivilisten tatsächlich so stark zurückgegangen sind, ist nicht überprüfbar. Da etwa die Hälfte der Bevölkerung Darfurs vertrieben wurde, ist es jedoch möglich, dass die sudanesische Regierung und die mit ihr verbündeten Milizen ihre Kriegsziele weitgehend erreicht haben. Die sudanesische Regierung hat nach langem Widerstand nun der Entsendung von 18 000 Soldaten einer gemischten Truppe unter dem Oberbefehl der UN und der Afrikanischen Union akzeptiert. Eine Militärintervention westlicher Mächte im Sudan ist also wohl vorläufig nicht vorgesehen. Hingegen begann das französische Militär am vorletzten Wochenende damit, eine Luftbrücke innerhalb des Tschad einzurichten, um die Flüchtlingslager an der Ostgrenze des Landes besser zu versorgen. Offenbar will die französische Regierung vor allem eine Destabilisierung des Tschad verhindern, auf dessen Territorium sich die Kämpfe verlagern könnten.

Am Montag begann in Paris eine internationale Konferenz über Darfur. Ergebnisse wurden bis Redaktionsschluss nicht bekannt, doch dürfte bei dem Treffen vor allem darüber verhandelt worden sein, wie die Interessen Frankreichs und der USA mit denen Chinas, das mit dem sudanesischen Regime verbündet ist, in Einklang gebracht werden können. Die Afrikanische Union dagegen war nicht vertreten.